„Gut, dass es die Schöffen gibt“

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Ehrenamtliche sind als Laienrichter für den hauptberuflichen Richter Eberhard Hausch eine Bereicherung

Im laufenden Jahr werden erneut die Schöffen für die Gerichte im Land bestimmt. „Ab dem 1. Januar 2024 beginnt die Periode für die neu gewählten Schöffen“, erläutert Berufsrichter Eberhard Hausch, der als Vorsitzender des Schöffengerichts am Reutlinger Amtsgericht wirkt. Gewählt werden können durch einen „Schöffenwahlausschuss“ im Landkreis Personen, die mindestens 25 und höchstens 69 Jahre alt sind. „Sie müssen deutsche Staatsangehörige sein, der deutschen Sprache mächtig und dürfen keine Vorstrafe wegen eines Verbrechens haben“, so der hauptamtliche Richter.

In Baden-Württemberg gebe es 108 Amtsgerichte, in Reutlingen hätten sich vor der letzten Wahlperiode mehrere hundert Kandidaten für das Schöffenamt beworben, so Hausch. Eine Liste geht dann an den Reutlinger Gemeinderat, der bestätigt die Kandidaten dann oder es könne auch gegen einzelne Bewerber Einspruch eingelegt werden. Der besagte Schöffenwahlausschuss aus dem Landkreis entscheidet schlussendlich, wer künftig als Schöffin oder Schöffe am Amtsgericht in Reutlingen tätig werden darf. Für den AMtsgerichtsbezirk Reutlingen gebe es dabei 18 Stellen zu besetzen, für Bad Urach sieben und für Münsingen fünf.

Verhandelt werden laut Hausch beim Schöffengericht mit einem Berufs- und zwei Laienrichtern jährlich zwischen 130 bis 140 Fälle von Diebstahl über Sexualstraftaten bis hin zu schweren Körperverletzungen und Drogendelikten – immer dann, wenn Strafen von mehr als zwei Jahren in Betracht kommen. Genau dann sind keine Bewährungsstrafen mehr möglich. Pro Jahr sind pro Schöffe nicht mehr als zwölf Fälle zu verhandeln, sagt Eberhard Hausch. Und wenn mal jemand ausfällt, aus irgendwelchen Gründen verhindert ist? Grundsätzlich gelte: Eine Schöffin oder ein Schöffe muss bei Verhandlungen, zu denen sie ausgelost wurden, anwesend sein. Ausreden wie unaufschiebbare Termine gebe es nicht. „Einmal sind wir sogar mit Staatsanwalt, Verteidiger, Angeklagtem zur Schöffin Gisela Wörz in die Klinik nach Ulm gefahren und haben dort in der Cafeteria eine Verhandlung fortgesetzt“, erinnert sich Eberhard Hausch (siehe auch Artikel auf der Ermsseite)

Schöffinnen und Schöffen müssen bei den Verhandlungen jeweils genauso wie der Berufsrichter der Frage nachgehen, ob der Angeklagte der Täter und welches Strafmaß angemessen ist. „Der Besitz von Kinderpornographie etwa ist vom Gesetzgeber mit dem Strafmaß deutlich heraufgesetzt worden und liegt jetzt bei mindestens einem Jahr“, so Hausch. Während rund 40 Prozent aller Fälle sich um Straftaten im Betäubungsmittelbereich liegen, „kommen Sexualstraftaten gar nicht so häufig vor“, betont der Richter. „Aber diese Fälle bleiben meist in der Erinnerung hängen.“ Übrigens seien 93 Prozent aller Angeklagten männlich, nur 7 Prozent weiblich.

„Ich bin heilfroh über lebenserfahrene Schöffen“, betont Eberhard Hausch. In den zurückliegenden fast 20 Jahren habe er die Erfahrung gemacht, dass Schöffinnen zumeist deutlich konzentrierter an den Fällen dran sind als ihre männlichen Kollegen. „Männer versuchen sich als Laienrichter immer mal wieder abzulenken und unterhalten sich dann auch schon mal übers Baumschneiden“, schmunzelt der Berufsrichter. Für ihn sei aber eines ganz klar: „Ich wollte die Verhandlungen im Schöffengericht nicht allein machen – gut, dass es Schöffen gibt.“ Und das gelte auch, obwohl Hausch jeweils versuche, die Verhandlungen vorab zu strukturieren – damit die Meinungen der Laienrichter durch eine Aussage eines Zeugen möglichst nicht zu sehr in die eine oder andere Richtung gelenkt werde. Schließlich haben die Schöffinnen und Schöffen keine Akteneinsicht. Sie urteilen nach dem, was sie in der Verhandlung hören.

Natürlich müsse der hauptamtliche Richter den Schöffen viel erklären – es lohne sich jedoch immer, wenn zwei Personen mehr auf die jeweiligen Fälle draufschauen. Auch oder vielleicht gerade aus einem anderen, nicht-juristischen Blickwinkel. Zwar bestehe die Möglichkeit, dass die beiden Schöffen ihn als Berufsrichter überstimmen – schließlich hat ihre Stimme genauso viel Gewicht, wie die des Berufsrichters. Vorgekommen sei das aber bislang in seinen Verhandlungen am Schöffengericht so gut wie nie, sagt Eberhard Hausch.

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