Über ökonomische Zwänge in der Sozialen Arbeit

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Landtagsabgeordnete zu Gast beim 7. Semester des Studiengangs Soziale Arbeit – Fortbestand des Studiengangs in Reutlingen gesichert

Der Unterschied zwischen einem Terrier und einem Sozialarbeiter? „Ein Terrier lässt irgendwann los“, betonte Prof. Maria Knab am vergangenen Donnerstag in einer Vorlesung des 7. Semesters zum Bachelor Soziale Arbeit in den Räumen des Hohbuchzentrums. Sinnbildlich verwies die Leiterin des Studiengangs Soziale Arbeit am Reutlinger Campus damit auch auf die Ausdauer des Grünen-Landtagsabgeordneten Thomas Poreski – „ohne ihn würde es den Studiengang hier gar nicht geben“, so Knab.

Poreski hatte wie Dr. Dorothea Kliche-Behnke (SPD), Rudi Fischer (FDP) und Jessica Tatti (Bündnis Sahra Wagenknecht, BSD) zu der Teilnahme eines Podiums unter dem Titel „Volkswirtschaftliche Aspekte der Sozialen Arbeit“ zugesagt – allein Tatti war nicht gekommen. Rainer Buck hatte als Dozent und Seminarleiter mit seiner Kollegin Sabrina Weber zu der Podiumsdiskussion eingeladen. Es sollte um das „Spannungsverhältnis zwischen ökonomischen Zwängen und der Sozialarbeit“ gehen.

Das betreffe auch die Politik und deren Umgang mit Wohnungslosen – so lautete nämlich die erste Frage an die Politikerin und Politiker. Fischer sagte dazu: „Wohnungslosigkeit zu bekämpfen ist eine Aufgabe der Kommunen, das Land darf aber nicht aus der Verantwortung entlassen werden.“ Vor allem der Soziale Wohnungsbau müsse vorangetrieben werden, so der FDP-Politiker.

„In Reutlingen sind die Strukturen mit der AWO gut“, befand Thomas Poreski. Allerdings hapert es auch da mit der auskömmlichen Finanzierung, immer mehr Anteile der Arbeit müssen auf Nachfrage bei AWO-Geschäftsführer Uli Högel aus Spenden finanziert werden. „Aber die Spenden reichen nicht, wir machen da ein Defizit, die Lücke wird immer größer.“

Kliche-Behnke hob hervor, dass immer mehr Frauen und auch junge Erwachsene in die Wohnungslosigkeit abrutschen. Beim Sozialen Wohnungsbau gebe es „extremen Nachholbedarf“, so die Tübingerin. Es brauche verbindliche Quoten, damit beim Wohnungsbau tatsächlich mehr geförderte Sozialwohnungen entstehen. Um solche Projekte nicht – wie in Wannweil vor ein paar Jahren – durch Bürgerprotest scheitern zu sehen, sei laut Poreski „mehr Vernetzung und mehr Kommunikation sowie Beteiligungsformate durch die Bürger“ vonnöten. Wenn die Anwohner von sozialen Bauprojekten einbezogen würden, könnten vielfach positive Meinungsänderungen erreicht werden.

Thema Gleichstellung, Dorothea Kliche-Behnke betonte: „Die Finanzierung von Frauenhäusern ist miserabel, der Kampf gegen Gewalt an Frauen muss deutlich verstärkt werden.“ Beim Thema häusliche Gewalt gebe es im Land viel zu wenige Beratungsstellen, ähnlich wie bei Schwangerschaftsabbrüchen – südlich von Tübingen gebe es fast keine Beratungsstellen. „Und die Zahl der Ärztinnen und Ärzte die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sinkt rapide“, so die SPD-Politikerin.

Zum Thema Quote in Führungspositionen sagte Fischer: „Was bringt eine gesetzliche Vorschrift, wenn das Thema in der Gesellschaft nicht angekommen ist.“ Er selbst wisse nicht so genau, ob eine Quote sinnvoll sei, „ich sehe da keinen großartigen Vorteil“. Die Quote sei ein Instrument, dass sich liberale und konservative Politiker eher schwer damit tun, sehe Kliche-Behnke ein. „Es geht dabei auch darum, ob das Ziel von mehr Frauen in Führungspositionen überhaupt gewollt ist.“

Ob denn Sozialarbeit einer marktwirtschaftlichen Logik unterworfen werden müsste, war eine weitere Frage an das Podium. Ein eindeutiges „Ja“ gab es von Rudi Fischer. „Irgendwer muss die Sozialarbeit ja schließlich bezahlen.“ Er führte ein Beispiel an: Das Land habe 2012 rund 15 Millionen Euro zur Schulsozialarbeit zugeschossen, 2023 seien es 39 Millionen gewesen, dieses Jahr würden es wohl 43 Millionen Euro werden. „Wie soll das finanziert werden“, so Fischer. Thomas Poreski dazu: „Wenn Schulsozialarbeit so viel kostet, dann ist das halt so.“

Schlussendlich stand die Frage im Raum des Hohbuchzentrums (in das der Studiengang Soziale Arbeit durch eine Kooperationsvereinbarung kam): Wie geht es weiter mit dem Campus Reutlingen der Evangelischen Hochschule? Poreski konnte dazu frohe Kunde aus der Regierungskoalition in Stuttgart verkünden: „Der Studiengang am Standort Reutlingen wird weitergehen – und das sogar mit mehr Studienplätzen als bisher.“

35 anstatt 60 Plätzen könnten künftig jährlich vergeben werden. Eine enorm positive Nachricht für den Studiengang wie auch für die Stadt Reutlingen, mit ihren zahlreichen sozialen Einrichtungen und Institutionen. Maria Knab sagte abschließend zu dieser „Vorlesung“ im 7. Semester: „Wir brauchen diese politische Dimension und Auseinandersetzung mehr denn je.“ Rechte Gruppen würden nämlich „für alles stehen, was soziale Arbeit bedroht“. Auch deshalb sei es enorm wichtig, an der Demonstration am Freitagabend auf dem Reutlinger Marktplatz teilzunehmen, forderte Knab.

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