„Ein Schlag ins Gesicht“ – Gastronomie wehrt sich gegen Steueranhebung

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Podiumsdiskussion der Dehoga mit Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Tübingen im Café 1821 über Rückführung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 7 auf 19 Prozent

Wegen Corona war die Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden – um die Gastronomie zu entlasten. Ende 2022 sollte diese Regelung wieder aufgehoben werden – aber wegen der Energiekrise erfolgte die Verlängerung um ein Jahr. Zum 1. Januar 2024 müsste die Mehrwertsteuer eigentlich wieder um 12 Prozent angehoben werden. Verwunderlich, dass das bei Gastronomen gar nicht gut ankommt? Eva-Maria Rühle betonte als Vize-Vorsitzende des Dehoga-Verbands Baden-Württemberg am Mittwoch im Tübinger Restaurant 1821: „Das Thema ist für uns existenziell.“

Zwischen 2019 und 2021 habe die Branche 5000 Betriebe verloren, mittlerweile seien es noch 25 000 mit rund 130 000 Beschäftigten und 12 Milliarden Euro Umsatz im Land. „Wir sind der Motor des Tourismus“, sagte Rühle in ihrem Grußwort, das sie präsentierte, bevor die Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz (CDU), Chris Kühn (Grüne) und Martin Rosemann (SPD) zu Wort kamen. „Die Steuererhöhung um 12 Prozent wäre eine Katastrophe für das Gewerbe“, so Rühle. Allein in Tübingen hätten bereits 30 Betriebe angekündigt, ihre Pforten zu schließen, wenn es zu der Erhöhung kommen sollte.

„Wir liegen mit unseren Erträgen noch weiter hinter denen von 2019 zurück“, betonte Herbert Rösch als Tübinger Dehoga-Kreisstellenleiter. Hinzu komme ein weiterer Aspekt – dass nämlich gastronomische Betriebe die vergangenen drei Jahre nicht investieren konnten. Und: Die Preiserhöhungen durch Energiekrise und Inflation hätten gar nicht eins zu eins an die Kunden weitergegeben werden können. Außerdem würden die Rückforderungen von staatlichen Hilfen aus Corona-Zeiten „wie ein Damoklesschwert über einigen Betrieben hängen“, so Rösch.

„Die Frage ist doch jetzt, ob die Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent überhaupt an die Kunden weitergegeben werden könnte“, sagte Chris Kühn. Wenn nicht, dann sehe es für einige Betriebe tatsächlich schlecht aus. „Wir werden das in die Haushaltsberatungen mitnehmen“, versprach der Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Immerhin gehe es um 3,3 Milliarden Euro mehr im Haushalt, wenn die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent angehoben würde.

„Wie ein Teilchenbeschleuniger“

Annette Widmann-Mauz betonte in ihrem Statement, dass die Überschreitung von gewissen Preisstufen sich „wie ein Teilchenbeschleuniger auswirken kann und der Strukturwandel so noch mehr beschleunigt würde“. Dabei sei die Gastronomie ein wesentlicher Faktor, um eine Region, eine Kommune attraktiv zu halten. „Es wäre sinnvoll, wenn die Preise nicht weiter steigen würden“, so die CDU-Politikerin. Im September, also nach der Sommerpause, stehe die erste Lesung des Bundeshaushalts an – „wir hoffen auf ein positives Signal für die Gastronomie, das die CDU/CSU unterstützen würde“, so Widmann-Mauz.

„Die Entscheidung für eine Steuererhöhung ist in der Ampel noch nicht gefallen“, sagte Martin Rosemann. Er selbst sei „ein großer Freund der Gastronomie, die aber heute nur noch erlebnisorientiert funktioniert“. Wer diese Entwicklung nicht mitmache, stehe ganz schlecht da. Asli Kücük betonte als Co-Vorsitzende der Dehoga-Kreisstelle: „Gastronomie ist Daseinsfürsorge, da geht es auch um die Betriebe als Orte der Begegnung.“ Im Gespräch seien sogar 30 Prozent aller gastronomischen Betriebe, die bei der Rückführung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent zumachen würden.

Doch eigentlich seien die Politiker gekommen, um den Sorgen der Gastronomen zuzuhören, sagte Rosemann. Gerhard Mayer vom Waldhorn in Mähringen betonte eindrücklich: „Wir sind ein Familienbetrieb, eigentlich wollte ich den Landgasthof demnächst an meine Tochter übergeben.“ Aber: Neben der Energiekrise, neben hohen Löhnen und ebensolchen Energie- und Lebensmittelpreisen, stünden auch Investitionen an. Und dann noch die Anhebung auf 19 Prozent Mehrwertsteuer?

„Das wäre ein Schlag ins Gesicht“, so Mayer. „Da müsste ich mir überlegen, ob ich guten Gewissens meiner Tochter den Betrieb übergeben sollte.“ Hans-Peter Horn vom Waldhäuser Hof in Tübingen sprach gar von einem „Flächenbrand“ der Schließungen, wenn die Steueranhebung kommen sollte.

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