Im Zickzackkurs zum Heidengrabenzentrum – Eröffnung der keltischen Rekonstruktionsstätte am Albtrauf

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Heidengrabenzentrum am vergangenen Wochenende eröffnet – Ministerpräsident Winfried Kretschmann, viel Prominenz und zahlreiche Keltengruppen vor Ort

Freitag, 17 Uhr, Heidengrabenzentrum

 Großer Auflauf, viel politische Prominenz (inklusive Ministerpräsident Winfried Kretschmann) fand sich am Freitag zwischen Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten und Hülben ein. Warum? Das Heidengrabenzentrum sollte an der Schnittstelle zwischen den drei Gemeinden am Albtrauf feierlich eröffnet werden. Getan wurde das mit einer Führung durch das nagelneue Kelten-Museum am Rande der Schwäbischen Alb.

Winfried Kretschmann begab sich mit Staatssekretär Arne Braun auf eine wilde, virtuelle Fahrt in einem keltischen Streitwagen.

„Das ist kein Museum“, erläuterte allerdings Dieter Hagmann, der zusammen mit Andrea Häussler die Konzeption für dieses „Erlebniszentrum mit Rekonstruktionen“ erarbeitet hatte. Gezeigt wird dort das bäuerliche keltische Leben, wie es vor rund 2100 Jahren in dieser Region ausgesehen haben könnte. Rein fiktiv ist das alles aber natürlich nicht: Innerhalb von mehr als 30 Jahren wurden in den Äckern auf der Albhochfläche zwischen den drei Gemeinden immer wieder Alltagsgegenstände, Grabbeigaben oder auch Werkzeuge aus jener Zeit gefunden. „Es ist erstaunlich, wie viele Werkzeuge es schon vor mehr als 2000 Jahren gab“, sagte Dieter Hagmann, der zusammen mit Andrea Häussler die Konzeption für das Heidengrabenzentrums entwickelt hat.

Im Zentrum berichten Avatare über die längst vergangene Zeit. Ein siebenminütiger Film liefert zudem mit beeindruckenden Bildern eine Vielzahl an Informationen. Etwa darüber, dass um 2100 vor Christi zunächst die Rodung des riesigen Geländes anstand. Dann wurde eine „Pfostenschlitzmauer“ mit acht Zugangstoren errichtet: „Der Bau des Oppidums war eine riesige Herausforderung“, so Hagmann während des Rundgangs mit Kretschmann. Die damalige Stadt, das Oppidum, residierte auf einer Fläche von rund 17 Quadratkilometern. Bis zu 20.000 Menschen sollen dort gelebt haben, an die 40 mächtige Grabhügel werden allein um den Burrenhof herum vermutet.

Also genau dort, wo nun das Heidengrabenzentrum steht. „Es ist toll, dass hier was Gscheits entstanden ist“, schlussfolgerte Kretschmann nach dem Rundgang durch das Zentrum am Freitag. Kurz danach verlieh er die Plakette vom „Keltenland Baden-Württemberg“ an die drei Bürgermeister Siegmund Ganser (Hülben), Roland Deh (Grabenstetten) und Roman Weiß (Erkenbrechtsweiler). Kretschmann selbst hatte mit dem „Keltenland Baden-Württemberg“ die Verbindung verschiedener keltischer Orte im Land angestoßen, wie etwa den Ipf bei Bopfingen, das Keltenmuseum Hochdorf/Enz und die Heuneburg in Herbertingen.

Und nun also auch den Heidengraben.

Freitag, 18 Uhr, Festakt in der Rietenlauhalle in Hülben

 „Ohne all die Fördermittel von Bund und Land säßen wir heute nicht hier“, betonte Reutlingens Landrat Dr. Ulrich Fiedler am Freitagabend beim Festakt zur Eröffnung des Heidengrabenzentrums mit einer großen geladenen Gästeschar in der Hülbener Rietenlauhalle. Fiedlers Amtsvorgänger Thomas Reumann hatte in insgesamt vier Talkrunden maßgebliche Menschen interviewt, die zum Entstehen des Heidengrabenzentrums beigetragen haben. Darunter war auch Silke Maier, die ehemalige Geschäftsstellenleiterin des Zweckverbands Heidengraben. Sie betonte: „Es war wichtig, diesen Zweckverband zu gründen.“ Maier zeigte sich auch überzeugt: „Wenn der Erfolg des seit einem Monat offenen Aussichtsturms in den sozialen Medien sich auch auf das Heidengrabenzentrum überträgt, dann ist alles gut.“

Der Aussichtsturm beim Burrenhof ist jetzt schon ein Renner.

