„Deutschland ist so undigital“ – ESB-Wirtschaftsforum im franz.K

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Wirtschaftsforum der European School of Business an der Reutlinger Hochschule befasst sich im franz.K mit dem brisanten Thema KI und den möglichen Auswirkungen

„Deutschland muss fitter werden im Bereich der KI“, forderte Michael Theurer (Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr) bei einer Podiumsdiskussion am Montagabend im franz.K. Sieben Studentinnen der European School of Business an der Reutlinger Hochschule hatten die Veranstaltung organisiert und auch auf die Bühne gebracht. Die Künstliche Intelligenz werde nicht nur die Berufswelt, sondern auch die Gesellschaften weltweit verändern, waren sich alle Gäste auf dem Podium einig.

KI sei aber auch notwendig, weil der Fachkräftemangel laut Kerstin Wagner schon seit einiger Zeit nicht mehr allein bei Ingenieuren und in der IT-Branche zuschlage, sondern alle Bereiche betreffe, betonte die Chefin der Talent Acquisition der DB AG. Der Grund? „Es sind einfach weniger Menschen am Markt.“ Die Bahn suche übrigens nicht nur Zugführer, „wir brauchen alles, außer Ärztinnen und Pfleger“, so Wagner.

So ergehe es allen Branchen, betonte Dr. Hermann Gartner, Mitglied des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB): Die Baby Boomer stünden kurz vor der Rente, „die müssen irgendwie finanziert werden“. Rente, Krankenhäuser, Pflege – da stehe ein Riesenberg vor der Gesellschaft. Zudem würden in allen Bereichen künftig massiv Arbeitskräfte fehlen.

Falk Borgmann lenkte den Blick auf die KI: „Da kommt wöchentlich Neues auf den Markt“, sagte der Leiter der Heidelberger Niederlassung der Deepshore GmbH. Das KI-Unternehmen „lebt davon, am Nabel der Zeit zu sein, aber jetzt ist alles aus dem Ruder gelaufen, es ist unglaublich, was da über uns hereingebrochen ist – ich bin nicht sicher, wie das weitergeht“, so der IT-Experte.

Eine Entwicklung prognostizierte Borgmann aber doch: „KI wird alles ersetzen, was mit Sprache zu tun hat.“ Übersetzer, Marketing, Werbung, auch die Presse – alle stünde durch solche Entwicklungen wie ChatGPT vor dem Aus. Ganz so pessimistisch wollte Rebecca Reisch als Chefin der Cyber Valley GmbH in Stuttgart und Tübingen KI nicht sehen. Aber: „Die kulturelle Selbstzufriedenheit in Deutschland muss sich ändern.“ Sie habe einen pakistanischen Werkstudenten im Unternehmen, den sie fragte, was ihn nach einigen Monaten in der Region beschäftige. „Deutschland ist so undigital“, habe er gesagt.

Reisch bestätigte das: „Wir sind ganz schön langsam, zwar noch auf Platz 4 der Wirtschaftsleistung, aber ohne Migration könnten wir einpacken.“ Während es in anderen Ländern deutlich einfacher sei, Start-ups mit Risikokapital auszustatten, funktioniere das in Deutschland nur ganz schwer. Anleger wollten Sicherheiten haben. Und schnell Gewinne erzielen. Ob der AI-Act der Europäischen Union richtig sei, um negative Auswirkungen der KI zu verhindern, wollte Moderatorin Dr. Julia Hagel von den Gästen wissen? „Die USA, Indien und China sind froh, dass wir uns deregulieren“, sagte Reisch.

Andererseits waren die Podiumsgäste sich einig, dass Berufe sich zwar verändern, aber nicht ganz verschwinden werden. Nach einer Studie könnten rund 60 Prozent von Professionen mit hohen Anteilen an Routineaufgaben sich massiv verändern, sagte Hermann Gartner. Grundsätzlich sei auch künftig bei Hochqualifizierten die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie durch KI ersetzt würden. Gleichzeitig hielten alle Podiumsgäste die Künstliche Intelligenz für potenziell hoch demokratiegefährdend. „Das kann schon sein“, sagte Michael Theurer. „Marktmacht ist immer demokratie- und wettbewerbsgefährdend.“

Falk Borgmann gestand, dass „ich ein Fan davon bin, KI zu regulieren“. Das Problem sei jedoch, „dass das Internet nicht an den Grenzen von Europa aufhört“. Enorm wichtig sei laut Kerstin Wagner, schon in den Schulen deutlich mehr Medienkompetenz zu vermitteln. Rebecca Reisch betonte, dass Mut und Neugier künftig für alle Menschen von großer Bedeutung sein würden. „Es ist eine Reise ins Ungewisse, KI birgt riesige Chancen, sie muss aber zum Guten gestaltet werden“, resümierte Michael Theurer.

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