Polizeipräsident Udo Vogel präsentiert im Verwaltungsausschuss des Kreistags die Zahlen der Kriminalstatistik des vergangenen Jahres
Hoher Besuch am Montag bei der Sitzung des Verwaltungsausschusses des Kreistags in der Metzinger Kreissparkassen-Filiale: Polizeipräsident Udo Vogel vom Präsidium Reutlingen präsentierte die Zahlen der „Polizei-Kriminal-Statistik“ (PKS) 2022. Vogel gab allerdings auch schon einen Ausblick auf das laufende Jahr und konstatierte: „So ein halbes Jahr habe ich noch nicht erlebt.“ 2023 begann mit der Tötung eines Menschen in Albstadt, dann folgte eine Razzia gegen einen Reichsbürger in Reutlingen, bei dem ein Polizeibeamter schwer durch den Kriminellen verletzt wurde.
Bei einer Messerstecherei in Tübingen wurde ein junger Mensch getötet, dann folgte ebenfalls in Tübingen eine Messerattacke in einem Buchladen. Ohne den umsichtigen Einsatz von zwei Polizeibeamten hätte das Opfer wohl nicht überlebt, betonte Vogel. Es folgte eine mysteriöse Serie von Schüssen auf einen Wirt in Plochingen etwa sowie einige andere Taten in Eislingen, Reichenbach/Fils und auf den Fildern.
Der Hintergrund? Laut Udo Vogel sei eine Gruppierung von 350 bis 400 Personen dafür verantwortlich, die völlig verstreut in der Großregion Stuttgart wohne – und eine Person daraus habe wohl auch eine scharfe Handgranate bei einer Beerdigung in Altbach (bei Plochingen) geworfen. Es gehe um Ehre, um Rache, gar nicht mal um Geld. „Wir haben kaum Angriffspunkte, man muss mit allem rechnen“, so der Reutlinger Polizeipräsident. „Das ist eine sehr schwierige Situation.“
Obwohl im vergangenen Jahr die Zahl der Straftaten um mehr als 5600 Fälle (fast 13 Prozent) in den Landkreisen Reutlingen, Esslingen, Tübingen und Zollern-Alb auf annähernd 50 000 zugenommen hat, sei das dennoch der zweitniedrigste Stand in den vergangenen 20 Jahren. Allerdings müsse man laut Vogel jedoch eigentlich noch weitere fast 12 700 Fälle hinzurechnen. Die wurden zwar im Ausland begangen, hatten jedoch im Bereich der Cyber-Kriminalität ihre Auswirkungen auf die hiesige Region – und zwar durch solche miesen Maschen wie den Enkeltrick oder durch Schockanrufe.
„Das funktioniert immer noch, obwohl wir seit vielen Jahren aufklären und Prävention betreiben“, so Vogel. „Das ist richtig frustrierend.“ Überhaupt sei die Cyber-Kriminalität enorm auf dem Vormarsch: „Warum sollte man heute noch eine Bank überfallen, wenn man durch die Anrufe bei Senioren zwischen 20 000 und 800 000 Euro abzocken kann“, fragte Udo Vogel.
Ebenfalls ein Teil der Internet-Kriminalität: Kinderpornografie – die nehme ebenfalls drastisch zu. „Das sind Millionen Bilddateien, man könnte fast verzweifeln bei diesem Deliktbereich.“ 25 Beschäftigte gebe es bei der Polizei in Esslingen und Tübingen, die sich um nichts anderes als diese Straftaten kümmern. „Die Hinweise auf Täter kommen zu 70 bis 80 Prozent aus den USA.“
Ransomeware-Angriffe sei ein weiteres Stichwort, das enorm an Bedeutung gewonnen hat. Dabei geht es um Erpressungssoftware, mit der 2022 allein in Deutschland ein Schaden von rund 25 Milliarden Euro angerichtet wurde. Betroffen seien davon nicht allein große Konzerne, sondern auch Schulen, Krankenhäuser, selbst kleine Bäckereien, wie Vogel ausführte. Sein Tipp: Die Software auf den eigenen Rechnern immer auf dem neuesten Stand halten, „das ist gut investiertes Geld, um sich zu schützen“.
Ebenfalls erschreckend: „Die Zahl der Reichsbürger hat massiv zugenommen.“ Ebenso wie die Gewalt gegen Polizisten – im Landkreis Reutlingen sogar um 26 Prozent auf 122 Fälle. Allerdings relativiert sich das wieder ein wenig, wenn man den Vergleich zum Landkreis Esslingen heranzieht: Dort waren es sogar 231 Fälle von Gewalt oder Widerstand gegen Polizeibeamte.
INFO:
Kriminalität 2022 im Landkreis Reutlingen
Im vergangenen Jahr wurden im Kreis Reutlingen insgesamt knapp 13 000 Straftaten begangen, was einer Zunahme von etwa 17 Prozent entsprach. Hinzu kamen rund 3000 Straftaten, die vom Ausland aus im Kreis verübt wurden (siehe obigen Text): Auch hier gab es eine starke Zunahme um 24 Prozent. Insgesamt stiegen die Zahlen damit (ebenso wie im ganzen Land und im Bereich des gesamten Polizeipräsidiums) annähernd auf Vor-Corona-Niveau. Zugenommen hat auch die Zahl der Fahrraddiebstähle, in der Stadt Reutlingen gar um 198 Fälle auf insgesamt 506. Und dennoch: Reutlingen ist nach wie vor die sicherste Stadt im Land.