Mehr gute Bildung und weg mit der Schuldenbremse – 1. Mai-Kundgebung auf dem Reutlinger Marktplatz

0

Gewerkschaften fordern am 1. Mai auf dem Reutlinger Marktplatz gute Arbeitsplatzbedingungen und riefen zum Kampf zur Verteidigung der Demokratie auf

„Wir stehen für Vielfalt und stellen uns dem Kampf gegen rechtspopulistische Hetzer“, rief Ricarda Kaiser am gestrigen Mittwoch bei der 1. Mai-Kundgebung den Menschen in den gut gefüllten Reihen auf dem Reutlinger Marktplatz zu. Die stellvertretende GEW-Vorsitzende betonte, dass der Kampf gegen Rechts nicht immer einfach sei. Vor allem, wenn sogar Spitzenpolitiker demokratischer Parteien von „Paschas und Sozialschmarotzern“ reden.

„Wir sind heute hier auf dem Marktplatz, um Flagge zu zeigen für gute Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen“, betonte Benjamin Stein als Verdi-Chef im Bezirk Fils-Neckar-Alb kurz vor der Veranstaltung bei bestem Sommerwetter. „Wir sind aber auch hier, um die Demokratie zu verteidigen“, so Stein. Nach den Worten von Claudia Hülsken als neuer IG Metall-Bevollmächtigter der Region Reutlingen-Tübingen gehe es in vielen Diskussionen in den Betrieben immer wieder darum, entweder mehr Geld zu verdienen oder mehr Freizeit zu erhalten. Deshalb sei das Motto der diesjährigen DGB-Kundgebungen „Mehr Lohn, Freizeit und Sicherheit“ auch nicht aus der Luft gegriffen. Hülsken sprach sich zudem gegen Standortverlagerungen von Unternehmen aus.

Matteo Scacciante, der DGB-Kreisvorsitzende, betonte in seinem Redebeitrag: „Jede und jeder kann zu einer gerechteren, friedlicheren Welt beitragen.“ Die momentane Situation erinnere ihn an die im Jahr 1933, als die Deutschen extrem anfällig waren für rechte Propaganda. Aber: „Nie wieder heißt nie wieder“, rief Scacciante dem Publikum unter heftigem Beifall zu. „Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Starken sich für die Schwachen einsetzen.“

Oberbürgermeister Thomas Keck forderte die Reutlinger Bevölkerung in seinem Grußwort dazu auf, Anfang Juni wählen zu gehen: „Stärkt die demokratischen Parteien“, so seine Forderung. Die rechtsgerichteten Parteien seien keine Alternative, „sie sind die Totengräber“. Ähnlich äußerte sich auch Dusan Vesenjak aus dem Reutlinger Integrationsrat auf der Marktplatz-Bühne: „Wer in einer Demokratie schläft, der wacht in einer Diktatur wieder auf.“ Der GEW-Kreisvorsitzende Matthias Gruner sagte zusammen mit Vesenjak und Benjamin Stein auf die Fragen von DGB-Jugendbildungsreferentin Sandy Schüler auf der Bühne, das Bildungssystem in Baden-Württemberg sei „hochselektiv“. Es müsse grundlegend reformiert und gut finanziert werden.

Matthias Gruner (von links), Dusan Vesenjak und Benjamin Stein (rechts) antworteten auf die Fragen von DGB-Jugendbildungsreferentin Sandy Schüler.

Dusan Vesenjak hob hervor, dass Bildung heutzutage, nach mehr als 40 Jahren immer noch vom Bildungsstand der Eltern abhänge. In skandinavischen Ländern sei das seit Jahrzehnten anders, Sprachdefizite würden durch zusätzlichen Unterricht behoben. „Warum ist das in Deutschland nicht möglich“. Um das Geld für die Lösung all der vielen Probleme – auch das der Bildung – zu erhalten, „müssen wir das Geld da herholen, wo es ist, es muss umverteilt werden“, forderte Stein.

Auch Keck hatte betont, dass „Bildung einen höheren Stellenwert braucht“. Dafür sei mehr Geld notwendig, auch in Reutlingen gebe es einen Sanierungsstau an den Schulen. Das Fazit des OB: „Die Schuldenbremse ist zu einem Hemmschuh der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung geworden.“ Dem stimmte Ricarda Kaiser vorbehaltlos zu: „Wir müssen die Schuldenbremse als Klotz am Bein loswerden.“ Die GEW-Vizevorsitzende führte weiter aus: „Mich ärgert, dass seit einem Jahr um die Kindergrundsicherung in der Regierung gestritten wird.“ Diese Form der Umverteilung sei richtig und wichtig.

Bevor die Kundgebung in Reutlingen begann, war ein Tross von mehr als 150 Teilnehmenden vom Bürgerpark über die Eberhardstraße in die Wilhelmstraße zum Marktplatz gezogen und hatte Flagge für gute Arbeit gezeigt.

Tatsächlich sei die Wurzel aller Probleme im Land gute Bildung, betonte Kaiser. „Dass Bildung immer noch vom Geldbeutel der Eltern abhänge, „das ist ein Skandal“. Schließlich sei Bildung der Schlüssel für Teilhabe, für Demokratie und Toleranz. „Das Grundproblem ist, dass das Bildungssystem nicht vom Kind her gedacht wird“, so Ricarda Kaiser. Zum Motto der DGB-Kundgebung sagte sie: „In der Arbeitswelt ist heute die Realität, dass die Balance zwischen Freizeit und Arbeit und gutem Lohn gefunden werden muss – die Arbeitgeber müssen da noch ordentlich eine Schippe drauflegen.“

Share.

Comments are closed.