Besser ein kleines Licht anzünden

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Das Reutlinger Ehepaar Claußnitzer war im vergangenen November erneut in Nepal, um den Menschen in Himalay-Bergdörfern zu helfen. Film über die Hilfe ist auf Youtube zu sehen

„Wir sind mittlerweile im 14. Jahr unserer Nepal-Hilfe“, sagt Anne Claußnitzer. Warum sie immer wieder diese manchmal halsbrecherischen Touren im hintersten Winkel der Welt leisten? „Na, um den Menschen in den abgelegenen Himalaya-Tälern zu helfen“, sagt der Arzt Dr. Rainer Claußnitzer. Oftmals sind noch weitere Ärzte aus der hiesigen Region, Krankenschwestern oder andere Unterstützer dabei, um jenen kranken und verletzten Menschen in Nepal zu helfen, an die sonst niemand denkt. Die auch vom eigenen Staat kaum Hilfe erhalten.

Zumindest nicht, wenn sie die rettende Hilfe nicht bezahlen können. Krankenversicherung sei in dem Land fast generell ein Fremdwort. „Wir haben jetzt im vergangenen November eine Frau getroffen, die schwer krebskrank war, sie wurde nach drei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen – weil sie die Chemotherapie nicht bezahlen konnte“, berichtet Rainer Claußnitzer. Solche Schicksale hat das Ehepaar viele erlebt. Bei den bislang 13 Reisen ins Nepal-Gebirge sind ihnen unzählige schreckliche Schicksale begegnet – aber noch viel mehr Menschen konnten sie helfen. Vor kurzem erst einer Frau, die schwerste Verbrennungen an Armen und Beinen hatte.

„Heißes Wasser hatte sie verbrüht“, sagt Anne Claußnitzer und zeigt Bilder, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. „Manche Leute sind drei Tage zu Fuß in den Bergen unterwegs, um zum nächsten Health Post zu kommen“, weiß auch Krankenschwester Claudia Stall, die schon dreimal mit in Nepal war. So manche Krankenstation hat das Team um Claußnitzers mit der Unterstützung des Reutlinger Vereins Nepali Rotznäschen unterstützt oder gar aufgebaut. Der ein oder andere Health Post habe sich prächtig entwickelt, andere gar nicht. „Man braucht eine große Frustrationstoleranz, um diese Arbeit machen zu können“, sagt der ehemalige Chefarzt der Gefäßchirurgie am Reutlinger Kreisklinikum.

Im Lauf der Jahre ist Anne und Rainer Claußnitzer aber ein dickes Fell gewachsen. „Wir haben eine steile Lernkurve erlebt.“ So manche Erfahrung mit Korruption hätten sie gemacht. Das Paar traf aber auch auf extrem versierte und vertrauenswürdige Mitstreiter vor Ort, auf eine NGO (Nicht-Regierungsorganisation), auf eine Hebamme, die sich nicht nur auskennt, sondern sich auch für die Hilfe aufopfert. „Ohne die Menschen vor Ort wäre gar nichts möglich“, sagt der Arzt.

Ein wichtiger Teil der Touren seien stets die Fahrer, die sich in den Himalayatälern auskennen – wenn etwa links der tödliche Abgrund wartet und rechts die Felswände steil hinaufragen. Wenn der Monsun Straßen weggeschwemmt hat und der Weg nur durch reißende Flüsse zu bewältigen ist. „Ach, wir haben immer sehr gute Fahrer gehabt“, winkt das Ehepaar ab.

In den kleinen Dörfern, die sie jeweils ansteuern, warten oftmals wahre Menschenmengen auf die Hilfe von „Dr. Rainer“. Die Patienten kommen zum Teil nach Tagesmärschen zu dem Health Post, mit leichten Wunden bis zu schwersten Karzinomen, schlecht verheilten Brüchen, Hautkrankheiten und noch viel mehr. „Beim letzten Mal brauchten wir sogar die Polizei, um den Andrang zu regeln“, sagt Anne Claußnitzer. Doch „Dr. Rainer“ leistet nicht nur akute Hilfe, das Personal vor Ort wird auch geschult, in Erster Hilfe und auch für Entbindungen. „Der Bereich hat sich richtig gut entwickelt.“

Die Hilfe, die das Ehepaar zusammen mit dem Team leistet, rettet oftmals Leben. „Manchmal müssen Kinder weit entfernt in die nächste Klinik gebracht werden, mit dem Jeep oder mit einem Motorrad – die kommen überall hin.“ Die Finanzierung solcher Hilfen übernimmt Nepali-Rotznäschen. „Wir haben mittlerweile ein ganz gutes Netzwerk aufgebaut“, sagt Rainer Claußnitzer. „Die Schere in Nepal zwischen Reich und Arm klafft gigantisch weit auseinander“, sagt Anne Claußnitzer. „Wir haben manchmal schon gesagt, wir sollten mal ein Flugzeug voller unzufriedener Deutscher mit nach Nepal nehmen“, sagt die Krankenschwester und lacht.

Wie lange das Paar die jährlichen Hilfstouren noch leisten kann? „Wir werden sehen, solange es körperlich geht“, sagt der Arzt. Aber: Nach und nach entwickle sich das Netzwerk vor Ort immer besser, sagt Anne Claußnitzer. „Es ist ja unser Ziel, dass die Menschen dort selbst laufen können.“ Hilfe zur Selbsthilfe. Das Paar hat Hoffnung. „Konfuzius hat gesagt: Es ist besser, ein ganz kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.“

INFO:

Film über Nepal-Hilfe auf Youtube

Vor kurzem lief im Reutlinger „Kamino“ in drei ausverkauften Vorstellungen der Film „Einsatz in Nepal“, ein Dokumentarfilm von Joachim Stall über die Reise der Claußnitzers und ihr Team im November 2021. „Wir wurden völlig überrollt von dem Andrang“, sagt Rainer Claußnitzer. In stundenlanger Arbeit hat Stall zusammen mit seiner Frau Claudia, die als Krankenschwester ebenfalls mit in Nepal war, die sechs Sunden Filmmaterial auf rund 45 Minuten verkürzt. Der beeindruckende Streifen ist nun auf Youtube zu sehen, unter https://www.youtube.com/watch?v=WaxfAko3LQM. Weitere Informationen über die Nepal-Hilfe gibt es auf der Homepage www.nepali-rotznaeschenmed.de. Spenden für die Hilfe in Nepal können auf das Konto des Vereins Nepali Rotznäschen gehen, IBAN: DE53 6406 1854 0064 4430 27 bei der Volksbank Tübingen.

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