Jobpaten – Absolut keine einseitige Sache

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„Anfangs habe ich schon gedacht, dass ich Tausend andere Sachen lieber machen würde, als zusammen mit meinem Paten Mathe zu lernen“, gestand Tobias ganz freimütig beim Pressegespräch.

Doch irgendwann, „ziemlich bald, nach ein paar Treffen, habe ich kapiert, dass mir die mathematischen Grundlagen fehlen“ – und wenn er die nicht nachgeholt hätte, wäre das mit dem Hauptschulabschluss wohl nichts geworden. „In der Prüfung habe ich dann eine glatte Eins geschrieben“, sagt er sichtlich stolz. Nun steht er vor seiner Realschulabschlussprüfung, danach will er auf die Kerschensteinerschule gehen, die Fachhochschulreife machen.

Solche Erfolgsgeschichten sind nicht unbedingt die Regel bei der Tätigkeit, die Schul- und Jobpaten über die Reutlinger Plattform „Lebenswert“ übernehmen. Aber sie kommen immer mal wieder vor. 23 solcher Paten sind es momentan, „und es haben sich für das kommende Schuljahr jetzt schon 28 Schülerinnen und Schüler von der Eduard-Spranger-Schule oder auch der St. Wolfgangschule gemeldet, die Unterstützung bräuchten“, sagt Paten-Koordinator Otto Haug. Weitere ehrenamtlich Engagierte werden also gesucht. Und dringend benötigt.

Die jüngste Schulpatin bei „Lebenswert“ ist Saskia Rajan, seit rund einem Jahr unterstützt sie ein 15jähriges Mädchen, vor allem in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathe. Aber auch bei anderen Fragen – etwa wie sich die Schülerin bei Mobbing verhalten könnte oder wie das mit einem Mini-Job ist. „Viele Paten geben auch Lebenshilfe“, betont Otto Haug. Dabei gehe es aber gar nicht um Patentrezepte, sondern vielmehr darum, den Jugendlichen zuzuhören, ihren Gedanken und Problemen Raum zu geben, betont Rajan. Sie selbst hat schon während ihres Studiums Nachhilfe gegeben, dazu internationalen Studierenden geholfen hier anzukommen.

Jürgen Gräb macht diesen „Job“ als Schulpate schon seit sechs Jahren, Tobias hilft er seit zwei Jahren. „Das ist absolut keine einseitige Sache, dass nur die Schüler profitieren“, betont der Diplom-Nachrichtentechniker im Ruhestand. „So eine Tätigkeit hilft dabei, selbst fit zu bleiben“, sagt Gräb. Zum einen seien da die regelmäßigen Treffen, die mit den Schülern vereinbart werden. „Aber ich muss mich ja auch auf die Stunden vorbereiten, mich selbst fragen, wie vermittle ich den Lehrstoff am Besten, damit Tobias das versteht.“

Mit der Verbindlichkeit sei es nicht immer so ganz einfach, sagt Rajan. Was aber nicht für Tobias gilt, „ich habe nach den ersten Erfolgen in den Klassenarbeiten kapiert, worum es geht“, sagt er. Mittlerweile schreibe er in Mathe immer Noten zwischen 2 und 3. Alle anderen Fächer seien für Tobias kein Problem, nur eben bei Mathe hake es immer mal wieder. Für bezahlte Nachhilfe sei in seiner Familie kein Geld da „und meine Eltern können mir auch nicht wirklich in Mathe helfen“, sagt Tobias. Für ihn sei die Unterstützung durch Jürgen Gräb extrem wertvoll, „aber ich musste es halt erst kapieren“, sagt Tobias. „Und auch wollen.“

Im Juni gibt es das erste Treffen zwischen den Patinnen, Paten sowie den 28 Schülerinnen und Schülern aus den 8. Klassen – zusammen mit den Lehrern. „Die Zusammenarbeit mit der Schule klappt richtig gut“, sagt Gräb. Bis zum September können sich laut Haug die Schüler die Sache noch mal überlegen, „dann legen die Tandems los“. Dabei geht es um Eins-zu-Eins-Betreuungen, so was könnten die Lehrer in der Schule gar nicht leisten. Aber: „Eigentlich wäre das, was wir hier schon seit 17 Jahren als Jobpaten tun, Aufgabe des Staates“, betont Otto Haug. „Anfangs haben wir zu 80 Prozent geschaut, dass wir die Jugendlichen von der Schule in eine Ausbildung bringen – heute geben wir zu 80 Prozent Nachhilfe und versuchen, die Schüler zu einem erfolgreichen Schulabschluss zu bringen.“

Allerdings helfen die Patinnen und Paten auch bei Bewerbungen, bei der Suche nach Praktika oder Ausbildungsplätzen. „Wir haben da mittlerweile schon ein großes Netzwerk.“ Ehrenamtliche sind IT-Consultant wie Rajan oder sie waren Arzt und Ingenieure. Zwei Drittel der Paten sind im Ruhestand, ein Drittel noch berufstätig. „Zwei Drittel der Schüler haben einen Migrationshintergrund, da sind die Themen Sprache, aber auch Kultur immer wieder Knackpunkte“, so Haug. Viele Schüler könnten „ganz ordentlich Deutsch sprechen“, verstehen aber Mathe-Textaufgaben nicht. Oder sie könnten kein ganzes Buch auf Deutsch lesen. Personen, die an der Tätigkeit der Schul- und Jobpaten interessiert sind, sollten eine gewisse Menschenkenntnis mitbringen „und auch eine gewisse Frustrationstoleranz“, sagt Gräb schmunzelnd. Denn nicht immer würden Schülerinnen oder Schüler durch die Hilfe solch eine Motivation entwickeln wie Tobias das getan hat.

INFO:

Interesse an der Tätigkeit als Job- und Schulpate?

 Wer Interesse an einer Tätigkeit als Schul- und Jobpate hat, kann sich entweder bei Otto Haug (Email: ) melden oder bei Sabine Sinzger (Email: ).

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