Viel Grund zum Feiern für Reutlinger Lebenshilfe und Kaffeehäusle

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Als Elterninitiative gestartet feiert die Reutlinger Lebenshilfe dieses Jahr das 60jährige Jubiläum – Kaffeehäusle wird 40

 Für Teilhabe statt Ausgrenzung. Dafür stand die Lebenshilfe in Reutlingen schon vor 60 Jahren, als sie 1964 gegründet wurde. Entstanden ist sie aus einer Elterninitiative des Kindergartens Wasenstraße heraus. „Die 1950er und 60er Jahre waren ja noch geprägt durch die NS-Ideologie und die Vorstellung von unwertem Leben“, erinnerte Dr. Hermann Frank beim Pressegespräch zum Jubiläum der Lebenshilfe.

Frank hatte sich schon in den 80er Jahren (damals noch hauptamtlich bei der Gustav-Werner-Stiftung) in die Kooperation von Lebenshilfe und der späteren Bruderhaus-Diakonie eingebracht.

Der Kampf gegen Vorurteile und Ängste war laut Frank hart, damals, in der Nachkriegszeit. „Von der Sichtweise der NS-Diktatur wegzukommen und sich Gehör zu verschaffen für die Belange von behinderten Menschen, war hart und hat viel Energie gebraucht.“ Doch es hat funktioniert – und in den 1980er Jahren entstand laut Astrid Böhm als Vorstandsmitglied der Lebenshilfe BAFF (Bildung, Aktionen, Freizeit, Feste). Damit wurden Freizeitaktivitäten von behinderten Menschen in den Blick genommen, Kooperationen mit der Reutlinger VHS entstanden. Hermann Frank erinnert sich etwa an einen Alphabetisierungskurs. „Und es gibt bis heute ein gemeinsames Programm.“

Ein weiterer wesentlicher Baustein der Lebenshilfe sind die „Familienunterstützenden Dienste“ (Feder), die 1989 entstanden. Und natürlich – nicht zu vergessen – das Kaffeehäusle, das nach einer Idee von Rose Henes von der Lebenshilfe aufgegriffen und auch bis heute als Träger betrieben wird. „Das Kaffeehäusle ist unser Schaufenster und immer noch ein ganz besonderer Ort“, betonte Stefanie Krug als Nachfolgerin von Henes im Amt der Leiterin der Offenen Hilfen (BAFF und Feder). „Inklusion ist in diesem ganz besonderen Café gelebte Alltäglichkeit.“

Drei Hauptamtliche arbeiten dort und sieben Menschen mit Beeinträchtigungen. Aber: „Wir sind hier alles Kollegen“, betonte Irene Gattiker als hauswirtschaftliche Leiterin im Kaffeehäusle. Harald Beck ist einer der Mitarbeiter mit Down-Syndrom – und das schon seit 19 Jahren. „Ich wollte damals Kontakt zu anderen Menschen und habe einfach mal beim Kaffeehäusle angerufen“, berichtete Beck. Er hat ein Praktikum gemacht und dann eine feste Arbeitsstelle bekommen. Und er schreibt mit dem PC jede Woche die Speisekarte, setzt sie auf die Homepage.

1996 wurde angebaut an das Café, „man sieht das noch am Parkett, wo das Haus früher aufhörte“. Seitdem ist das Kaffeehäusle unverändert – bis auf die Außenbewirtschaftung, die noch dazu kam. Beliebt ist das Café laut Irene Gattiker bei allen: „Handwerker kommen genauso hierher wie Spaziergänger aus der Pomologie oder Beschäftigte bei der IHK.“

Eine große Vielzahl an Ehrenamtlichen bringt sich in die annähernd 100 Kurse, Aktivitäten und Veranstaltungen von BAFF ein. Feder unterstützt Familien mit behinderten Kindern, 2021 waren das fast 600 Pflegeberatungen, mit einem Umfang von mehr als 8600 Betreuungsstunden von 121 zu Betreuenden. Und im Kaffeehäusle helfen vor allem an Wochenenden und abends ebenfalls Ehrenamtliche. Insgesamt bringen sich mehr als 200 Freiwillige aktiv in alle drei Bereiche ein.

Doch auch die Menschen, die sich in und für die Lebenshilfe engagieren, werden älter. „Deshalb ist der Generationenwechsel besonders wichtig“, sagte Krug. Ines May steht für die neue Generation, sie ist im Beirat der Lebenshilfe aktiv, und auch Leiterin der Jungen Lebenshilfe (JuLe). Sie steht für einen wichtigen Treff für Familien mit Down-Syndrom-Kindern. Mehr als 40 Familien gehören diesem Kreis an, sie treffen sich an Wochenenden mit der gesamten Familie, haben einen Stammtisch ohne Kinder – „dort ergeben sich nochmal ganz andere Gespräche“, so May.

Der Austausch und das Weitergeben von Informationen sei extrem wichtig für die Eltern, „hier erfahren sie Sachen, die ihnen kein Kinderarzt sagt“. Schon während der Schwangerschaft kann der Kontakt zu anderen Familien mit Down-Syndrom-Kindern extrem helfen – und auch Rückhalt geben. „Wir machen Mut, wir sagen, wie das Leben mit einem behinderten Kind sein kann, bei uns können die Eltern durchschnaufen“, sagte Ines May.

Also alles gut und toll? Ja und Nein. Eine Vielzahl an Festen, Konzerten, Ausstellungen wird die Jubiläen von Lebenshilfe und Kaffeehäusle 2024 begleiten. Aber: „Die offenen Hilfen sind nicht auskömmlich finanziert, sie sind sogenannte Freiwilligkeitsleistungen“, betonte Krug. „Deshalb sind wir in hohem Maß auf Spenden und unentgeltliche Mitarbeit angewiesen.“

INFO:

Spenden zur Unterstützung der Arbeit der Lebenshilfe

„Wir würden uns natürlich total über Geburtstagsspenden freuen“, sagt Astrid Böhm aus dem Vorstand der Lebenshilfe. Denn: Der Verein der Lebenshilfe ist dringend auf Spenden angewiesen, um die Arbeit all der Bereiche finanzieren können. Die Konto-Nr. lautet: IBAN: DE07 6405 0000 0100 1359 85 bei der Kreissparkasse Reutlingen.

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