Teurer und trotzdem wirtschaftlich – Mit Seilkraneinsatz im Reutlinger Wald

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Seilkraneinsatz im Reutlinger Stadtwald als Pilotprojekt getestet – Weniger Schäden für die Waldböden

 Die Seilkrantechnik stammt aus gebirgigen Regionen, um Bäume in sehr steilem Gelände zu holen. Aber: Jana Schumacher hat als Trainee, also quasi in ihrer Referendariatszeit im Forst, diese Technik in den Reutlinger Stadtwald geholt. Um genau zu sein – in das Waldgebiet am Hannickelhäusle zwischen Reutlingen, Ohmenhausen und dem Hofgut Alteburg, gleich beim Holzlagerplatz der Stadt.

Die Begeisterung über die unglaubliche Technik dort im Wald war groß am Donnerstag dieser Woche – so auch bei Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck sowie Franz-Josef Risse, dem Kreisforstamtsleiter. Letzterer hatte gegenüber unserer Zeitung hervorgehoben, dass der Einsatz dieser Technik auch eine Reaktion auf den Klimawandel sei: „Früher gab es im Winter Dauerfrost, da konnte man mit den normalen Maschinen in den Wald, ohne größere Schäden anzurichten“, so Risse.

Am Donnerstag hingegen war es „ein normaler Wintertag, mit 7 Grad plus und Sonnenschein“, wie der Landrat feststellte. Bei solchem Wetter sei es fast unmöglich, mit großem Gerät in den Wald zu fahren, „Die Maschinen würden die Bodenstrukturen zerstören, längerfristig auch einsinken und aufsitzen“, so der Kreisforstamtsleiter. Auch mit Rückepferden könne man im Forst am Hannickelhäusle nicht agieren, „dazu sind die Bäume zu groß“.

Nun also die Seilkrantechnik. Aus Isny im Allgäu ist das Unternehmen Albrecht mit insgesamt fünf Mitarbeitern angereist, um 500 Festmeter aus dem Wald herauszuholen. „Das sind genau 390 Bäume“, so Franz-Josef Risse. Jana Schumacher hatte vorab jeden einzelnen Baum gekennzeichnet, das Unternehmen von Remig Albrecht hat mit seinen Mannen und den großen Maschinen die Bäume zunächst gefällt, dann mit Seilen angebunden und mit einem „Gebirgsharvester“ über eine Art motorisierten Seilzug zum Weg transportiert. Dort entfernte die 38 Tonnen schwere Maschine Äste und Rinde, zersägte jeden Stamm passgenau auf fünf Meter Länge und legte alles abfuhrbereit ab. Und das alles innerhalb von wenigen Minuten.

Alle, die zu dem Pressetermin geladen waren, zeigten sich tief beeindruckt von der Schnelligkeit, der Effektivität und auch der letztendlichen Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens. Zwar koste der Einschlag mit solch einem Gebirgsharvester mit 50 Euro pro Festmeter 20 Euro mehr als mit den herkömmlichen Maschinen. Aber: Die eingesparten Kosten bei der Wegeunterhaltung würden laut Risse und auch laut Remig Albrecht das mehr als wettmachen. „Außerdem müssen keine Rückegassen repariert werden“, so Risse.

Allerdings kostet solch ein Gebirgsharvester mit einer mobilen Seilkrananlage und Kranprozessor neu rund 800 000 Euro. „Wir haben ihn gebraucht gekauft“, verriet Albrecht. Das Unternehmen aus Isny war nur aufgrund von Beziehungen nach Reutlingen gekommen. „Es gibt nur sehr wenige solche Unternehmen, die diese Technik anbieten“, betonte Remig Albrecht. Unterstrichen hatte das auch Franz-Josef Risse: „Es gibt viel zu wenige solche Firmen.“ Dementsprechend ausgebucht seien die Allgäuer, hinzu komme der Fachkräftemangel.

Menschen, die solch komplexe und spezielle Maschinen wie auch den gelben Gebirgsharvester Mounty 4000 mit seinen extremsten Steilneigungen bedienen können, seien rar und kaum zu finden. Dass Remig Albrecht künftig jedes Jahr nach Reutlingen kommen könnte, sei also eher unwahrscheinlich, wie der Forstunternehmer bedachte. „Das ist halt immer auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit.“

Ulrich Fiedler zeigte sich in seinen Ausführungen besonders beeindruckt davon, dass 850 Millionen Tonnen Kohlendioxid in deutschem Waldboden gespeichert seien. „Noch viel mehr staunte ich darüber, dass in einer Handvoll Waldboden mehrere Milliarden Lebewesen zu finden sind“, so der Landrat. In einigen Böden im Kreis Reutlingen seien die Böden sehr tonhaltig „und deshalb besonders befahrungsempfindlich“, sagte Fiedler.

Mit dem Seilkranverfahren könnten massive Schäden an den Waldböden durch schwere Rückemaschinen vermieden werden. „Wir begeben uns mit diesem Test von Jana Schumacher in eine Vorreiterrolle in ganz Baden-Württemberg“, so Fiedler. Viel mehr konnte OB Keck den Ausführungen des Landrats nicht hinzufügen, außer vielleicht noch staunenden Bemerkungen über das „Ballett“ des Harvesters Mounty.

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