Einbürgerungsfeier in den Pfullinger Hallen am Dienstagabend – Der Eritreer Mengisteab Ghirmay, die Ukrainierin Oksana Wessely und der Syrer Ahmad Salah berichteten über ihr Leben
Die Lebensgeschichten und ihre Ankunft im Kreis Reutlingen von Oksana Wessely, Ahmad Salah und Mengisteab Ghirmay hätten unterschiedlicher nicht sein können: Der aus Eritrea stammende Ghirmay verließ mit 23 Jahren sein Land. Der Grund? Er wollte nicht zum Militär und weigerte sich auch, sich in das Zwangsarbeitssystem in seiner Heimat pressen zu lassen. 2014 war er geflüchtet.
Im August 2014 kam er nach Reutlingen in eine Sammelunterkunft, lebte fortan mit vier anderen Menschen in einem Zimmer. Bis er 2016 einen Sprachkurs machen konnte, war er von der Stadt und den staatlichen Leistungen abhängig, wie er am Dienstagabend bei der Einbürgerungsfeier des Landkreises in den Pfullinger Hallen auf der Bühne erläuterte. Ehrenamtliche hätten ihm geholfen, hier anzukommen, er bekam eine Arbeitserlaubnis und begann eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Als er diese absolviert hatte, sattelte er die Altenpflege-Ausbildung obendrauf.
„Sie leisten einen ganz wichtigen Beitrag für die Gesellschaft hier“, lobte Landrat Dr. Ulrich Fiedler am Dienstagabend. „Anfangs hatte ich Angst, aber ich erkannte bald, dass die alten Menschen ganz viele verschiedene Charaktere haben – und auch verschiedene Krankheiten“, sagte Ghirmay. „Vielen Dank für Ihre Berufswahl“, entgegnete Fiedler.
Ahmad Salah stand am Dienstagabend als Vertreter der größten Einbürgerungs-Gruppe der Syrer auf der Bühne der Pfullinger Hallen. Salah kam 2015 nach Deutschland, mit der Vielzahl der syrischen Flüchtlinge, die damals vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind. „Ich habe mein Land ziellos verlassen“, berichtete der 29-Jährige. „Ich war orientierungslos auf der Flucht.“ Sechs verschiedene Länder hatte er passiert. „In Reutlingen anzukommen war ein – Zufall“, so Salah. „Ein glücklicher Zufall“, fügte er hinzu.
„Ich war anfangs schockiert, dass die Straßen hier ab 20 Uhr leer sind, in Damaskus beginnt dann erst das Leben“, sagte Salah lachend. „Es war schwer, diese komische Sprache zu lernen.“ Doch mittlerweile spricht er hervorragend Deutsch, wie auch Fiedler betonte. Nur drei Jahre nach seiner Ankunft hat er mit einem Studium begonnen. „Damals wurde ich gefragt, warum ich Syrien verlassen habe – ich war schockiert, dass die Person nichts über mein Heimatland wusste“, erläuterte Ahmad Salah.
Daraufhin hatte er eine Foto-Wanderausstellung konzipiert, die Menschen auf der Flucht zeigen, auf der Suche nach Sicherheit. „Ich wollte damit vor allem jüngere Menschen erreichen.“ In den Anfangsjahren hatte der Syrer bald realisiert, dass er ohne die Hilfe von Ehrenamtlichen lange nicht so schnell hier angekommen wäre. Er nahm sich dieses Engagement selbst als Beispiel, seitdem hilft er ehrenamtlich anderen Flüchtlingen. Und er steht auch zur Verfügung, wenn beim Studieren Menschen aus anderen Ländern genauso orientierungslos sind, wie er das vor ein paar Jahren war.
Oksana Wessely ist seit mehr als zwölf Jahren in Deutschland, sie kam aus der Ukraine hierher. „Ich fühle mich hier wie zuhause“, sagte sie in den Pfullinger Hallten. Deutschland sei ihre zweite Heimat geworden. Sie hat einen deutschen Mann geheiratet und hat deutsche Kinder. Allerdings musste sie damals nicht „nur“ Deutsch lernen, sondern auch noch Schwäbisch dazu. „Ich habe meine Schwiegereltern anfangs nicht verstanden“, sagte Wessely lachend. Ob sie denn mittlerweile schwäbische Ausdrücke kenne, wollte der Landrat wissen.
„Der Ranza spannt“, sagte Oksana Wessely. Und: „Wo go’sch no“, antworte sie in nahezu perfektem Schwäbisch. Aber sie habe auch Riten und Bräuche aus der Ukraine mitgebracht: „Wir feiern zweimal Ostern und ich mache zum Winterabschied eine Pfannkuchenwoche.“ Genau diesen Punkt hatte auch Ahmad Salah hervorgehoben: „Ich appelliere an alle Mitbürger, dass sie Deutschland bereichern mit ihrer Kultur.“
INFO:
14. Einbürgerungsfeier in den Pfullinger Hallen
„Sie sind ein Gewinn für unsere Gesellschaft und für unseren Landkreis“, betonte Landrat Dr. Ulrich Fiedler am Dienstagabend in den Pfullinger Hallten bei der 14. Einbürgerungsfeier des Reutlinger Landkreises. Insgesamt 1028 Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt wurden in den vergangenen 1,5 Ja14hren im Kreis eingebürgert. Die größte Gruppe kam dabei aus Syrien, gefolgt von Zuwanderern aus der Türkei, aus Griechenland, aber auch aus vielen anderen Ländern wie China, Brasilien, den Philippinen, dem Irak, Rumänien, Bulgarien und anderen mehr. Umrahmt wurde die Feier von der Musikschule Pfullingen sowie der Capoeira-Gruppe Tübingen-Reutlingen.