HAP Grieshaber war 1969 in Gruorn auf dem einstigen Truppenübungsplatz und wurde fast von Granaten getötet

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Eninger Kirchenführer Hermann Walz berichtete in der Gruorner Stephanuskirche über einen Besuch des Künstlers HAP Grieshaber auf dem Truppenübungsplatz an einem Pfingstmontag

HAP Grieshaber war mal in Gruorn? „Ja“, berichtete der Eninger Kirchenführer und Grieshaber-Kenner Hermann Walz am vergangenen Sonntag in der Stephanuskirche vor Ort, also in Gruorn. Draußen war die 30-Gradmarke längst geknackt, in der Kirche hingegen verhältnismäßig angenehm. Erstaunlicherweise hatte es doch ein rundes Dutzend Interessierter bei den brütenden Temperaturen zu der Kirchenführung mit dem speziellen Schmankerl um und mit HAP Grieshaber in Gruorn gewagt.

Geboren wurde der Künstler 1909, gestorben ist er 1981. 1950 zog er nach Eningen an die Achalm, in das Gartenhäuschen seines Vaters. Besessen habe er laut Walz nämlich so gut wie nichts, in der Nazi-Zeit sei Grieshaber verfolgt worden. Fasziniert habe ihn als Friedensbewegten die Gemeinde Gruorn und ihr Schicksal schon länger: Dass die 650 Einwohner 1938 und 1939 ihre Heimat verlassen mussten – „in Friedenszeiten“, wie Walz anführte – das habe Grieshaber beschäftigt. Dass ab 1950 auf dem einstigen Truppenübungsplatz die Franzosen wieder Treffen der ehemaligen Bewohner von Gruorn zuließen, das wollte der Künstler eines Tages nutzen.

Am Pfingstmontag im Jahr 1969 rief er bei seiner Freundin, der Stuttgarter Schriftstellerin Margarethe Hannsmann an, ob sie nicht mit ihm nach Gruorn fahren wolle. Grieshaber selbst hatte kein Auto, wie Hermann Walz berichtete, also brauchte er eine Fahrerin. Zusammen fuhren sie in Richtung Münsingen, stellten in der Nähe des Truppenübungsplatzes das Auto ab und liefen zu den Trümmern der Stephanuskirche und dem noch existierenden Schulhaus.

Außer einem Hirten, seiner Schafherde und einem Esel seien sie niemandem begegnet. Dabei dürften sie laut Walz das erlebt haben, was Besuchern des Biosphärengebietes auch heute noch beim Gang vom Wanderparkplatz an der Trailfinger Sagemühle bis zur Kirche hin massiv in die Gehörgänge dringt – die Stille. Beziehungsweise das Fehlen der lärmenden Autos und der Kommunen. Plötzlich dringen wieder Geräusche ans Ohr, die fast schon verloren geglaubt waren, wie das Rauschen des Winds in den Bäumen oder das Zirpen der Grillen.

Als Grieshaber und Hannsmann 1969 schließlich die Kirche erreicht hatten, war dort ein Schafschur-Wettbewerb vonstattengegangen. Offensichtlich neigte sich der dem Ende zu, die Schafscherer verließen den Ort, allein blieben die beiden Künstler zurück. Mit ihnen auch die Information, dass sie das Pfingstreffen der Gruorner um einen Tag verpasst hatten. „Das war gestern“, habe ein Hirte gesagt.

Zumindest hatte es die Schriftstellerin Margarethe Hannsmann in ihren Erinnerungen so aufgeschrieben. Urplötzlich seien sie von einem infernalischen Lärm aufgeschreckt worden. 30, 40, 50 Panzer wären vorbeigedonnert. Die Soldaten hätten aus diesen Ungetümen heraus freundlich gegrüßt. Jemand habe gerufen, „gleich wird geschossen“. Artillerieübungen hätten begonnen, wie die Hasen seien Hannsmann und Grieshaber anschließend über den Truppenübungsplatz gerannt, um nicht von den Granaten getroffen zu werden. „Sie hätten ohne weiteres dabei sterben können“, sagte Hermann Walz.

Irgendwann habe das Paar den Rand des Truppenübungsplatzes erreicht, irgendwie seien sie zu einem Taxi gekommen, das sie schließlich zurück zu ihrem Auto gebracht habe. „Die Taxifahrt ist sie teuer zu stehen gekommen“, sagte der Kirchenführer mit dem besonderen Wissen. HAP Grieshaber hatte dieses Erlebnis in vier Holzschnitten verarbeitet – um auch damit weiter auf seine Friedensbemühungen hinzuweisen. Die Tafeln befinden sich heute im Besitz des Komitees für den Erhalt der Gruorner Stephanuskirche.

Im Übrigen sei der Eninger Holzschnitt-Künstler „der Urvater der Idee des Biosphärengebietes“ gewesen, wie Walz ausführte. Schließlich habe Grieshaber schon in den 1960er und 1970er Jahren immer wieder betont: „Rettet die Wacholder-Alb“, sagte der Kirchenführer am Sonntag in Gruorn.

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