„Aus Solidarität hungern, bringt nichts“ – Sternekoch Vincent Klink in der Reutlinger Vesperkirche

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Sternekoch Vincent Klink plauderte in der Reutlinger Vesperkirche mit Journalist und Kulturwissenschaftler Dr. Wolfgang Alber   

Die Zahlen, die Vesperkirchenpfarrer Jörg Mutschler und Dr. Wolfgang Alber am Donnerstagabend dem Publikum präsentierten, mussten erschrecken: 735 Millionen Menschen hungern weltweit. 93 Prozent dieser unglaublichen Menge an Hungernden leben in Asien und Afrika. Dabei gebe es laut Mutschler ein Menschenrecht auf Essen. Was gegen den Hunger in der Welt unternommen werden könne, fragte Alber als Moderator des Abends in der Vesperkirche den Stargast und Sternekoch Vincent Klink vor mehr als 100 Interessierten in der Vesperkirche.

„Wir müssen das Maul aufmachen“, sagte Klink. Aber – den Hunger zu bekämpfen ist vor allem ein politisches Problem“, antwortete der 74jährige Stuttgarter. Persönlich könne „man bei sich selbst anfangen, wenn es nicht zum Braten reicht, kann man auch gut Blumenkohl essen“. Seine vorrangige Forderung: In der Grundschule müsste ein Fach „Gesunde Ernährung“ eingeführt werden. Als deprimierend bezeichnete Klink die Tatsache, dass die Schlange vor der Stuttgarter Tafel jeden Tag immer länger werde – und damit offensichtlich werde, dass auch in hiesigen Gefilden immer mehr Menschen arm sind.

Zu den momentanen Bauernprotesten sagte der Sternekoch und Jazz-Musiker, Verleger und Gastronom: „Der Zorn der Landwirte ist berechtigt.“ Allerdings auch nicht von allen Bauern – die reicheren mit ganz viel Fläche würden Millionen Euro an Subventionen erhalten. „Und die kleinen Höfe sterben“, so Alber.

Es gelte zu trennen zwischen Agrarindustrie und Bauern, forderte Klink. Zumal, so Wolfgang Alber, Scheinheiligkeit auch unter den Verbrauchern verbreitet sei: Während in den 1950er Jahren rund 44 Prozent des Durchschnitteinkommens für Lebensmittel verwendet wurden, seien es heute nur noch 15 Prozent.

Der eigentliche Hauptgegner von Vincent Klink sei laut Alber jedoch die Lebensmittelindustrie. „Das Hauptproblem ist der Zucker, der in jeder Salatsauce drinsteckt und fast die Hälfte im Ketchup ist Zucker“, so Klink, der sich zusammen mit Alber von dem eigentlichen Thema des „Essen als Menschenrecht“ aber immer noch weiter entfernte.

Im Laufe des Abends spielte nicht nur eine Band um Wolf-Dieter Rahn Jazzstücke rund ums Essen, die beiden Talk-Partner Alber und Klink unterhielten sich fürderhin auch um Kochsendungen, um die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln oder um die Frage, wie lange man Lebensmittel noch verwenden kann: „Eine drei Wochen alte Wurst 20 Minuten kochen – da kann nichts passieren“, so Klink.

Der Stuttgarter Gastronom lobte zum einen die einfache Küche mit Brot- oder Kartoffelsuppe, Pfitzauf oder Hefezopf, verteufelte gleichzeitig die Fertigprodukte – die sich in riesigen Mengen an gelben Säcken in den ärmeren Wohngegenden der Landeshauptstadt niederschlagen würden. Natürlich solle man mehr auf Fleisch verzichten, einmal die Woche ein Schnitzel, Braten oder ein Wurstbrot reiche völlig aus. „Man sollte mehr auf seinen eigenen Körper hören“, verlangte Klink.

„Auch mal einen Hamburger essen – warum nicht.“ Wichtig sei Abwechslung. Aber rein vegan sei auch nichts, denn: „Die halbe vegane Küche besteht aus Ersatzprodukten, wir leben eh in einer Ersatzwelt.“ Fischfilet ohne Fisch, „wer so was braucht, sollte in Therapie gehen“, sagte der 74-Jährige.

Zum Thema zurück kamen Wolfgang Alber und Vincent Klink erst gegen Ende das Gesprächs: „Du lebst von Gourmets in Zeiten, in denen andere Hunger leiden – ist das nicht eine Provokation“, fragte der Kulturwissenschaftler. Wenn alle hungern würden, wäre das vielleicht solidarisch, so Klink. Das funktioniere aber nicht. Bei ihm in seinem Restaurant „Wielandshöhe“ in Stuttgart-Degerloch gehe es um gutes Essen, aber auch sehr viel um die Begegnung, um soziale Kommunikation. „Ich muss gutes Essen liefern, aber auch für gute Stimmung sorgen.“

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