„Zeit, sich wieder zu zeigen“

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Linke, Grüne und SPD wollen bis zur heißen Phase der Kommunalwahlen immer abwechselnd samstags auf dem Reutlinger Marktplatz Präsenz zeigen

„Die demokratischen Parteien rücken enger zusammen“, sagte Rüdiger Weckmann am Samstagmorgen auf dem Reutlinger Marktplatz. Die Linke, SPD und die Grünen wollen in den kommenden Wochen mitten in der Stadt „Präsenz zeigen“, wie auch Mert Akkeceli (SPD) und Andres Lächele (Grüne) zustimmten. Die Idee zu diesem linken Bündnis der Gemeinderatsfraktionen stamme von Ana Sauter (Grüne), die dieser Initiative im vergangenen Dezember angeregt hatte.

„Wir haben dabei die Parteipolitik ein bisschen hintenangestellt“, sagte Lächele, der am 1. August vergangenen Jahres für die Grünen in den Gemeinderat nachgerückt ist. „Die Demokratie ist ein enorm wichtiges Gut, das macht sich auch in der Lokalpolitik bemerkbar.“ Weckmann stimmte am Samstagmorgen sofort zu: „Auch im Gemeinderat ist die Stimmung und die Politik weiter nach rechts gerückt – was man zum Beispiel beim Thema öffentlich geförderter Wohnraum merkt.“

Dass die AfD stets versuche, die Stimmung noch weiter nach rechts zu drücken, habe Hansjörg Schrade in der letzten Gemeinderatssitzung eindrücklich demonstriert. Der AfD-Mann hatte zur Wohnungsmisere in der Stadt gesagt, „der große Elefant im Raum heißt Zuwanderung“. Schuld seien also ausschließlich Geflüchtete. Solche Bemerkungen von Schrade seien laut Weckmann keine Ausnahme, sondern eher die Regel: „Er kommt immer wieder mit der Hetze gegen Flüchtlinge daher, egal, bei welchen Themen“, so der Linken-Politiker.

Mert Akkeceli betonte: „Mich hat am Freitag die Demo auf dem Marktplatz tief bewegt, als die schweigende Mehrheit aufgestanden ist.“ Gerade er als junger Mann mit Migrationshintergrund – „meine Großeltern sind vor einigen Jahrzehnten eingewandert“ – merke noch deutlicher als andere, dass die Stimmung in der Bevölkerung sich nach und nach immer weiter nach rechts verschoben habe. Akkeceli ist selbst Mitglied im Integrationsrat, er betonte, dass Hansjörg Schrade ja auch als Gemeinderatsmitglied Kraft Amtes in dem Gremium vertreten sei. Aber: „Er ist fast nie da, spricht nicht mit den Leuten, sondern über sie und verbreitet seinen Schwachsinn ständig auf Telegram – das verletzt mich zutiefst.“ Inhalte seien Schrade und der AfD völlig egal, „die Partei will das Land destabilisieren“, so Akkeceli.

Die Hoffnung des SPD-Spitzenkandidaten für die Kommunalwahl richte sich darauf, dass mehr Menschen wählen gehen. Und vor allem auch, dass sich junge Reutlingerinnen und Reutlinger an der Wahl beteiligen. Eine Auswirkung der Correctiv-Veröffentlichung des geheimen Treffens von Rechtsaußen in Potsdam und den Plänen der „Remigration“ seien die Demonstrationen in ganz Deutschland in großen und kleinen Städten mit Hunderttausenden Teilnehmern. „Aber diese Demonstrationen kann es nicht jede Woche geben“, sagte Rüdiger Weckmann.

Eine weitere Auswirkung dieser „Remigrations-Pläne der Rechten“, die  als vielzitierter „Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hat“: Bei den Parteien des linken Spektrums seien deutlich mehr Parteieintritte verzeichnet worden. Aber das reiche nicht aus. „Wir wollen künftig jeden Samstag zwischen 9 und 14 Uhr hier vor Ort sein“, waren sich alle drei Lokalpolitiker einig. Es gehe darum, Präsenz zu zeigen. Aber auch „ein offenes Ohr gegenüber den Nöten und Sorgen der Menschen zu haben“. Eine Bürgerin, die am Samstagmorgen vor dem Linke-Fahrrad stehengeblieben war, sagte: „Ich finde das so toll, dass Ihr Euch zusammentut, das ist aber auch bitter notwendig, um die Gefahr von rechts zu bannen.“

Grundsätzlich waren die Reaktionen am Rande des Wochenmarktes laut Weckmann am Samstag durchweg positiv: „Es gab keine Pöbeleien, wir haben ein paar Leute angesprochen, die für die Linken bei der Kommunalwahl kandidieren könnten.“ Gespräche kamen auch mit den Bauern vom Stand gegenüber zustande. Dort protestierten nämlich die Landwirte, allerdings ohne Traktor.

„Wir haben in den fast fünf Stunden ein großes Interesse an der politischen Lage im Moment erlebt“, so Weckmann. Danach hatte Rüdiger Weckmann seine Eindrücke auf Facebook gepostet, die Reaktionen darauf: „Viele haben geschrieben, es wird Zeit, dass ihr euch wieder zeigt“, sagte der Linken-Kommunalpolitiker.

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