Persönlicher Jahresrückblick 2023

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Noch ein Jahresrückblick 2023? Gibt es nicht schon mehr als genug davon? Und: Will ich überhaupt nochmal zurückblicken auf dieses Jahr? Mit all den Katastrophen, Krisen, Kriegen, Klimawandel. Ein Jahr zum Abhaken. Also mache ich lieber meine eigene, persönliche Jahresrevue. Was gab es denn für mich beruflich für Herausforderungen, Highlights, Lowlights? Und auch privat. Was war denn dieses Jahr? Begonnen hat es, wenig verwunderlich, im Januar.

Doch schon seit dem Dezember zuvor war ich in der Metzinger Redaktion. Ich sprang für einen Freund ein. Doch schon nach einem Tag überfiel mich die Erkenntnis, dass diese Tätigkeit nichts für mich ist. Acht Stunden Zeit absitzen, mehr oder weniger verzweifelt nach Themen, Terminen, Telefonpartnern suchen. Auch der Umstieg auf Homeoffice half nichts. Die ständige Hatz nach Themen, die die Zeitung füllen könnten, war nicht nur nervig, sondern auch anstrengend, stressig und richtig zermürbend. Trotzdem habe ich immerhin bis Mitte April durchgehalten, dann aber beschlossen, dass meine bisherige Tätigkeit als Freier Mitarbeiter mir doch deutlich besser liegt: Termine annehmen, Termine erledigen, Texte schreiben, zusammen mit Fotos an die Redaktionen schicken, fertig. Nächster Termin … Ich habe also die vergangenen 26 Jahre alles richtig gemacht. Diese Erkenntnis war doch eine durchaus erfreuliche in diesem Jahr.

Welche Termine gehörten aber zu den Highlights? Wie jedes Jahr begann auch 2023 für mich mit der Reutlinger Vesperkirche. Allerdings wie jedes Jahr wieder mit der Erkenntnis – all die mehr als 300 armen Menschen, die dort täglich zum Essen kommen, dürften nicht arm sein. Und trotzdem nimmt die Zahl der Armen jedes Jahr weiter zu. Auch in Reutlingen. Eine Katastrophe.

Ebenfalls im Januar startete wieder die Serie von Neujahrsempfängen. Freie Wähler, IHK, Alternativer Neujahrsempfang und auch noch die FDP mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Was für eine Freude. Wer gehofft hatte, dass sich nach Andi Scheuer (CSU) was ändern würde in dem Ministerium, sah sich getäuscht. Mit dem FDP-Mann Wissing änderte sich überhaupt nichts in Richtung Klimaschutz, Tempolimit, weniger Autoverkehr, mehr ÖPNV und  mehr Vernunft. Es blieb alles beim Alten. Das Auto ist immer noch das Heiligs Blechle – wen interessiert da Klimaschutz?

Mehrere Umweltverbände dankten es Wissing mit ihrer Aufwartung und großen Transparenten vor dem Neujahrsempfang. Fazit: Die FDP (Fahr Doch Porsche) macht genauso weiter wie bisher. Als gäbe es keinen Klimawandel. Mir fehlen die Worte.

Für mich im Januar ebenfalls ein starkes Highlight: Der Kontakt zum Arbeitskreis Asyl in Metzingen. Bewundernswert, wie sich Ehrenamtliche zusammen mit David Roth für Geflüchtete aus der Ukraine und der ganzen Welt einbringen. Einfach, weil es Menschen sind.

Die zahlreichen Gerichtstermine in Reutlingen und am Landgericht in Tübingen über das ganze Jahr verteilt gehörten nicht unbedingt zu der Rubrik „Höhepunkte“. Interessant vielleicht, von Diebstahl, Raub bis zu Mord war alles dabei. Aber immer wieder auch sexueller Missbrauch – auf diese Verhandlungen könnte ich gerne verzichten.

Interessant waren hingegen immer wieder die vielen Gemeinderatssitzungen, in Pliezhausen, Wannweil, Lichtenstein, Walddorfhäslach, Metzingen und anderen Orten mehr. Natürlich können manche der ewig langen Sitzungen auch extrem nervig sein, aber: Ereignisse wie die Energiekrise, Finanzkrise, Flüchtlingsunterbringung, fehlender Wohnraum – all das kommt zusammen mit anderen relevanten Themen eben auch in den Gemeinderatssitzungen an.

