Halb zurück im Leben – Heiner Kondschak kämpft und erzählt im Tonnekeller

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(Auch wenn sich das Aussehen von Heiner Kondschak stark verändert hat – das hier ist er nicht)

Heiner Kondschak im Gespräch mit Enrico Urbanek im Tonne-Keller – Bekanntes und Unbekanntes aus dem Leben des musikalischen, theatralischen und schauspielerischen Tausendsassas aus Uelzen

Heiner Kondschak war fast nicht wiederzuerkennen. Kürzere Haare, längerer Bart, John-Lennon-Brille. „Heiner, wie geht es dir“, fragte Tonne-Intendant Enrico Urbanek an diesem Abend als Moderator der Reihe „Persönlichkeiten“ – die ja eigentlich Kondschak bislang moderierte. Rollentausch? Ja. Und der hatte auch einen Grund: „Soll ich die Langversion erzählen“, fragte Heiner Kondschak. Er berichtete über einen Sturz die Treppe in der eigenen Wohnung hinunter, zwei Tage lag er dort, eine Nachbarin wurde auf das Kratzen der Katze an der Scheibe aufmerksam.

Die Diagnose lautete Schädelhirntraume, gebrochenes Schulterblatt und noch viel mehr. Zehn Tage lag er im Koma, mehr als fünf Monate war er in Kliniken. „Über Rollstuhl und Rollator“ kämpfte sich Kondschak wieder aufwärts. „Seit Mai 2023 war ich auf keiner Bühne mehr.“ Ein wenig Klavierspielen geht jetzt wieder, wie er mit einem Lied von Gundermann bewies. „Aber mit einem halbsteifen Zeigefinger kann ich nicht mehr Gitarre spielen, auch wenn ich es jeden Tag wieder versuche.“ Mittlerweile sei er wieder „halb im Leben“.

Corona sei schon schlimm gewesen, das vergangene Jahr jedoch das übelste seines Lebens. Und dann erzählte er auch daraus. Als er 15 Jahre alt war, ist sein Vater mit nur 45 Jahren gestorben. 1968 war Heiner Kondschak 13 Jahre alt und wünschte sich nichts sehnlicher als ein Instrument. Er bekam eine Mundharmonika, mit 15 kaufte er sich seine erste eigene Gitarre, gebraucht. So wie alle anderen Instrumente, die er spielt, brachte er sich alles selbst bei.

Welche Instrumente er spielen kann, fragte Urbanek? „Ach Gott, ich habe das nie gezählt.“ Und dann zählte er auf: Gitarre, verschiedene Banjos, Klavier, Klarinette, Konzertina, Saxophon, Querflöte, Drehleier, Mandoline und noch viele mehr. Selbst komponiert habe er schon mit seiner ersten Schülerband mit 16 oder 17. „Die Lieder habe ich glücklicherweise nie wiedergefunden.“ Nach dem gerade so bestandenen Abitur mit 17 hatte er eine Maurerlehre begonnen, dann ein Jurastudium, beides abgebrochen. Mit 20 Jahren habe er dann allein Straßenmusik gemacht, mit vielen Instrumenten, Gitarre, Mundharmonika, Flöten, Trommel und Becken auf dem Rücken – „und was machen Sie mit den Ohren“, habe ihn jemand gefragt.

Seinen Humor hat Heiner Kondschak offensichtlich mit dem gravierenden Unfall im vergangenen Jahr nicht verloren. Als junger Mensch habe er jedoch oft gedacht, er passe nicht in diese Welt. In einem Circus gab er drei Jahre lang den Circus-Musiker. Mit 26 Jahren wurde er in Osnabrück als Schauspieler engagiert, „dann habe ich mich verliebt“. Zwei Kinder kamen zur Welt, Johannes und Merle. Beide leben heute in München. Kondschak bekam eine Stelle als musikalischer Leiter am Jungen Theater in Göttingen. Von dort aus ging es ans Kinder- und Jugendtheater Tübingen. „Die bezahlten besser.“

Ein Kind mit einer anderen Frau hatte er auch noch – „Mensch, ich bin aber ehrlich heute“, wunderte sich der musikalische, theatralische, schauspielerische, komponierende, Stücke-verfassende, Regie-führende Ausnahmemensch augenzwinkernd. In Hirrlingen hatte die Familie Kondschak gewohnt, ein Paradies für Kinder, „aber sonst ein seltsames Dorf“. So eins wie die Stadt Uelzen, „muss man nicht kennen“.

Unzählige Theaterstücke hat Kondschak selbst geschrieben, viele für Kinder wie etwa „Das Schätzchen der Piratin“. Um die 38mal sei das nachinszeniert worden, in Italien, Skandinavien und sogar in Paris gespielt worden. Erwachsenenstücke drehten sich etwa um die Musik und die Leben von Pete Seger, Bob Dylan, Woody Guthrie und viele mehr. „Pete Seger hat mich sehr fasziniert, die Welt bekriegte sich und er erzählte das Gegenteil vom Händeschütteln.“

    Klavier geht schon wieder, Gitarre aber noch nicht.

Ob Kondschak irgendwas verpasst habe in seinem Leben? „Bis auf das vergangene Jahr hatte ich es sehr gut.“ Er habe all die Jahre als aktiver Theatermensch immer eine Sieben-Tagewoche gehabt, „aber ich war sehr glücklich damit“. Auch seine Kinder hätten ihn glücklich gemacht. Gerhard Gundermann hätte er gerne mal live gesehen, sagt Kondschak nach kurzem Überlegen. 22 Jahre lang spielte Heiner Kondschak mit der Randgruppencombo Gundermanns Lieder nach. „Ich habe eigentlich nichts verpasst“, resümierte der Tausendsassa. „Habe aber auch fast nichts ausgelassen“, fügte er etwas leiser hinzu. Zum Abschluss spielte Kondschak „Meine Söhne gebe ich nicht“ von Reinhard Mey. Heiner Kondschaks Weg zurück ins Leben und zurück auf die Bühne wird wohl noch eine Weile dauern. Doch er wird nicht aufgeben. Sicher nicht. Das hofft auch das Publikum, das am Samstagabend im Tonnekeller heftig Beifall spendete.

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