Paartherapie mit dem goldenen Reiter

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Neulich bei einem Abendspaziergang. Es begann schon zu dämmern. Wir waren begeistert

von dem himmlischen Farbenspiel und liefen dem Sonnenuntergang entgegen.

„Schau mal“, sagte Bine. „Das sieht aus wie der Bodensee.“

Ignorant wie ich war, machte ich ein paar Wellen und sagte: „Pfff, Bodensee – die kleine Pfütze hier? Niemals.“

„Ich meinte doch den Umriss“, sagte Bine etwas verschnupft.

Kaum hatten wir unseren Lieblingsturm im Abendlich passiert, sagte Bine:

„Schau nur, der Hohenzollern, scheinbar so nah.“ Ich entgegnete: „Könnte von der Silhouette her auch fast Schloss Neuschwanstein sein.“

„Hahaha, Neuschwanstein, dass ich nicht lache“, lachte Bine. Okay, das war die Retourkutsche,

Bine lief weiter dem güldenen Reutlingen entgegen, ich blieb ein Stück beleidigt zurück.

Währenddessen überholte mich gemäßigten Schrittes ein Ross und sein Reiter. „n’Abend“, brummte ich.

„Hey“, rief Bine plötzlich. „Komm schnell – das ist der goldene Reiter, der berühmte Psychotherapeut.“

„Er hat gesagt, bei uns wäre es wohl Zeit für eine Paartherapie.“ Ich hatte Bine

erreicht, war aber noch ein klein wenig eingeschnappt, wegen Retour und Kutsche und so. Bine redete auf mich ein.

„Ihr müsst euch konfrontieren“, rief der psychologisierende Reiter uns zu.

„So“, fragte ich und trat Bine ans Schatten-Bein.

„Ja“, rief der reitende Psychotherapeut. „Begebt euch in den Kampf.“

Bine nahm sogleich Boxhaltung ein, „Ah, Schattenboxen“, sagte ich.

„Aber sollen wir uns nicht doch lieber die Hände reichen“, fragte ich zweifelnd.

„Nein – konfrontieren“, schrie der Reiter mittlerweile aus ziemlicher Entfernung.

Also gut. „Komm“, sagte ich zu Bine. „Schlag zu.“

Bine schlug, ich hielt ihre Faust fest.

„Gut so, weiter“, schrie der Therapeut.

„Und jetzt“, fragte Bine.

„Jetzt brat euch der Biber“, brüllte der schon sehr weit entfernte Reiter.

„Wahrscheinlich meinte er: Jetzt vertragt euch wieder“, sagte ich und reichte Bine erneut meine Hand.

„Komm wir gehen“, sagte ich dann, drehte mich aber erneut zu Bine um,

ich sah ihr auf den Scheitel und

dann ins Gesicht. Bei untergehender Sonne. Ich war überwältigt. „Du bist so schön, mein Herz“, sagte ich.

„Ach, komm“, sagte Bine, etwas verschämt, aber auch erfreut. „Es wird Zeit – die Raben sind schon in Schlafstellung in den Bäumen,

der Milchwagen hat sein Tageswerk vollbracht und

der Himmel sendet uns letzte farblich-fantastische Grüße, gehen wir nach Hause.“ Arm in Arm strebten wir unserem trauten Heim entgegen. Pah – Paartherapie, dachte ich.

„Der war doch so hoch auf der Leiter, der goldene Reiter, oder“, fragte ich Bine. „Egal“, sagte sie und schmiegte sich noch ein wenig mehr an mich heran. Was für ein Glück, dass wir uns haben.

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