Kurzurlaub Ende Februar, Anfang März – über unsere Geburtstage sind wir mal wieder geflüchtet, haben ein paar erholsame Tage in Meersburg verbracht. Schön war’s. Streckenweise neblig.

Toll war für mich auch die Ausdehnung der Region, über die ich berichten durfte: Stadt und Landkreis Tübingen brachten neue Themen, neue Herausforderungen und neue Projekte. Hier hat Hagar Steiff aus Kilchberg Spenden gesammelt, um die Tübinger Tafel zu unterstützen. Mehr als 150 000 Euro sind es mittlerweile, jede Woche kauft sie den Spenden Lebensmimittel größtenteils nachhaltig bei Direktvermarktern ein und bringt sie dann zur Tafel. Gigantisch.

Bedauernswert für die ganze Region, für die Ehrenamtlichen und vor allem für die Geflüchteten in Reutlingen war der Weggang von Asylpfarrerin Ines Fischer nach Jerusalem. Die Flüchtlinge hier haben damit eine extrem starke Fürsprecherin verloren – doch der AK Asyl setzt sich weiter für die Interessen der Geflüchteten ein.

Im Juni dann die Nachricht, dass in ganz Württemberg – und damit auch in der Region Reutlingen – jede Menge Pfarrstellen gestrichen werden.

Bei der Mitgliederversammlung der Gedenkstätte Grafeneck (wo 1940 mehr als 10 000 vermeintlich behinderte Menschen ermordet wurden) ist dann die Frage aufgeworfen worden, ob die Übernahme des Schlosses Grafeneck (und die damit verbundene, notwendige Sanierung) durch den Verein überhaupt zustande kommen kann. Weil die Mittel von Land und Bund noch nicht gesichert sind.

Im Juni dann lernte ich das Paar Buchberger in Münsingen kennen. Sie machen Kunst – die nicht wegsollte, sondern angesehen, erlebt, erläutert und erfahren werden. Tolle Begegnung für mich.

Das ganze Jahr über niederschmetternd war das Thema Flüchtlinge in der EU, in Deutschland und auch in den Landkreisen und den Kommunen: Ex-Sozialrichter und AK Flü-Mitglied Günter Jung fasste den „EU-Asylkompromiss“ in drei Worten zusammen: „Katastrophe mit Ansage“

Mut machte mir hingegen die Begegnung mit dem Sozialamt in Tübingen: Dort wird tatsächlich viel bewegt – für Kinder, für Alleinerziehende, für arme Menschen und auch für Geflüchtete.

In Tübingen begegnete mir zudem die Künstliche Intelligenz bei einem Termin: Ministerpräsident Kretschmann eröffnete (vor meinen Augen) das Tübinger AI Center.

Ende Juli dann: Umzug. Weg aus dem Burgholz und von Luka nach Betzingen. Mitte April hatten wir begonnen, nach einer Wohnung zu suchen. Was sich darauf beschränkte, dass Bine im Netz eine einzige Wohnung ansah, dachte, die sieht aber schön aus. Eine Woche später hatten wir einen Besichtigungstermin. Der Verkäufer wollte ein Bieterverfahren machen, wir sagten, mehr als den Preis, den er verlangte, könnten und wollten wir nicht zahlen. Aber die Wohnung war der Knaller. Nur: Wir dachten 1,5 Wochen lang, wir haben eh keine Chance. Und wir suchten fast schon verzweifelt nach den Nachteilen dieser Wohnung. Wir waren sicher, dass irgendwer eh 10, 20 oder 30 000 Euro mehr bieten würde. Doch dann die Nachricht des Verkäufers: Wir kriegen die Wohnung, er verzichte auf das Bieterverfahren. Warum? Weil wir die Einzigen gewesen wären, die sich richtig für die Wohnung begeistert hatten. Wir waren sprachlos. Und zogen Ende Juli ein.

Das Beste: Wir mussten nicht renovieren, keine Wände rausreißen, nicht mal tapezieren oder streichen. Unglaublich. Nur Möbel umziehen, aufbauen, fertig. Okay – Lampen mussten noch aufgehängt werden. Der Verkäufer hatte drei Jahre zuvor alles umgebaut und dann eine Frau kennenlernte, bei der er quasi sofort eingezogen ist. Deshalb war seine Wohnung auch überhaupt nicht abgewohnt. Wahnsinn.

