Mit Skepsis und Zweckoptimismus

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Mitgliederversammlung des Vereins der Gedenkstätte Grafeneck. Vorsitzender Mike Münzing präsentiert schwierige Finanzierung einer Schlosssanierung

Klar ist im Moment, dass nichts klar ist. Das aber schon seit rund zwei Jahren, wie Mike Münzing am Samstagnachmittag bei der Mitgliederversammlung des Vereins der Gedenkstätte Grafeneck mitteilte. Zwar hätten Land und Bund eine Zusage zur Mitfinanzierung des Umbaus und der Sanierung des Schlosses zu einem Bildungszentrum gegeben. Die Gelder seien sogar schon im Haushalt eingestellt, aber: Das sei schon rund zwei Jahre her.

Was sich seitdem getan habe, sei alles andere als lustig. „Wir waren mehr als einmal kurz davor, die ganze Sache aufzugeben“, gestand der Vereinsvorsitzende in Grafeneck. Das Problem? Um die Bedingungen für die Förderung des Projekts zu erfüllen, seien ständig neue Vorgaben aufgestellt worden. Vorgaben, die jeweils einen immensen Aufwand erfordert hätten.

Wie etwa Angaben über Brandschutz, Statik, andere architektonische Fragen, bis hin zu der Bedingung, dass europaweite Ausschreibungen der Leistungen notwendig seien. Oder auch nicht. „Zuletzt hieß es, dass wir nicht europaweit ausschreiben müssten, dafür hätten wir die Planungskosten von rund 800 000 Euro selbst zu tragen“, berichtete Münzing. Ein anderes Mal habe es geheißen, der Verein müsse Schloss-Eigentümer sein, damit die Fördermittelzusage erteilt werden könne. „Die Übergabe ist bisher aber auch noch nicht erfolgt.“

Die Samariterstiftung müsse als bisheriger Besitzer noch einige Dinge klären: Eigentlich dürfe das Schloss nur mit der dazugehörigen Landwirtschaft verkauft werden, so der Vereinsvorsitzende. Außerdem gehöre Wald zum Schloss dazu. Und Wasserrechte. Und anderes mehr. „Wir können unserer Gedenkstätten-Geschäftsführung kaum zumuten, dass sie auch noch Land- und Forstwirtschaft betreibt“, sagte Münzing.

Und die Kosten für das alles? Insgesamt 4,5 Millionen Euro stehen auf dem Papier. Zusagen vom Land gebe es über 1,4 Millionen, dazu komme eine halbe Million von der Samariterstiftung, quasi als Mitgift oder „Brautgeld“, so Münzing. 200 000 Euro kämen über die Kirchen in Baden-Württemberg hinzu. Macht unterm Strich 2,1 Millionen, der Bund wolle die gleiche Summe obendrauf geben. Die Gedenkstätte Grafeneck müsse dann noch 300 000 Euro an Eigenmitteln aufbringen. „Das wäre machbar.“ Allerdings müssten die Fördermittel auch irgendwann tatsächlich fließen.

Damit aber nicht genug des Aufwands: So ein Schloss zu unterhalten, sei ja auch nicht gerade billig. Und der Verein könne das Geld natürlich nicht aufbringen. Mike Münzing hatte eine Rechnung aufgemacht, „das sind aber alles Annäherungen“. Heraus kamen dabei: 280 000 Euro. Jährlich. „Das ist so viel, wie wir heute für unsere 3,5 Personalstellen pro Jahr brauchen.“ Für das Schloss werde ebenfalls Personal gebraucht, Reinigungskräfte, Hausmeister, dazu Wasser, Strom, Versicherungen, Müll, TÜV für den Aufzug und noch viel mehr. „Wir sprechen also von einer Verdopplung des Budgets, das wir künftig brauchen“, sagte Münzing. „Wir sind in Gesprächen mit dem Land, um den satzungsgemäßen Auftrag mit einem neuen Bildungs- und Ausstellungszentrum erfüllen zu können.“

Nach den Worten von Gedenkstätten-Geschäftsführer Thomas Stöckle seien Land und Bund immerhin die Rechtsnachfolger des Unrechtsregimes, das im Jahr 1940 mehr als 10 000 Menschen in Grafeneck ermordet hatte. „Jetzt besteht die einmalige Chance, dass aus dem Schloss eine moderne Bildungseinrichtung wird – allerdings besteht auch weiter die Skepsis, dass das ganze Projekt scheitern könnte.“ Ähnlich hatte sich auch Münzing geäußert: Trotz aller ungeklärten Fragen verbreite er weiter „Zweckoptimismus – weil ich auch gar nicht weiß, wo die Alternative sein könnte“.

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