Bericht im Ringelbach direkt aus dem Krieg in Israel

0

Plattform „Hallo Nachbarn“ versucht mit dem Projekt „Straßen-Uni“ mit unterschiedlichen Veranstaltungen Bildung auf ungewöhnliche Weise in das Quartier hinterer Ringelbach zu bringen. ZEIT-Journalist Wolfgang Bauer machte den Auftakt

„Ihre Ideen sind gefragt“, sagte Dr. Gernot Bohnenberger am Mittwochabend unter einem aufgestellten Pavillondach am Rand der Ringelbachstraße. Angesprochen hatte der Arzt, Zauberer und Koordinator des Projekts „Hallo Nachbarn“ mit diesem Satz rund 40 Interessierte, die sich zu der ersten Aktion der „Straßen-Uni“ eingefunden hatten. Im strömenden Regen harrten die Bürgerinnen und Bürger aus dem hinteren Ringelbachgebiet unter Regenschirmen auf Bierbänken aus, um dem ZEIT-Journalisten Wolfgang Bauer zu lauschen.

„Jetzt herrscht überall nur noch Angst und Hass“

Informationen hautnah aus dem Kriegsgebiet in Israel hatte Bauer mitgebracht, er war soeben erst aus Tel Aviv zurückgekommen. Der Reutlinger hatte zwei Familien porträtiert, eine aus dem palästinensischen Gaza-Streifen, eine aus einem eigentlich liberalen Kibbuz in Israel. Aktueller hätten die Ausführungen des ZEIT-Reporters nicht sein können, er berichtete quasi aus den Wohnzimmern (sofern sie noch bestanden) von zwei „ganz normalen“ Familien, die sich nun im Krieg miteinander befinden. Beide Familien hätten vor dem Krieg von einer „Zwei-Staaten-Lösung“ geträumt. Doch nun herrsche überall nur noch „Angst und Hass“, so Bauer.

„Mit den ersten Veranstaltungen der Straßen-Uni wollen wir vor allem Erfahrungen sammeln“, betonte Otto Haug, Initiator und Motor der Plattform „Lebenswert“, am Rand der Veranstaltung an der Ringelbachstraße. „Wir wollen die Bedürfnisse und Interessen aller Menschen in dem Quartier berücksichtigen“, ergänzte Bohnenberger.

Bei der ersten Veranstaltung der „Straßen-Uni“ waren knapp 50 Personen anwesend, trotz strömenden Regens. Eingefunden hatten sich insbesondere Menschen aus dem „Bildungsbürgertum“, wie auch Haug registriert hatte. „Das war nicht anders zu erwarten, um die anderen Bewohner in dem Gebiet zu erreichen, müssen wir noch ganz andere Veranstaltungen anbieten.“

Aber: Bei einem ersten Fest unter dem Titel „Hallo Nachbarn“ kamen knapp 40 Interessierte, „ein zweites Fest lockte dann schon 350 Menschen an“, so Haug. „Für dieses Projekt ‚Hallo Nachbarn‘ und ‚Straßen-Uni‘ brauchen wir Zeit, es muss sich entwickeln.“ Und Otto Haug denkt schon weiter: Eine Kinder-Straßen-Uni wäre eine weitere Möglichkeit.

Warum überhaupt dieses Engagement? „Bildung ist eine wichtige Grundlage, damit Menschen Verantwortung für das Gemeinwesen und für unsere Demokratie übernehmen“, so Otto Haug. Mit der Straßen-Uni soll „die Schwelle zur Bildung so weit wie möglich gesenkt werden, ohne zur ‚Einfachware‘ zu werden“, sagte der „Lebenswert“-Initiator.

„Gazastreifen ist das größte Gefängnis der Welt“

Wolfgang Bauer berichtete am Mittwochabend weiter aus dem Krieg: „Der Gazastreifen ist das größte Gefängnis der Welt.“ Die Menschen im Gazagebiet hätten schon vor dem Krieg keinerlei berufliche Perspektiven gehabt, „aber gleich hinter der Mauer gab es alles, was es im Gaza nicht gab – das schürt und nährt Hass und Neid“, betonte Bauer. Er war schon mehrfach in der Region – und sei selbst schon durch die endlosen Tunnelbauten der Palästinenser gelaufen.

Ob der Kriegsberichterstatter sich eine Lösung für diesen Krieg vorstellen kann? Zunächst hofft Bauer, dass der Konflikt sich nicht zu einem Flächenbrand ausweite. Die Hisbollah im Libanon besitze mehr als 120 000 Raketen, die auf Israel abgefeuert werden könnten.

Nach dem Ende des Kriegs müsse die Mauer zwischen Gaza und Israel noch höher gebaut werden, „es geht wohl nicht anders“. Danach gelte es, auf Zeit zu setzen. Die Menschen auf beiden Seiten müssten sich dann ganz langsam wieder annähern, um die Mauer dann wieder abzubauen“, so Bauer.

Am Mittwochmorgen war der Kriegsreporter schon in der Eduard-Spranger-Schule und „berichtete dort vor 34 still und staunend lauschenden Zehntklässlern“, hatte Bohnenberger abends ausgeführt. Finanziert wird die Stelle des Koordinators von „Hallo Nachbarn“ im Übrigen über den Diakonie-Spendenfonds sowie über die Stiftung „Lebenswerte Nachbarschaft“, wie Otto Haug ausführte.

Share.

Comments are closed.