Bürgermeister Dr. Jürgen Soltau, Stadtwerke Tübingen und Agendagruppe Klimaschutz Härten informieren über Windkraft
„Wir stehen in der moralischen Verantwortung und Pflicht, so schnell wie möglich aus den fossilen Energieträgern auszusteigen“, betonte Kusterdingens Bürgermeister Jürgen Soltau am Donnerstagvormittag beim Pressegespräch. Die Auswirkungen des Klimawandels mit gewaltigen Überschwemmungen, Dürren und anderen Katastrophen treffe im Moment noch vor allem den globalen Süden, aber: „Der Klimawandel kommt auch zu uns“, sagte Josef Göppert als Sprecher der Agendagruppe Klimaschutz Härten.
Der Beschluss, die Flächen in Lustnau und Kusterdingen für Windkraft vorzuhalten, sei schon vor zehn Jahren vom Kusterdinger Gemeinderat und vom Ortschaftsrat Wankheim gefällt worden. Und das gelte auch heute noch. Aber: Bürgermeister und Gemeinderat hätten sich vor zehn Jahren deutlich gegen eine Lösung ausgesprochen, bei der „quer über die Härten“ Windräder hätten aufgestellt werden sollen.
Josef Göppert betonte, dass die Darstellungen der Windkraftgegner sehr einseitig seien, denn: Fakten würden bunt vermischt, wie beim Schalldruckpegel und der Schallenergie etwa. Und: „Lärm ist bei Windkraft keine geeignete Vokabel“; so Göppert. Der Ingenieur selbst stamme aus dem Schwarzwald, dort stehe seit vielen Jahren ein Windrad, „Lärm war da nie ein Thema.“
Genauso wenig wie bei den Windrädern auf dem Himmelberg bei Melchingen, die seit 28 Jahren dort stehen – und völlig akzeptiert seien. Diskussionen gebe es beim Thema Windenergie immer nur im Vorfeld. Soltau wollte beim Pressegespräch auf Argumente eingehen, die Windkraftgegner häufig anführen. Wie etwa den Flächenverbrauch für solch ein Windrad: „In Kusterdingen verbraucht ein einziger Einwohner 360 Quadratmeter Siedlungsfläche, dazu kommen 220 Quadratmeter Verkehrsfläche“, rechnete Göppert vor. „Jetzt diskutieren wir über einen zusätzlichen Flächenverbrauch von einem Quadratmeter pro Einwohner für die Windräder.“
Andere Zahlen: Die drei Windräder würden 30 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren. „Für die gleiche Menge, die mit Bio-Mais erzeugt würde, bräuchte man eine Fläche von 1500 Hektar“, so der Ingenieur. „Ganz Kusterdingen umfasst eine Fläche von 2420 Hektar“, warf Soltau ein. Für die Windräder werde eine Fläche von jeweils einem Hektar gebraucht. Würde rein auf Fotovoltaik gesetzt, wären dafür 30 Hektar notwendig, so Göppert.
In Kusterdingen sind 18 Millionen Kilowattstunden notwendig, um den gesamten Energiebedarf zu decken. Die drei Windräder würden 30 Millionen Kilowattstunden produzieren. Joachim Glaser von den Tübinger Stadtwerken sagte: Bei der Planung der Windanlagen gehe alles seinen geregelten Weg – „natürlich müssen alle Gesetze und Vorgaben eingehalten werden“, so Glaser.
Egal, ob Tier- oder Natur-, Landschaftsschutz – alles werde regelkonform geprüft, die Vorgaben müssten erfüllt werden. „Es gibt keine Möglichkeiten, die Gesetze zu umgehen“, betonte Glaser. Das Ziel in Tübingen laute. Bis 2030 müsse der gesamte Energiebedarf CO2-neutral gedeckt werden. „Also müssen wir was tun.“
Die drei anvisierten Windräder stehen zum einen auf Wankheimer Gemarkung, eines auf Lustnauer und das dritte auf Lustnauer Gemarkung, aber in Kusterdinger Waldbesitz. Einzig das Wankheimer Rad befinde sich südlich der B 28. Natürlich würden auch die Vorgaben des Schallschutzes und des Schattenschlags berücksichtigt – sollten die Voraussetzungen nicht erfüllt werden, „dann besteht die Möglichkeit, die Räder phasenweise abzuschalten“, so Michael Krieger als Projektleiter bei den Stadtwerken.
Ob Infraschall krank macht? Der Frage war Bürgermeister Soltau nachgegangen: Das Umwelt-Bundesamt sage dazu, dass es keine Hinweise gebe auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschall. „Kühlschränke produzieren übrigens auch Infraschall“, so Soltau. „Und der größte Infraschall-Produzent ist die Meeresbrandung“, so der Ingenieur Göppert.
Tatsächlichen Anfeindungen seien die vier Gesprächspartner noch nicht ausgesetzt gewesen. „In der Resonanz der Bürger haben wir auf unserer Homepage einige Fragen gehabt, wie sie sich an den Windanlagen beteiligen können“, sagte Glaser. Über Energiegenossenschaften werde das möglich seinm, versprach Glaser. Ob es überhaupt sinnvoll sei, in einem „Schwachwindgebiet“ wie auf den Härten Windräder aufzustellen? „Deshalb sind die Anlagen ja recht hoch, sie wurden genau für windarme Regionen konzipiert“, sagte Krieger.
Die Datengrundlage zur Berechnung des voraussichtlichen Ertrags sei gut, betonte der Projektleiter. Die Wirtschaftlichkeit der Anlagen sei gegeben – sonst würden die Stadtwerke ja auch nicht investieren. Im Übrigen „sind die einzelnen Standorte nicht in Stein gemeißelt“, so Michael Krieger. „Würden nicht alle Auflagen erfüllt, könnte es sein, dass der ein oder andere Standort ein paar Meter verlagert werden müsste – oder noch ganz wegfällt.“ Das sei auch eine Wirtschaftlichkeitsfrage.