Immer wieder mitten im Krieg – Markus Brandstetter berichtet über die Einsätze der 3 Musketiere

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Reutlinger Kreiskliniken spenden nach Auflösung der Ermstalklinik rund 15 Tonnen medizinischer Güter an „3 Musketiere“ zur Unterstützung einer Untergrund-Klinik in der Ukraine

Seit dem 28. Februar 2022, also vier Tage nach dem Start des Überfalls Russlands auf die Ukraine, helfen die 3 Musketiere den Menschen in dem geschundenen Land. Markus Brandstetter ist als Kopf der Reutlinger Musketiere selbst an die zwölf Monate in der Ukraine gewesen, um vor Ort zu helfen. Mittendrin. Mitten im Kriegsgebiet, ganz im Osten, in Sumy etwa, nur 40 Kilometer vor der russischen Grenze entfernt.

Rund 6000 Kilometer ist Markus Btandstetter bei seinem letzten Einsatz in der Ukraine gefahren, oftmals durch völlig vermintes Gelände, das mittlerweile die doppelte Fläche von Österreich ausmache. (Foto: 3 Musketiere)

Dort ist nach dreimaligen Raketenangriffen und der völligen Zerstörung eines Krankenhauses eine Untergrund-Klinik entstanden: Im Keller werden lebensnotwendige Operationen und Behandlungen vorgenommen. „Wir haben dazu beigetragen, dass die Klinik den Betrieb aufnehmen konnte“, berichtete Brandstetter vergangenen Freitag bei der offiziellen Übergabe einer Urkunde an die Reutlinger Kreiskliniken – damit bedankte sich der Klinikleiter in Sumy für rund 15 Tonnen medizinischen Materials, von OP-Lampen über OP-Tische, Sterilisierungsbesteck, Rollstühle, Nachttöpfe und noch viel mehr.

Reutlinger Kliniken-Geschäftsführer Dominik Nusser, Landrat Ulrich Fiedler, Markus Brandstetter und Chefarzt Prof. Friedrich Pühringer freuen sich über die Urkunde von der Untergrundklinik aus Sumy.

Alle Materialien stammen aus dem Bestand der aufgelösten Ermstalklinik. „In der Notfallversorgung sind die Sachen von elementarer Bedeutung“, sagte Chefarzt Prof. Friedrich Pühringer am Freitag. „Was passieren kann, wenn Versorgungsstränge zusammenbrechen, das haben wir zum ersten Mal bei der Pandemie erfahren – wobei das natürlich kein Vergleich mit dem Ukraine-Krieg darstellt“, sagte Kliniken-Geschäftsführer Dominik Nusser. „Wir alle haben sehr großen Respekt vor der Arbeit der 3 Musketiere“, betonte Landrat Ulrich Fiedler. „Wir hier sind weit weg von dem Krieg, Sie aber nicht, Sie gehen mitten rein in die Kriegsregionen.“

Markus Brandstetter verdeutlichte bei dem Pressegespräch, wobei es bei den Einsätzen der 3 Musketiere tatsächlich geht: „Wir versuchen, die Menschen an der Frontlinie zu versorgen, denn sie versorgt sonst niemand.“ Mit einem 40 Tonner wurden die medizinischen Güter zunächst nach Lwiw im Westen der Ukraine in ein Zwischenlager gebracht. „Mit dem ukrainischen DHL ging es weiter, die liefern in alle Orte, in denen es knallt“, sagte Brandstetter. Auch diese Zusammenarbeit sei extrem gut und wichtig. Genauso wie die mit einem Schwesternorden und vielen anderen Menschen in der Ukraine.

Der Italiener Mattia, Markus Brandstetter und der Ukrainer Andy sind wesentlicher Bestandteil der Hilfstransporte der 3 Musketiere. (Foto: 3 Musketiere)

Andy ist einer von ihnen. „Er heißt eigentlich Andriy, will aber nicht so genannt werden, weil es den Namen auch im Russischen gibt“, betonte Markus Brandstetter. Andy organisiert mittlerweile alle Hilfsfahrten in der Ukraine, „wir haben ihn jetzt fest angestellt bei uns“. Mattia ist ein weiterer ständiger Begleiter der Transporte – wenn Zeit und Sicherheit vorhanden sind, dann zaubert der Italiener den Kindern in den Kriegsgebieten gerne was vor.

In vielen kleinen und großen Orten helfen die 3 Musketiere, in Kherson etwa einer Kinderklinik. Bei ihren Hilfseinsätzen haben die Helfer aus Reutlingen auch selbst schon Raketenangriffe erlebt, die in 100 Meter Entfernung heruntergingen. „Wenn Kondensstreifen am Himmel auftauchen, heißt das, dass russische Mittelstreckenraketen auf dem Weg sind.“ Andy habe mal sarkastisch gesagt, „da kriegt der Begriff russisches Roulette eine ganz andere Bedeutung“, berichtete Brandstetter. Angst habe der 56jährige Reutlinger Betriebswirt nicht. „Nicht vor dem Tod, aber schon davor, einen Arm oder ein Bein zu verlieren.“

Der Gefahr seien sich die Helfer aber sehr bewusst. So weit es geht, werde Risikomanagement betrieben. Aber wenn eine Drohne es auf den Hilfstransport abgesehen habe, „dann ist eh alles zu spät“. Nicht jede oder jeder sei geeignet, um an solchen Transporten teilzunehmen. Nach einem speziellen Training müssen die Freiwilligen zumindest fähig sein, lebensrettende Maßnahmen einzuleiten – bei einer Verletzung durch Granatsplitter etwa.

Die Freude der Menschen in den ukrainischen Kriegsgebieten über das Auftauchen der 3 Musketiere ist meist größer als über die mitgebrachten Hilfsgüter, berichtete der Reutlinger. (Foto: 3 Musketiere)

Der Krieg in der Ukraine geschehe nach den Worten von Markus Brandstetter „auf vielen Ebenen“. Die Zerstörung der Infrastruktur sei eine. Die Ermordung und Vergewaltigung von Frauen eine andere. Und die Stimmungslage in der Ukraine? Die habe sich verändert. Seien die Ukrainer zu Beginn des Krieges fast euphorisch gewesen, mit einem David-gegen-Goliath-Gefühl, so schwinde die Hoffnung nach und nach. „Es ist aber dennoch unglaublich bewundernswert, wie die Menschen an eine freie, westliche Ukraine glauben“, so der 56-Jährige, der kommenden Samstag wieder in das zerbombte Land fährt. „Den Menschen bedeutet es extrem viel, dass wir kommen – sonst kommt ja keiner.“ Genau daraus ziehe Brandstetter seine Motivation, immer wieder hinzufahren. In den Krieg.

INFO:

Unterstützung für die Menschen in der Ukraine

Wer die Arbeit der 3 Musketiere – und damit die Menschen in den Kriegsgebieten der Ukraine – unterstützen will, kann dies über das Konto der Musketiere tun: IBAN-Nr. DE97 6405 0000 0100 1027 43 bei der Reutlinger Kreissparkasse.

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