„Man muss für die Aufgabe brennen“

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Public-Management-Student Nicolas Waitzinger aus Lichtenstein ist mit 23 Jahren der neue Feuerwehrverbandsvorsitzende im Landkreis Reutlingen

Fast wie bei der Fußballnationalmannschaft hatte Nicolas Waitzinger vor gar nicht so langer Zeit ein Anruf ereilt. Nur ging es bei dem 23-Jährigen nicht um Fußball – ob er sich nicht vorstellen könne, den Vorsitz im Kreisfeuerwehrverband zu übernehmen. Wer ihn angerufen hatte? Gunter Hespeler, der bis vor kurzem selbst den Posten 14 Jahre lang innehatte. „Ich musste als Kandidat vorgeschlagen werden“, sagt Waitzinger. Am Montag, 18. März, wurde er von der Delegiertenversammlung der Feuerwehren im Kreis zum neuen Vorsitzenden gewählt.

Gewehrt hatte sich Waitzinger nicht gegen dieses Amt. „Aber es gab ja auch keinen anderen Kandidaten“, erinnert sich der Student an diesen besonderen Moment. Was nun auf ihn zukommt? „Ganz viele repräsentative Aufgaben.“ Bei den Hauptversammlungen der 26 Feuerwehren im Kreis auftauchen, Grußworte sagen, Ehrungen vornehmen. Daneben biete der Kreisfeuerwehrverband Seminare zu aktuellen Themen an oder versuche, über besondere Brände wie in Gammertingen bei dem Reifenhandel möglichst viele Informationen zusammenzutragen, die Einsätze aufzuarbeiten, damit die Wehren daraus lernen können.

„Wir versuchen, die Arbeit der Feuerwehr weiterzubringen“, resümiert Waitzinger, der in der vereinsähnlichen Struktur des Verbands ja nicht ganz allein dasteht. Er zähle auf seine Stellvertreter Rainer Wenke und Markus Ott. „Wir sind die Interessenvertretung gegenüber der Politik.“ Probleme habe es jedoch selten gegeben, wie Gunter Hespeler ihm verraten hatte. Und dennoch. Was der 23-Jährige sich da aufgeladen hat, werde sich künftig herausstellen.

Nicolas Waitzinger ist zusätzlich in der Feuerwehr Lichtenstein aktives Mitglied, obendrein Jugendwart. Dazu Familie, Freunde, das Studium, mit dem er aber im kommenden Jahr fertig sein wird. Er werde dann in der gehobenen Verwaltungslaufbahn einsteigen – in welchem Bereich, das werde sich noch zeigen. Berufliche Pläne des vielbeschäftigten jungen Lichtensteiners? Erfahrungen sammeln. Und vielleicht irgendwann auch mal ein Bürgermeisteramt anstreben. Aber das müsse dann schon auch passen. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Andere Alternativen wären ja auch möglich. Doch die Zukunft werde aufzeigen, wohin es geht.

Eine Frage, die den aktiven Feuerwehrmann jetzt schon beschäftigt: Wie geht es weiter mit den Wehren im Kreis, im Land? „Ich werde mich in meiner Bachelorarbeit mit dem Thema beschäftigen, ob die Feuerwehrarbeit künftig überhaupt noch ehrenamtlich leistbar ist“, sagt Nicolas Waitzinger. Im Moment seien die Wehren im Kreis noch gut aufgestellt. Doch der demografische Wandel nagt an den Strukturen der Freiwilligen Feuerwehren. Auch, wenn 24 der 26 Gruppen im Kreis mit Jugendfeuerwehren momentan ganz gut aufgestellt seien.

Seine künftige Tätigkeit als Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands sieht Waitzinger als Chance, ein großes Netzwerk aufzubauen. Auch wenn er nicht alle rund 4000 Feuerwehrleute im Kreis persönlich kennenlernen wird – der 23-Jährige freut sich auf die Kontakte, auf die Aufgabe, die Interessen des Landkreises auch auf Landesebene zu vertreten. „Mit dieser Tätigkeit kann man über den Tellerrand der eigenen Feuerwehr hinausblicken.“

Ja. Es hatte Bedenken beim Verband gegeben, ob er mit seinen gerade mal 23 Jahren die Interessen aller Feuerwehren im Kreis vertreten könne. Manche hätten gefragt: „Schaffst du das neben deinem Studium?“ Oder auch: „Bleibst du danach überhaupt im Landkreis?“ Seine Antwort: „Ich bin hier verwurzelt, ich will gar nicht weg.“ Aber wer könne schon so genau wissen, was die Zukunft bringt. Einen Masterplan habe er im Übrigen nicht für die Zukunft des Verbands. „Erst mal alles anschauen und dann entscheiden, ob ich was ändern will.“

Eines sei aber jetzt schon klar: „Briefe werde ich nicht versenden.“ Digitalisierung sei natürlich ein Thema, „ich mache alles online“. Grundsätzlich müsse man sich mal ansehen, wie sich das Feuerwehrwesen in den vergangenen 40 Jahren verändert hat. Die Brände – also die eigentlichen Aufgaben der Feuerwehren – seien deutlich zurückgegangen, dafür immer mehr Technische Hilfeleistungen in den Vordergrund gerückt.

Verkehrsunfälle, Katzen von Bäumen retten, Hornissennester entfernen, Ölspuren beseitigen. Eines sei bei all dem Engagement für die Feuerwehr (und damit für alle Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden) ebenso klar wie bei Waitzingers zusätzlichem Einsatz für den Kreisfeuerwehrverband: „Ohne dass man für die Feuerwehr brennt, geht das nicht“. Übungen, Sonderdienste, Fortbildungen, Einsätze, Ausschusssitzungen, Veranstaltungen, Gerätewartung – all das nimmt viel Zeit in Anspruch. Ganz viel Freizeit, die andere Menschen ganz anders verbringen.

INFO:

Einfluss des Vaters?

Nicolas Waitzingers Vater ist vor kurzem erst für sein ehrenamtliches Engagement mit der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet worden. Als Oberstleutnant der Reserve war Wilfred Waitzinger als Oberleutnant der Reserve als Beauftragter der Bundeswehr für die militärisch-zivile Zusammenarbeit mit den Rettungskräften im Kreis Reutlingen zuständig. Das habe Sohn Nicolas Waitzinger sehr wohl beeindruckt, wie der 23-Jährige betonte. „Mein Vater war bei Flutkatastrophen ebenso aktiv, wie bei der Flüchtlingskrise und zuletzt auch bei der Bewältigung der Pandemie im Kreis.“ Obendrein engagiert sich Vater Waitzinger seit mehr als 20 Jahren als ehemaliger Richter an Amts- und Landgericht im Verein „Sozialberatung Stuttgart“, der straffällig gewordenen Menschen ebenso hilft wie ihren Angehörigen. „Mein Vater hat für mich ganz klar eine Vorbildfunktion“, sagte Nicolas Waitzinger. Der 23-Jährige möchte sich übrigens über sein Feuerwehr-Engagement hinaus auch im Lichtensteiner Gemeinderat einbringen – er kandidiert bei der kommenden Kommunalwahl für die CDU-Liste.

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