Dass es aber überhaupt zum Bau des Kelten-Museums, das kein Museum ist, kommen konnte, dazu hatten sich zunächst die drei Bürgermeister zusammengefunden. „Wir haben uns 2007 überlegt, wie wir unsere Region in das Biosphärengebiet einbringen könnten“, erinnerte sich Ganser. „Der Heidengraben war das verbindende Element.“ Allerdings habe keine gerade rote Linie zu dem heutigen Ergebnis geführt – „es war ein Zickzackkurs, der uns in 17 Jahren hierhergebracht hat“, so der Hülbener Rathauschef.

Roland Deh, der nach dem tragischen Tod von Grabenstettens Bürgermeister Harald Steidl, das Projekt mit voller Kraft weitertrieb, führte Gesamtkosten von 5,2 Millionen Euro an. 1,75 Millionen kamen vom Land, 2 Millionen vom Bund sowie einige weitere sechsstellige Zuschusssummen etwa für den Aussichtsturm. Doch mehr als „nur“ Geld war vonnöten: „Ohne all die ehrenamtliche Unterstützung, wären wir nicht da, wo wir jetzt sind“, sagte Bürgermeister Weiß.

Einer dieser Ehrenamtlichen war Rolf Mößner, Gemeinderat aus Grabenstetten: „Anfangs wussten wir nicht, was wir machen wollten, wir hatten keinen Plan, waren aber nicht planlos.“ Er bestätigte den „Zickzackkurs“ in Richtung Heidengrabenzentrum. Dazu hatten engagierte Bürgerinnen und Bürger zahlreiche Museen, diverse Gedenkstätten angesehen – danach jeweils Ideen wieder und wieder über den Haufen geworfen. Über eins waren sich all die Redner am Freitagabend aber einig: Das Ergebnis des Heidengrabenzentrums sei ein wirklich gutes, faszinierendes, geglücktes. Eins fehle allerdings noch: Eine gute Infrastruktur für den Besucherverkehr müsse geschaffen werden, betonte Heinz Eininger. ÖPNV, Radwege, ein Kreisverkehr am Burrenhof – „all das ist noch ein Späßle, der rund 1,5 Millionen Euro kostet“, so Esslingens Landrat.

 

Samstag und Sonntag: Keltengruppen am Heidengraben

 Wie hat das keltische Leben vor etwa 2500 Jahren ausgesehen? Wie haben sie gelebt, unsere Vorfahren? Fragen wie diese haben am Samstag und Sonntag direkt neben dem Heidengrabenzentrum Menschen in Kleidung aus längst vergangenen Zeiten beantwortet. Die Frauen und Männer beschäftigen sich in ihrer Freizeit mit dem Keltentum, kleiden sich als Kelten und zeigen den interessierten Zuschauern beispielsweise, wie das damals übliche Kammweben vor sich ging. Wie Zinn gegossen oder wie eine Waffe hergestellt wurde.

Warum sie das tun? Jessica Cielenga und Florian Klaus aus Gammertingen gehören zu solch einer Gruppierung, „wir bilden Hallstatt-Zeit ab, das war etwas früher als das Oppidum am Heidengraben“, sagte Cielenga. „Wir hätten ungefähr um 550 vor Christi so gelebt“, so Klaus. Über Freunde sei das Paar zu dem Interesse an den Kelten gekommen. „Wir wollten mehr über unsere lokale Heimatgeschichte erfahren, über diese Zeit, die in der Schule ja kaum behandelt wird.“

Es sind erstaunliche Gesellen und Gesellinnen, die sich da am Wochenende neben dem Heidengrabenzentrum versammelt haben, sogar aus der Schweiz war eine Gruppe angereist – „wir sind aber keine Kelten, sondern Alamannen“. Auch Römer hatten sich in ihren Uniformen längst vergangener Zeiten eingefunden. Alle waren sehr auskunftsbereit, freuten sich über die Gespräche mit den Besuchern. Bis der erste Regen am Samstag kam. Doch was schreckt schon so einen richtigen Kelten, Römer oder Alamannen. „Außerdem können wir ja heute Abend wieder nach Hause in Gammertingen fahren“, sagte Florian Klaus schmunzelnd. Die Schweizer Gruppe konnte das eher nicht.

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