Roter Teppich in der Reinigung

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Kilchberger Frauen-Duo hat in fünf Monaten mehr als 160 000 Euro zur Unterstützung der Tübinger Tafel gesammelt

Eigentlich ging es Hagar Steiff anfangs darum, die sogenannte „Energiepauschale“ zu spenden, die alle Beschäftigten im vergangenen September erhalten haben. „Ich brauchte die 300 Euro nicht.“ Der Betrag sollte nach der Vorstellung der Tierärztin an Menschen gehen, die Hilfe am nötigsten brauchen. Schnell fand sie in Kilchbergs Ortsvorsteherin Bettina Koschtjan jemanden, die von dieser Idee genauso fasziniert war – und die den Weg zum Verein „Pro Kilchberg“ ebnete.

Schließlich war eine Institution vonnöten, die Spenden annehmen, verbuchen und weiterleiten durfte. Und wer sollte das Geld dann erhalten? „Wir dachten, dass über die Tafel in Tübingen Hilfe am direktesten bei Bedürftigen ankommt“, so Steiff. Schnell kamen ab Oktober vergangenen Jahres ein paar tausend Euro zusammen, die Unterstützung von Kilchbergern (wir berichteten) war groß.

Hinzu kam eine Tübinger Weihnachtsspendenaktion – mit dem unglaublichen Ergebnis von 136 000 Euro. Insgesamt verbuchte der Verein bis heute mehr als 160 000 Euro. Doch damit nicht genug: Das Frauen-Duo hat zudem ein Netzwerk an regionalen Produzenten gesucht und gefunden, die ihre Waren zu fairen Preisen abgeben. „Gerade Hofläden, Landwirte und Bio-Produzenten haben in den vergangenen Monaten gelitten“, erklärt Hagar Steiff. Warum? Durch den Ukraine-Krieg und die Inflation schauen Verbraucher mehr auf den Cent – Bio-Eier, Bio-Gemüse, regional hergestelltes Mehl, Molkereiprodukte wurden deutlich schlechter nachgefragt als noch während der Corona-Pandemie. „Die Hersteller haben alle einen massiven Einbruch erlebt.“

Bio-Eier aus Rottenburg, Fleischerei-Artikel aus Hirschau, Kartoffeln aus dem Kilchberger Hofladen, Mehl von der Mühle in Unterjesingen sowie Milch und Joghurt aus Münsingen und Bodelshausen – alles hochwertige Ware, die aber das Kilchberger Duo zu reduzierten Preisen erhält. Die Molkereiprodukte werden zum Kilchberger Hofladen angeliefert, so dass die Kühlkette aufrechterhalten bleibt. „Im Sommer muss die Tafel die Wurst- und Fleischwaren in Hirschau wohl selbst mit ihren Kühlwagen abholen“, betont Hagar Steiff. Die Logistik hinter dem Projekt ist faszinierend.

In Kilchberg haben die beiden engagierten Frauen zudem ein Team aufgebaut, das sich mit elf Fahrern jeden Dienstag abwechselt und die Waren bei den jeweiligen Stellen abholt und dann zur Tafel fährt. Vergangene Woche hat Tochter Rahel Steiff ausgeholfen, weil Ortsvorsteherin Koschtjan verhindert war. Jede Woche liefern die Kilchberger Waren im Wert von mehr als 2000 Euro an die Tafel. Mit dabei sind mittlerweile auch Hygieneartikel wie Damenbinden, Shampoo, Zahnpasta und anderes. Auch im Drogeriemarkt erhalten Steiff und Koschtjan Rabatt – alles eine Verhandlungsfrage.

Als am Dienstag vergangene Woche alle Waren eingesammelt waren, werden Hagar und Rahel Steiff bei der Tafel in Tübingens Neubaugebiet am ehemaligen Güterbahnhof schon freudig erwartet. „Unser roter Teppich ist heute leider in der Reinigung“, kalauert einer der ehrenamtlichen Helfer des Tafel-Vereins. Schnell sind der Anhänger und all die Waren aus dem Kombi ausgeladen, nun müssen sie sortiert und in die Regale gepackt werden.

Der Tafel-Vereinsvorsitzende Reinhardt Seibert betont: „Wir sind überglücklich über diese Hilfsaktion aus Kilchberg.“ Laut den Tafel-Statuten darf der Verein keine Lebensmittel zukaufen. Weil ja die Tafel ursprünglich angetreten war, um Lebensmittel zu retten, die ansonsten in den Supermärkten, Bäckereien, Discountern weggeworfen würden. „Wir erhalten aber immer weniger Waren, weil die Supermärkte mittlerweile selbst mehr darauf achten, dass weniger weggeworfen wird“, so Seiberth.

Eigentlich widerspricht somit auch die Aktion von Steiff/Koschtjan dem Gedanken der Lebensmittelrettung, aber: „Mit den vielen zusätzlichen Geflüchteten aus der Ukraine hatten wir immer weniger Waren, aber immer mehr Hilfsbedürftige.“ Rund 30 000 Euro haben die Kilcherberger Frauen bisher ausgegeben, um der Tübinger Tafel unter die Arme zu greifen. „Das Geld, das wir bisher haben, reicht bis zum Frühjahr 2024“, sagte Hagar Steiff. „Wir könnten natürlich den wöchentlichen Betrag erhöhen, dann würde er aber nicht so lange ausreichen.“

In der Tafel hieß es, dass zum Beispiel Damenbinden extrem begehrt sind. „Könnt ihr dann nicht mehr davon kaufen“, fragt Tochter Rahel. Darüber könne man nachdenken, sagt die Mutter. Und: Vielleicht kommen ja noch weitere Spenden herein. „Eine Frau aus Kilchberg hat schon gefragt, ob sie mal wieder was spenden soll“, sagt Hagar Steiff schmunzelnd. Insgeheim freut sie sich wie Bolle, dass die Idee ihrer Spendenaktion auf so großen Widerhall traf. Ein wenig stolz ist die Tierärztin auch. Zu Recht.

 

INFO:

Spenden an die Aktion für die Tübinger Tafel

 Wer die Initiative der beiden Kilchber-ger Frauen unterstützen will, kann das tun, an den Verein „Pro Kilchberg“ mit der IBAN: DE50 6415 0020 0001 2657 72 bei der KSK Tübingen, Stichwort »Spende an Tübinger Tafel«.

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