Von Falken, Fliegen und fantastischem Ausblick – Turmführung in der Metzinger Martinskirche

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Kirchturmführung mit einer Vielzahl an Informationen, die Maritta von Moser Interessierten unterbreitete – die nun aber auch auf insgesamt zwölf Tafeln im Turm nachzulesen sind

 Der Turm der Metzinger Martinskirche: Insgesamt 57 Meter hoch, der Umgang befindet sich auf einer Höhe von 35 Metern. „128 Stufen führen in Abschnitten dort hinauf“, erläuterte am Samstagnachmittag Maritta von Moser, ihres Zeichens Kennerin der Materie der Martinskirche, dazu auch Vorsitzende des Kirchengemeinderats und des Fördervereins Martinskirche. „Vor zwei Tagen erst hat der Mesner im Turm alle toten Fliegen weggesaugt“, erläuterte von Moser vor der Turmbegehung. „Und jetzt liegen hier schon wieder jede Menge.“

Blick aus der Turmstube auf die Outletcity Metzingen.

Zu dieser besonderen Führung hatte der Freundeskreis der Martinskirche zusammen mit dem Arbeitskreis Stadtgeschichte geladen. Allerdings durften nicht mehr als 20 Menschen auf einmal den Turm hinauf, denn: „Die Zwischenböden bestehen nur aus Brettern, mehr Personen würden sie nicht tragen“, so von Moser. Ein wenig mulmig konnte es einem dann schon werden, bei dem Gedanken an das eigene Gewicht. Doch der Blick sollte ja auf andere Dinge gerichtet sein bei der Turmbegehung. Auf die neuen zwölf Tafeln zum Beispiel, die nun die Wände des Turms zieren. Jede Menge an Informationen sind darauf zu finden. Über die Geschichte des Turms etwa, dessen Bau um 1500 herum begonnen wurde.

„Zunächst kam ein Notdach auf den Turm, dann haben die Metzinger alles Geld zusammengekratzt und alles oberhalb der Glocken baute schließlich Heinrich Schickhardt.“ Der war um 1613 herum so was wie ein Stararchitekt, hatte für die Herzöge von Württemberg einige stattliche Gebäude erstellt. Dann also den Metzinger Kirchturm. „Und das innerhalb von nur vier Monaten“, betonte Maritta von Moser.

„Könnte man den Schickhardt nicht in die heutige Zeit transferieren – der wäre doch gut zu gebrauchen“, sagte eine Besucherin augenzwinkernd. Doch es ging weiter. Eine Tür aus dem Turm hätte einen Blick von oben auf das gotische Gewölbe der Kirche erlaubt. „Das machen wir heute nicht“, so von Moser. Interessant wäre es schon gewesen – schließlich seien die Gewölbe mit einer Vielzahl aus kleinen Tontöpfen geformt worden.

Dafür erneut ein Blick auf die Tafeln, eine von ihnen befasst sich mit den Bewohnern (und Bewohnerinnen) des Turms. Turmfalken etwa, zwei Paare, die jedes Jahr wieder kommen. Genauso Tauben. Und Fledermäuse, die im Sommer stets in dem Turm ihr Quartier aufschlagen. Oder sich eher hängen lassen. Ob denn die unzähligen Fliegen und die Fledermäuse einen Kooperationsvertrag geschlossen hätten? „Nein, leider nicht“, sagte von Moser.

Weitere Informationen gab es über die Turmuhr, die schon seit 1613 dort oben angebracht wurde. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts lief das Uhrwerk rein mechanisch, dann wurde es erneuert, „einmal in der Woche musste sie aufgezogen werden“. In den 1960er Jahren wurde die Uhr elektrifiziert. Und die Glocken nicht zu vergessen. Hosanna heißt die älteste, aus Bronze gegossen und noch original von 1514. Alle vier anderen wurden im 1. und im 2. Weltkrieg eingeschmolzen „und zu Geschützen verarbeitet“. Damit das nicht noch einmal vorkam, sind die vier Glocken nach dem 2. Weltkrieg aus Stahl gegossen worden.

Die Bretter der Decke in den Turmstuben waren einstmals alle bemalt.

Kurz vor den Turmstuben die letzte Treppe sei auch noch etwas Besonderes: Original aus dem Jahr 1613 handle es sich um eine Keilstufentreppe. In den Turmstuben waren einst alle Deckenbretter und Wände bemalt. Heute sind davon nur noch Bruchstücke zu erkennen. „Die Turmstube war nie richtig bewohnt, im 2. Weltkrieg diente sie aber als Luftbeobachtungsposten“, so Maritta von Moser.

Maritta von Weber demonstrierte, dass die Zeichnung an der Wand aus dem Jahr 1613 eine junge Frau mit Kopfhaube darstellte.

Kurz darauf lud die Turmkundige zum Rundgang um den Turm herum ein, in luftiger Höhe. Just in dem Moment begann es zu stürmen, zu regnen und zu graupeln. Wenig angenehm. Der Ausblick war dennoch fantastisch. Egal, ob auf die Weinberge, ins Ermstal hinein oder auf die Outletcity – wenn nicht schon die Höhe einem den Atem geraubt hätte, der Ausblick schaffte es auf jeden Fall. Das Fazit nach dem Wiederabstieg? Ein Besuch lohnt sich. Auf jeden Fall. Spätestens beim Tag des offenen Denkmals wieder.

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