Wir sind ja nicht besonders anspruchsvoll. Eigentlich. Aber: Nach 1,5 Wochen Wärme, Hitze, ganz besonders aber Schwüle, sind die Temperaturen hier an der Atlantik-Küste heute rapide gefallen. 17 Grad waren es gegen 10 Uhr. Erfrischend frisch. Herrlich.
Und diese Ruhe, denke ich gerade. Diese Ruhe, die ich mir so ersehnt habe. Bis auf die Wärmepumpe für den Swimming-Pool unter uns ist fast nichts zu hören. So dachte ich – als soeben ganz plötzlich, wie aus dem Nichts heraus, wie ein Gewittergrollen direkt neben unserer Wohnung – ein Rollladen herunterscheppert. Der Gedanke, dass nun in den 42 anderen Appartements ebenfalls die Rollos lautstark betätigt werden könnten, lässt mir den Schweiß auf die Stirn treten.
Das Gebäude, in dem wir uns befinden, ist, so wie es aussieht, vor rund 30 bis 40 Jahren erbaut worden. Ober anders ausgedrückt: mitten in die ringsherum fast unberührte Natur reingeklotzt. Der Block wirkt, so hatte es eine Frau auf booking.com kommentiert, „wie eine Warze in der Landschaft“. Gelesen habe ich das erst, als wir schon lange diesen unglaublichen Blick auf das Meer hier, etwa einen Kilometer von Fort-Bloqué entfernt, gebucht hatten. „Eine Schande, dass so ein Gebäude an dieser Stelle überhaupt genehmigt wurde“, schrieb auch jemand. Ja. Die Person hat recht. Es hätte uns mehr zu denken geben sollen, dass zwar der Blick aufs Meer von der Wohnung aus mehrfach abgebildet war – aber von dem Gebäude selbst auf booking.com kein einziges Foto zu finden war. Unsere Bedenken gingen jedoch in eine ganz andere Richtung: Wenn von dem Gebäude kein Foto zu finden ist, vielleicht gibt es das Haus dann gar nicht? Weitere Nahrung erhielten die Befürchtungen, dann dadurch, dass unser Vermieter auf eine simple Frage nicht antwortete: Wie breit ist denn das Bett in dem Appartement?
Solch eine einfache Frage wird man doch beantworten können, dachten wir. Doch es kam … nichts. Nach fünfmaliger Anfrage haben wir es über den Service von booking.com versucht, x-fach schriftlich, mehrfach auch telefonisch. Die Antwort: „Wir sind sehr betrübt über die Schwierigkeiten, die Sie haben, aber: Machen Sie sich keine Sorge, alles ist in bester Ordnung, wir werden mit dem Vermieter reden.“ Und dann? Wieder nichts. Vier Tage vor unserer Ankunft hier erreichte uns dann eine Nachricht: „Wir freuen uns sehr über Ihre baldige Ankunft.“ Erst als wir nochmals nachhakten, wie breit denn nun dieses vermaledeite Bett ist, kam die kurze Antwort: 160 Zentimeter. Warum hat man uns das nicht schon Wochen zuvor mitgeteilt? Auf diese Frage haben wir nach wie vor keine Antwort erhalten.
Aber – egal. Wir sind ja nicht anspruchsvoll. Seit neun Tagen sind wir nun schon in dem Appartement. Auf den ersten Blick war alles gut. Die Aussicht natürlich wirklich toll. Die Sitzmöbel allerdings ins Alter gekommen und nicht gerade bequem. Das Sofa völlig durchgesessen und -gelegen. Die Balkonmöbel vermitteln den Eindruck, als ob sie bei zu starkem Zurücklehnen zusammen mit dem Nutzer oder der Nutzerin ganz plötzlich auf dem Boden landen könnten. Ansonsten ist die Wohnung okay. Unsere Ansprüche sind ja nicht besonders groß. Ach ja, allerdings fehlt die Spülmaschine. Wo sie einst stand, klafft eine Lücke im Küchenmobiliar. Die Pfannen sind völlig verbogen, die Auflagefläche auf dem Herd verringert sich dadurch enorm. Aber egal. Wir sind ja nicht besonders anspruchsvoll.
Und heute? Friedliche Stille. Das Meer tost mal nicht. Der Verkehr auf der Straße vor dem Strand hält sich in erstaunliche Grenzen. Das war gestern noch völlig anders. Da staute sich ein Auto am anderen vor unseren Augen vorbei. Okay, gestern war ja auch Sonntag. Aber: Wir hatten nicht einmal geahnt, dass wir hier in eine touristisch so stark frequentierte Region reinkommen würden. Manche Ortschaften, wie Fort-Bloqué, sind erst nach 1950 entstanden, als die Küstenstraße hier gebaut wurde. Der Baustil ist dann dementsprechend. Die Orte dürften zu mehr als 90 Prozent aus Ferienwohnungen und ebensolchen -häusern bestehen. Wie wir gestern gesehen haben, sind einige Villen darunter – aber eben auch solche Bettenburgen wie unser Exemplar hier.
Warum die Gegend offensichtlich so beliebt ist? An „normalen“ Tagen rollen und tosen die Wellen im Sekundentakt an den Strand. Kein Wunder also, dass es sich hier um eine Art „Surfer-Paradies“ handelt und die Menschen auf ihren Brettern quasi Tag und Nacht auf dem Meer zu sehen sind. Nur heute nicht. Heute ist von Wellen gar nichts zu sehen. Ist ja auch Montag, könnte man denken. Auch Surfer müssen ja wahrscheinlich mal was arbeiten – wenn sie nicht gerade eine der zahlreichen Surfschulen hier betreiben. Aber vergangene Woche war an jedem Wochentag das Meer voller Surfbretter. Ohne Rücksicht auf Werktag oder Wochenende.
Unglaublich auch die Autoschlangen, die sich auf und neben der Straße stauten. Wahnsinn.
(Soeben rattert wieder ein Rollladen nach oben – als wollte mich jemand dran erinnern, dass ich nicht allein mit Bine in dieser Bettenburg sitze. Dazu dröhnt erneut ein Flugzeug über uns hinweg – der Flugplatz von Lorient ist nicht weit entfernt, wir befinden uns genau in der Einflugschneise. Am Wochenende waren nur wenige Flieger unterwegs, die Frequenz nimmt heute wieder deutlich zu. Aber: „Wir sind ja nicht kleinlich. Und anspruchsvoll schon gar nicht“, rufe ich Bine zu. „Hast du was gesagt“, ruft Bine zurück. Ich verstehe sie gerade nicht, der nächste Flieger …)
Aber mal ganz ehrlich: Die Küstenlandschaft in der Bretagne ist natürlich fantastisch. Gestern haben wir erneut einen kleinen Küstenabschnitt bewandert, nur rund zwei bis drei Kilometer lang – aber diese unglaublichen Felsen mit der Brandung und den tollen Stränden … es ist einfach atemberaubend schön hier.