Echazhafen bringt Großstadt-Flair an die Achalm

0

30jähriger Mert Akkeceli engagiert sich im Reutlinger Integrationsrat und schätzt die Offenheit seines Lieblingsortes in der Stadt

An einem Mittwoch um 16 Uhr mitten in den Sommerferien strahlte keine Sonne vom bewölkten Himmel, die Temperaturen mussten eher als frisch bezeichnet werden und natürlich war zu diesem Zeitpunkt keine Veranstaltung im Echazhafen. Das Absperrgitter erlaubte auch nur einen eingeschränkten Blick auf die Container der Veranstaltungsarena. Aber: Der Echazhafen ist der Lieblingsort von Mert Akkeceli.

Wir trafen uns dort, so ganz ohne Veranstaltung war das kein besonders idyllischer Platz. Aber: „Der Echazhafen ist ein Ort, der lebt, dort begegnen sich Menschen“, sagte der 30jährige gebürtige Reutlinger. Künstler aller Art und Herkunft treten dort auf, das franz.K wie auch der Echazhafen stünden für Offenheit, betonte Akkeceli. Und der „Hafen“ verleihe Reutlingen zumindest ein wenig den Flair einer Großstadt.

Akkeceli wurde in Reutlingen geboren, ist dort aufgewachsen, ging auf die Freie Georgenschule bis zum Abitur, hat ein Jurastudium in Tübingen abgebrochen und sich umorientiert: Wirtschaftspädagogik an der Universität Hohenheim wurde es. Nach dem Studium fing er gleich bei der VHS in Pfullingen als Fachbereichsleiter an, war für Gesundheit und EDV, berufliche Orientierung und Deutsch als Fremdsprache zuständig.

„Im vergangenen September habe ich dann die kommissarische Leitung der VHS übernommen.“ Mittlerweile ist er auch offiziell der Gesamtleiter. Eine spannende, abwechslungsreiche Tätigkeit, findet der 30-Jährige. Das Interesse an der Lokalpolitik (wie auch der nationalen und internationalen Politik) wurde in seiner Familie vor allem über den Vater geweckt: Der ist gelernter Zahntechniker, er kam im Gegensatz zu Merts Mutter erst mit 26 Jahren nach Deutschland. Die Mutter war 5, als sie hierherkam, hatte dann Industriekauffrau gelernt.

Mert Akkeceli spricht fließend Türkisch, „aber Deutschland ist meine Heimat“, sagte er. „Übrigens merke ich erst in der Türkei, wie deutsch ich bin“, sagte er lachend. Pünktlichkeit und sich an Absprachen halten – das werde in der Türkei doch eher lockerer interpretiert.

Über einen Chemielehrer kam Akkeceli zur Politik: „Er hat mich motiviert, für den Jugendgemeinderat zu kandidieren.“ Zwei Wahlperioden war Mert Akkeceli dort vertreten, „als Jugendlicher will man natürlich möglichst schnell, möglichst viel bewegen“. Allerdings habe er auch lernen müssen, „wie langwierig Prozesse in der Kommunalpolitik sind“. Die Entstehung des Skaterparks im Bürgerpark sei ein Beispiel dafür. Oder auch die Nachtbusse.

Zur SPD kam Mert Akkeceli 2011, „das weiß ich noch ganz genau“. Zur Landtagswahl 2011 war im Spitalhof eine Podiumsdiskussion, da habe er den Reutlinger Ramazan Selcuk angesprochen, der später als Nachrücker für die SPD in den Landtag einzog. „Ich habe ja schon vorher zu den Sozialdemokraten tendiert“, sagte Akkeceli. Im März 2012 trat er dann selbst in die SPD ein, 2016 bis 2019 war er Kreisvorsitzender der Jusos, ab April 2021 übernahm er den SPD-Ortsvereinsvorsitz.

Nicht immer sei die Mitgliedschaft in der Partei eine reine Freude, „aber vor allem die Menschen im Blick zu haben, die es nicht so leicht haben, das bedeutet mir viel“. In den Integrationsrat bringt er sich zusätzlich ein, weil er auch andere Reutlingerinnen und Reutlinger mit Migrationshintergrund dazu motivieren will, sich in die Lokalpolitik einzubringen.

Dass der Integrationsrat nun einen Sitz im VKSA (Ausschuss des Gemeinderats für Verwaltung, Kultur und Soziales) hat, wertet er als Erfolg. „Ich finde es wichtig, dass Yasmin Nasrudin und ich dort vertreten sind und wahrgenommen werden“. Sonstige Themen im Integrationsrat? „Die finanzielle Lage der Stadt betrifft uns ja auch.“ Das Haus der Kulturen als wichtigstes Projekt rücke mit den fehlenden Finanzen wohl in weite Ferne. „Das Projekt ist aber nach wie vor ein Traum von uns“, so Akkeceli.

„Wir müssen bei manchen Themen aktiver werden, auf Gemeinderats-Fraktionen und Verwaltung der Stadt zugehen“, sagte der 30-Jährige. Debatten und Diskussionen gehören zu einer Demokratie dazu, betonte er. Aber eine klare Haltung gegen Rechtsaußen sei auch vonnöten. „Unsere Demokratie lebt nur, wenn wir uns dafür engagieren.“ Als Hauptziel nennt der Reutlinger, „junge Menschen mitzunehmen und für die Politik zu begeistern“. Deshalb will Akkeceli auch im kommenden Jahr erneut für den Gemeinderat kandidieren.

Eine Äußerung des Bundes-CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz hat ihn vor kurzem aber ziemlich auf die Palme gebracht: „Wenn Merz von Sozialtourismus und kleinen Paschas spricht, dann meint er womöglich auch mich damit, als Mensch mit migrantischen Wurzeln.“ Akkeceli empfinde das als Frechheit.

Share.

Comments are closed.