SPD-Bundestagsabgeordneter Dr. Martin Rosemann erläutert in Nehren neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz und diskutiert mit Arbeitgebern aus unterschiedlichen Branchen
Rund 25 Interessierte sind am Donnerstagabend ins Feuerwehrgerätehaus in Nehren gekommen. Der SPD-Ortsverein hatte eingeladen, um zusammen mit Dr. Martin Rosemann sowie sach- und fachverständigen Arbeitgebern über das neue „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ zu diskutieren. Den Hintergrund für das laut Rosemann „runderneuerte“ Gesetz hatte zunächst schon Nehrens Bürgermeister Egon Betz erläutert: „Seit über 40 Jahren ist bekannt, dass wir eine alternde Bevölkerung sind – das ist aber ignoriert worden.“ Die Folge? „Überall fehlen Fachkräfte“, so der Rathauschef.
Davon konnten auch die anwesenden Arbeitgeber ein Lied singen: Verena Hertsch etwa, Vizepräsidentin der IHK Reutlingen und Chefin von mehreren Supermärkten – „wir müssen unsere Wurst- und Fleischtheken langsam schon in Selbstbedienung umbauen, weil uns das Fachpersonal fehlt“. Ansonsten versuche die Geschäftsfrau „die Arbeit umzuverteilen unter den Leuten, die da sind“. Die Öffnungszeiten zwischen 7 und 20 Uhr aufrechtzuerhalten werde immer schwieriger.
Fachkräftemangel in der Pflege schon seit 40 Jahren
Angelika Herrmann von der Samariterstiftung Nürtingen berichtete vom Fachkräftemangel in der Pflege, der aber schon seit mindestens 40 Jahren bestehe: „Die ganze Zeit über herrschte Notstand und Menschen von den Philippinen haben schon vor vier Jahrzehnten hier gearbeitet“, sagte die Bezirksleiterin. Heute versuche die Stiftung, auch Azubis direkt im Ausland zu rekrutieren – das habe einen Vorteil: „Wir kriegen nur die Besten.“
Jochen Schmidt ist Schreiner mit eigenem Betrieb, er und seine Branche hätten (noch) keine Probleme bei der Fachkräftesuche. Aber: „Auch im Handwerk überaltern wir.“ Vorbehalte gegenüber Menschen aus anderen Ländern sehe er nicht speziell im Handwerk – „das ist ein gesellschaftliches Problem“. Thomas Puchan, der zu der Veranstaltung am Donnerstag eingeladen hatte, ist gelernter Hotelbetriebswirt, betätigt sich aber vor allem als Personalvermittler in alle Branchen.
Massive Probleme in deutschen Botschaften und in Ausländerämtern
Puchan berichtete von massiven Problemen in den deutschen Botschaften im Ausland und auch in den Ausländerämtern der Kommunen in der Region – die den Fachkräftezuzug eher behindern als ermöglichen. Martin Rosemann betonte, dass es in diesen Behörden „einen Kulturwechsel braucht“. Die Mentalität der dort Beschäftigten müsse sich ändern, die Erkenntnis sich durchsetzen, „dass in Deutschland Fachkräfte gebraucht werden“. Vorgänge müssten vereinfacht und beschleunigt werden.
Genau das soll das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz bewirken, wie der Bundespolitiker ausführte. Drei Säulen habe das geänderte Gesetz: „Wer einen Berufsabschluss hat, soll künftig kommen – und auch in anderen Berufen arbeiten können.“ Zweitens soll auf berufliche Erfahrung der Bewerberinnen und Bewerber gesetzt und das Potenzial der Menschen gefördert werden. „Voraussetzung ist aber bei allem eine mindestens zweijährige Berufsausbildung“, so Rosemann.
„Wir brauchen eine andere Haltung der offenen Arme“
Ein weiterer Punkt: Es soll eine Brücke vom Asylverfahren in den Arbeitsmarkt geschlagen werden. Grundsätzlich gelte aber für die gesamte Gesellschaft: „Wir brauchen eine andere Haltung der offenen Arme, des Willkommens.“ Bedenken äußerte jedoch ein Besucher der Veranstaltung, Harald Müller aus Dusslingen, Steuerberater und Gemeinderatsmitglied: „Ich glaube nicht, dass die Umsetzung des Gesetzes so einfach funktioniert.“ Vor allem vor Ort, in den Kommunen seien die Inhalte schwer umzusetzen.
„Fachkräfte aus dem Ausland brauchen auch Wohnungen, die jetzt schon fehlen, ebenso wie Kita-Plätze – das funktioniert ja jetzt schon nicht“, so Müller. Bürgermeister Betz hatte zu Beginn der Veranstaltung die Thematik ebenfalls angesprochen: „Wir haben so viele Probleme, die alle der Quadratur des Kreises gleichen.“ Aber, so der Rathauschef: „Wir müssen die Probleme lösen, wir haben gar keine andere Möglichkeit – brauchen dazu aber die Rahmenbedingungen.“ Die Standards müssten runter und die bürokratischen Hürden abgebaut werden.