„Beim Pfarrplan werden überall Ungerechtigkeiten sein“

0

Herbstsynode des Kirchenbezirks Bad Urach-Münsingen in Dettingen mit Diskussionen über künftigen Pfarrplan 2024 bis 2030. Referent Dr. Fabian Peters informiert über Notwendigkeit der Streichung von Pfarrstellen

41,25 Pfarrstellen sind es momentan im Kirchenbezirk Bad Urach-Münsingen. 41,25 Pfarrstellen für gut 45 000 Gemeindeglieder. Mit dem neuen Pfarrplan 2024-2030 sollen die Pfarrstellen nach den Vorgaben des Oberkirchenrats Württemberg um 10,5 Stellen gekürzt werden. Wie diese Stellen eingespart werden könnten, darüber wurde schon in vier Regionalversammlungen gesprochen, führte Dekan Michael Karwounopoulos am Freitagabend im Gemeindehaus der Dettinger Christuskirche aus.

Bekannt waren also die Überlegungen schon – gut fand das aber niemand der Bezirkssynodalen am Freitagabend. Bad Urachs Dekan Karwounopoulos betonte: „In allen Kirchengemeinden wird es zu Ungerechtigkeiten kommen.“ Besonders gravierend werden die aber wohl in Metzingen-Neuhausen sein, wie Oliver Tschismar ausführte: Der Pfarrer soll sich dort künftig um 2572 Gemeindeglieder kümmern. „Das sind 51 Prozent mehr als bisher, das ist eine Burnout-Stelle und für Nachfolger sehr unattraktiv.“

Ungerecht behandelt fühlen sich aber auch die Gemeindeglieder im Lautertal – mit der anvisierten Streichung der Pfarrstelle in Buttenhausen werde es im gesamten Lautertal keine einzige Pfarrerin oder Pfarrer mehr geben. „Erst ging es von zwei runter auf 1,5 und jetzt gar keine Stelle mehr – die Kirchengemeinden dort werden hirtenlos sein“, betonte Pfarrerin Regina Götz. „Für uns ist das ein Schlag.“ Für Ältere werde es dann quasi unmöglich, überhaupt zum Gottesdienst zu kommen.

Schwierig sei die „komische Situation“ in dem Kirchenbezirk, so Karwounopoulos. Das sehr mitgliederstarke Ermstal stehe der Umgebung von Münsingen „und der Diaspora im Süden des Kirchenbezirks“ gegenüber. „Wir können die Pfarrstellen aber nicht wie Perlen auf dem Tisch hin- und herschieben“, so Bad Urachs Dekan. Dekan Norbert Braun aus Münsingen ergänzte: „Wenn die Stelle in Buttenhausen nicht mehr besetzt würde, hieße das ja nicht, dass es dort kein kirchliches Leben mehr gibt.“

Dass in kleinen Kirchengemeinden das Leben weitergehen kann, davon berichtete Anita Harter aus Glems: Sie sei von einer Äußerung gekränkt gewesen, „in Glems würde nichts laufen“. Wenn nach 2030 nur noch eine Pfarrstelle „für die Riesengemeinde Neuhausen und Glems“ zuständig sein sollte, dann wenigstens im Miteinander: „Wir wollen mit Ihnen und Neuhausen ins Gespräch kommen“, so Harter.

Gesprächsbereitschaft sei auf jeden Fall da, betonten die Dekane und auch Reiner Mertens als Vorsitzender der Bezirkssynode. Bis Ende Januar 2024 könnten noch Vorschläge zum Pfarrplan eingebracht werden. In der Frühjahrssynode im März soll dann ein Vorschlag eingebracht werden. Schlussendlich entscheiden wird dann der Oberkirchenrat über den Beschluss der Bezirkssynode.

Warum aber überhaupt so drastisch in allen Kirchengemeinden gestrichen und gespart werden muss? Dazu berichtete Dr. Fabian Peters aus dem Haushalts- und Steuerreferat des Oberkirchenrats in Stuttgart am Freitag. Er verdeutlichte, dass die Zahl der Kirchenmitglieder in den kommenden Jahrzehnten drastisch abnehmen werde.

Grund dafür seien versterbende Babyboomer, aber auch viele Kirchenaustritte etwa wegen Missbrauchsdiskussionen. Aber: Laut einer Studie hätten Dreiviertel derjenigen, die der Kirche den Rücken kehrten, so eine ähnliche Begründung abgeben, wie: „Das ist bei mir wie mit dem Fitness-Studio, für das ich Beitrag zahle, aber nie hingehe.“ Nach aktuellen Berechnungen (inklusive einiger Spekulationen) würden von heute 1,8 Millionen Mitgliedern der Evangelischen Kirche in Württemberg im Jahr 2060 noch 0,8 Millionen übrigbleiben, so Peters.

Das bedeute dann deutlich weniger zahlende Mitglieder und bis 2060 eine Kaufkraft von 48 Prozent im Vergleich zu 2017. Bis 2035 liege der Kaufkraftverlust schon bei 27 Prozent – deshalb müsse die Kirche reagieren. Die Prognosen der Zahlen könnten auch besser aussehen, so Peters. Die lägen dann bei 1,4 Millionen Gemeindegliedern im Jahr 2060. Bei dieser Rechnung dürfte aber niemand mehr aus der Kirche austreten und alle Kinder müssten evangelisch getauft werden.

Wirklich erstaunlich sei zudem: Zwei Drittel der befragten Ausgetretenen hätten gesagt: „Ich bin zwar jetzt raus, aber ich finde es wichtig, dass es die Evangelische Kirche gibt.“ Das Fazit des Volkswirts: „Wir müssen besser erklären, warum die kirchliche Arbeit ohne die individuelle Mitgliedschaft nicht möglich ist.“

Share.

Comments are closed.