Schwörtag in Reutlingen: „Das finanzielle Tal der Tränen“

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Reutlinger Schwörtag am vergangenen langen Wochenende lockte mit einer Vielzahl an Veranstaltungen von Mittelaltermarkt, Vortrag, viel Musik und Rede des Oberbürgermeisters Thomas Keck

 „Meinem befohlenem Ambt mit Treue und Fleiß, in aller Sorgfältigkeit vor zustehen, der Statt, dem Land und ganzem Vatterland jeder Zeith alle treu und wahrheit zu leisten“, gelobte Oberbürgermeister Thomas Keck am Sonntagmittag abschließend in seiner Schwörtagsrede.

Doch, was war das insgesamt für ein Wochenende. Was für eine geballte Vielfalt an unterschiedlichsten Veranstaltungen und Aktivitäten. Begonnen hatte der Schwörtag ja bereits am Freitagabend mit einem Vortrag zum Thema „Starke Kommunen, starker Mittelstand“. Dabei setzte Prof. Hans Jörg Hennecke auf „die kreativen Kräfte der kleinen Einheiten“ und erläuterte auch, warum. Ganz anders ging’s am Samstag weiter – da lockte erneut der Mittelaltermarkt, der auch schon am Freitag die Tore geöffnet hatte.

Abends begeisterte dann die Stadtkapelle mit Volksmusik, Swing, Pop und Rock – was danach die erste-Sahne-Band „Karaboom“ aufgriff und den Besuchern auf dem ehemaligen Schwörhof beim Friedrich-List-Gymnasium noch mehr einheizte. Die Temperaturen waren ja wahrlich sommerlich, was aber dem Spaß und der Tanzlust des Publikums keinen Abbruch tat. Um 22 Uhr 15 musste die Feier jedoch aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden – Blitz und Donner hatte sich über Reutlingen ausgebreitet.

Am Sonntag schließlich bei nicht mehr ganz so heißen Temperaturen erneut der Mittelaltermarkt und dann das „Große Bürgerfest“ – gestartet wurde mit den Turmbläsern auf dem Marienkirchen-Turm. Es folgte ein Ökumenischer Gottesdienst mit anschließendem Festzug der Festgemeinde zum List-Gymnasium. Fahnenflaigen, der Auftritt unterschiedlicher Gruppen wie die Donauschwäbische Tanz- und Folkloregruppe, das Bosch Swing & Dance Orchestra und auch Darbietungen des Naturtheaters folgten.

Natürlich war auch reichlich für Essen und Trinken gesorgt, als zentraler Punkt des Schwörtags erwies sich aber die Rede von Oberbürgermeister Thomas Keck. Darin beklagte er vor allem die „desaströse“ Finanzlage der Stadt: Finanzbürgermeister Roland Wintzen habe Reutlingen im Vergleich zu anderen Städten vor kurzem als „Fiat unter den Ferraris und Lamborghinis“ bezeichnet. Einmal mehr verwies Thomas Keck in seiner Schwörtagsrede darauf, dass Reutlingen als eigener Stadtkreis deutlich besser dastehen würde als jetzt: Vier bis neun Millionen Euro mehr hätte die Stadt dann in der Kasse, jährlich, behauptete der OB.

Die zu geringen Gewerbesteuereinnahmen trügen mit zu der schlechten Finanzsituation der Stadt bei. Allerdings gebe es auch Grund zur Hoffnung: Firmen wie Kion, Porsche und Bosch würden kräftig in Reutlingen investieren, wie Keck ausführte. Aber: „Bis die Stadt aus dem finanziellen Tal der Tränen herauskommt, ist es noch ein steiniger Weg.“ So habe der Gemeinderat in der vergangenen Sitzung erst erneut eine Haushaltssperre verabschiedet.

Ebenfalls wenig hoffnungsvoll sei die Situation des Einzelhandels in der Stadt, die quasi unter „Long-Covid“ leide. Hinzu komme der Klimawandel, dessen Folgen auch in Reutlingen angekommen sind. Die Stadt tue viel, um Reutlingen resilienter zu gestalten, allerdings sei diese Aufgabe auch eine gesamtgesellschaftliche. Als wollten die Glocken der Marienkirche diesen Punkt unterstreichen, tönten sie genau bei diesem Punkt zum 12-Uhr-Läuten.

„Was wir jetzt schon erleben, ist harmlos im Vergleich zu dem, was jedem Baby bevorsteht, das heute das Licht der Welt erblickt“, so Keck. Laut Weltklimarat müssen die heute Geborenen im Alter von 65 Jahren mit einer Temperaturerhöhung von 2,6 Grad leben – mit all den Folgen wie Wasser- und Lebensmittelknappheit. Und unvorstellbaren Flüchtlingswanderungen.

Geflüchtete gebe es aber heute schon: Das Sozialamt der Stadt betreue derzeit 1500 Menschen – die notwendige Unterstützung von Bund und Land bleibe jedoch aus. Auch im Bereich des Wohnungsbaus. „Ich fühle mich da alleingelassen“, sagte der Rathauschef. Und dennoch: Es werde viel getan, um die Stadt lebenswert zu gestalten. So werden etwa 2,3 Millionen Euro Zuschuss vom Bund in Reutlingen investiert. Außerdem werde das „gemeinsame Ziehen an einem Strang dabei helfen, die unterschiedlichsten Krisen zu überwinden“, betonte OB Keck.

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