Nach dem anstrengenden Umzugstag dann – Nein, nicht Erholung pur.

Sondern Action, tanzen, schwofen, hüpfen, singen, schreien und zwar bei Bosse mit einem fantastischen Konzert. Und das auch noch in Reutlingen. Gigantisch. Wir liebten es. Wir sind uns sicher: Das muss unbedingt wiederholt werden. Bosse im Reutlinger Echazhafen. Ein Traum. https://www.youtube.com/watch?v=RxmRhylnqfk

Dann: Ferienzeit, August, was gibt’s da? Klar, Kinderferienprogramm. Mit zwei Artisten, die eine Woche lang Kinder begeisterten.

Danach: Urlaub. Bretagne. Kurz zusammengefasst: Herrlich. Drei Wochen am Atlantik.

Im September im GEA erschienen waren während meiner Abwesenheit drei Artikel von mir zum Thema Poser. Dabei war vor allem die Information vom Umweltbundesamt unglaublich, dass die erlaubten Lärmwerte von Autos – na, von wem – festgelegt werden? Genau. Von den Autobauern selbst, in einem Gremium namens UNECE in Genf, in der Schweiz. Die Grenzwerte gelten weltweit. Und weil das Röhren, Dröhnen, Knattern von Autos ein Riesenmarkt ist, sind die Lärm-Grenzwerte viel zu hoch. Unglaublich, oder? Und niemand scheint das zu interessieren. Ist das nicht völlig verrückt?

Ab Oktober war ich dann auch noch für das Schwäbische Tagblatt tätig. Mit der zurecht gestellten Frage: „Wo simmer denn hier?“

Ebenfalls hochinteressant: Zwei Veranstaltungen des Arbeitgeberverbands SüdwestMetall in Reutlingen zum Thema Generation Z. Eindeutige Aussage von Vertreterinnen und Vertretern der Gen Z dort: „Wir sind nicht faul.“

Wiederum im neuen Betätigungsfeld auf den Härten zwischen Reutlingen und Tübingen, in Wankheim positionierte sich eine Bürgerinitiative gegen Windkraft. Drei Windräder sollen dort gebaut werden, eines auf Wankheimer Gemarkung. Hochinteressant war das für mich, mal in einer Veranstaltung mittendrin zu sitzen, die vor Polemik nur so strotzte, die einem vermeintliche Fakten nur so um die Ohren schlug, von einem Professor, der Schokolade mit Kernkraft verglich. Und von 130 Menschen, die uns Vertreter der (Lügen-) Presse wohl am liebsten gelyncht hätten

Und plötzlich war schon November. Begonnen hatte der mit einem tollen Stadtrundgang in Metzingen zur Frage „Wer war ab 1933 nicht mehr sicher?“

Beeindruckend für mich ebenfalls: Das Engagement der Inklusionskonferenz mit Jubiläum und der eindeutigen Feststellung: „Nicht mehr in Sonderwelten denken“

Das Thema Machbarkeitsstudie für eine Bundesgartenschau 2039 beschäftigte in den vergangenen Monaten alle Gemeinderäte in den Echaz-Anrainer-Kommunen, von Lichtenstein bis nach Kirchentellinsfurt. Ich war dabei, in Gemeinderatssitzungen in Lichtenstein, Wannweil und Kirchentellinsfurt.

Gegen Ende November kam dann die Nachricht aus Kusterdingen (Wankheim gehört dazu), dass die Gemeinde quasi moralisch verpflichtet zur Windkraft sei.

Auch Kirchentellinsfurt bekräftigte im November, dass die Kapazitäten zur Flüchtlingsunterbringung erschöpft seien. Getreu dem Motto: Das Boot ist voll? Das hatten wir doch schon mal oder?

Die Einbürgerungsfeier Anfang November sprach allerdings gegen die Haltung des vollen Bootes. Wie toll sind denn die vielen Beispiele von Menschen, die zu uns zugewandert sind? Und wenn die Kommunen nicht genug Geld, Wohnraum und Personal für weitere Geflüchtete haben – Bund und Land könnten ja mal drüber nachdenken, den Kommunen mehr Geld zu geben. Anstatt die Grenzen dicht zu machen. Ein passendes Lied dazu? Dota Kehr – Grenzen https://www.youtube.com/watch?v=txanYnZgsWI

Mitte November dann schon: Weihnachtsmarktaufbau

und Ende November kam Carsten Linnemann nach Nehren, einem Ort, wo ich vorher noch nie war. Der CDU-Generalsekretär präsentierte sich als volksnah, durchaus witzig und am sympathischsten an ihm war: Er hat auf das mittlerweile übliche Grünen-Bashing verzichtet. Am Besten fand ich aber das sehr gelungene Foto in der Zeitung, das mir unter miserablen Bedingungen mit schummerigem Licht gelang.

