Am Samstag waren wir bei mehr als 30 Grad wandern. Oder eher spazierengehen. Im Wald oberhalb von Eningen. Wir waren dem Kugelkäfer auf der Spur. Der, so hieß es, sei verantwortlich für solch seltsame Kugelformen an dort herumliegenden Baumstämmen. Naja, dachte sich Nobbi. Ob das so richtig ist? Doch kurz darauf machte er eine Entdeckung: „Schau da hinten“, rief Nobbi. „Wo“, rief Bine. „Ich kann nichts erkennen vor lauter Bäumen.“ „Schau“, sagte Nobbi. „Kreisrunde Löcher – hier haust der gemeine Kugelkäfer.“ Gesehen haben sie aber keinen. Auf ihrem weiteren Weg kämpften sie sich durch riesige Felder Spinnweben. Sie machten Bekanntschaft mit der Wächterspinne. „Nichts wie weg“, sagte Nobbi. „Nimm die Liane“, rief ich Bine zu. „Das geht schneller.“ „Liane“, fragte Bine. „Ich seh keine Liane – aber dafür einen Kaisermantel.“ Kaisermantel? „Der Schmetterling heißt so“, sagte Bine. „Ah ja – und ich sage dir: Simsalabine, da vorne hüpft gleich ein Elefant vorbei.“ Gebannt schauten sie auf den Weg. Doch eine Sekunde später war schon wieder nichts mehr zu sehen. Dafür lag plötzlich ein Haufen vor Nobbi. „Der ist von einem russischen Bären“, sagte Bine. Ich lachte lauthals heraus. Doch plötzlich hatte ich diesen herrlichen Falter vor mir. Der Russische Bär – der verschämt seine Flügel schloss, um seine bunten Farben vor uns zu verstecken. Wir gingen weiter, schließlich waren wir auf der Suche nach dem Kugelkäfer. Die stacheligen Dinger waren zwar auch kugelig, aber da bestand größte Gefahr, wie das Schild verdeutlichte. Wir flüchteten. Ganz plötzlich läuteten die Glockenblumen, das war wohl eine Warnung. Doch für wen? Und warum? Vielleicht näherten wir uns dem Zentrum der Kugelkäfer-Kolonie. Ein weiterer Baumstamm zeugte von den unglaublichen Taten der kugelformenden Käfer. Doch dann die Überraschung: Ein Quadratkäfer hatte das Werk der kugeligen Kollegen zerstört – und sie waren geflohen. Enttäuscht wandten wir uns ab. Und sahen dann am Ende des Waldes doch wieder ein unglaubliches Werk der Kugelkäfer: die Achalm. Ihre Form ist eindeutig, dachten wir. Erschöpft setzte sich Bine auf eine der hölzernen Liegen. Nobbi platzierte sich ebenfalls dorthin und ganz plötzlich kam ihnen die Erleuchtung: Die Achalm musste das Zentrum der Kugelkäfer sein. Sie hatten sich nach der Fertigstellung ihres Meisterwerks im Turm zurückgezogen. Erfreut registrierten die Kugelforscher des Rätsels Lösung und sie ließen den Blick über das sommerliche Eningen schweifen. Bei mehr als 30 Grad regte sich kaum ein Lebenszeichen in den Straßen. Auch in den Hochhäusern – nichts. Ihre Blicke wanderten gen Reutlingen. Selbst im Riesenrad, keine Bewegung. Ergriffen machten Bine und Nobbi sich auf den Weg zurück. Händchenschwenkend näherten sie sich dem Auto. Und machten eine schreckliche Entdeckung: Das Fenster stand sperrangelweit offen. „Wie gut, dass heute bei der Hitze so wenig Leute unterwegs sind“, sagte Bine. „Ja“, sagte Nobbi. „Und so wenige Kugelkäfer – sonst würden wir nun vor einem kugelrunden orangenen VW stehen.“ Was für ein Blödsinn, oder? Der Russische Bär 0 By Norbert Leister on 15. August 2021 Bildergeschichten Share. Twitter Facebook Pinterest LinkedIn Tumblr Email