Am 10. Dezember dann zum Tag der Menschenrechte: Eine Initiative „Bündnis für Menschenrechte“ gründet sich. Rund 150 Menschen waren auf den Reutlinger Marktplatz gekommen. Erschreckend: Einen Tag zuvor hatte die AfD auf den Marktplatz gerufen – etwa 200 Leute kamen. Wir müssen wohl noch viel lauter werden, die Menschen vom Sofa holen, die für den Erhalt der Demokratie sind, hieß es. Die Erkenntnis und das Bedürfnis, den Rechten nicht das Feld zu überlassen, hat uns ergriffen. Wir müssen uns zusammen mit anderen für die Demokratie stark machen. Es kann nicht sein, dass eine demokratische Mehrheit dem rechtsradikalen Teil der Gesellschaft nichts entgegenzusetzen hat. Das hatten wir doch schon mal. Vor rund hundert Jahren. Nie wieder, hatte es lange Zeit geheißen. Die Gefahr besteht tatsächlich, dass es wieder soweit kommen könnte …

Die zahlreichen Weihnachtsmärkte sind mit Sicherheit kein Mittel dagegen. Dennoch war ich dieses Jahr auf sage und schreibe sechs weihnachtlichen Märkten im Dezember unterwegs. Unglaublich. Und das ausgerechnet ich, der mit Weihnachtsmärkten überhaupt nichts am Hut hat …

Fast schon der Abschluss dieses ereignisreichen Jahres – das Krippenspiel in Gomadingen-Marbach. Hatte ich noch nie gesehen. Mein Fazit: Begeisterung pur. Ebenso wie für Bine. Eine tolle Show mit Pferden, Voltigier-Künstlerinnen, Schafen, einem Hund und dem Kreisbauernverbandsvorsitzenden Gebhard Aierstock als einer der vielen, vielen Schauspieler. Was für eine Gemeinschaftsleistung von so vielen Menschen. Toll.

Der Abschluss meines journalistischen und persönlichen Jahres dann: Am Heiligen Abend die AWO-Weihnachtsfeier, mal wieder im Hof der Arbeiterwohlfahrt mit Weihnachtsgrillen. Mir würde was fehlen, wenn ich dort nicht mehr darüber berichten dürfte.

Was zu sagen bleibt, nach diesem für uns überaus ereignisreichen Jahr? So ganz persönlich war 2023 ein überaus gutes Jahr. Zumal Bine noch von ihrem Arbeitgeber, einem Auto-Zulieferer, freigestellt wurde. Was für ein Glück für meine Frau – weil die Atmosphäre in dieser Firma schon immer unterirdisch war. Bine hatte also quasi die vergangenen sechs Monate frei, bekam aber weiter ihr Gehalt bezahlt. Das war einerseits toll, belastete Bine aber auch. Weil sie natürlich auf der Suche nach einer neuen Tätigkeit war. Zunächst ging es in Richtung Alltagsbetreuung in einem Pflegeheim. Eine durchaus fordernde, aber auch schöne Tätigkeit. Sie hatte eine Woche Probe-geschafft, dann kam jedoch die Nachricht, dass sie im Weltladen eine Festanstellung kriegen konnte. Also im Weltladen, in dem sie seit einem halben Jahr im Vorstand ist. Was für eine Fügung. Bine ist begeistert. Doch die Krisen in der Welt – und damit sind wir wieder am Anfang – beschäftigen und belasten sie genauso wie mich. Aber wie sagte eine Freundin aus Hamburg heute am Telefon: „Dinge, die wir nicht ändern können, sollten uns nicht belasten.“ Weil das nämlich gar nichts bringe. Trotzdem: Wir engagieren uns nun beim Bündnis für Menschenrechte. Um wenigstens irgendwas zu tun gegen die immer mehr um sich greifende Demokratiefeindlichkeit. Und wie wird 2024? Besonders viel Hoffnung haben wir nicht. Doch wie war das mit dem Apfelbaum?

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