Haarschnitt mit Geruchsinferno

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Endlich mal wieder ein freier Vormittag. Endlich Zeit, die Haare kürzen zu lassen, sie sind lang.

Ich beschloss, erneut zu dem Frisier-Salon zu gehen, bei dem ich das letzte Mal auch war. Im Frisier-Boulevard Reutlingens, in der Metzgerstraße. Ich laufe zu dem Laden und denke: Boah, alles voll, da stehen die Leute ja Schlange bis auf die Straße. Also gehe ich ein Haus weiter, in der Metzgerstraße sind ja mindestens zwölf Frsier-Salöner, wenn nicht noch mehr. Als ich mich nähere, erkenne ich: Das ist doch genau der arabisch anmutende Laden, zu dem ich will. (Sind ja auch nicht so ganz leicht zu unterscheiden, fast alle sehen sie gleich aus. Und innendrin bedienen fast in jedem Salon stets vollbärtige junge Männer die Kundschaft.)

„Mein“ Friseur vom letzten Mal erwartet mich schon auf der Straße, ich sage: „Haben Sie Zeit?“ Er meint, so wortkarg wie er schon beim vergangenen Mal war – und es klingt fast wie eine Drohung: „Aber sofort.“ Ich gehe mit ihm hinein, er stellt sich hinter einen der insgesamt sechs bis acht Stühle auf. Ich nehme Platz, er sieht mich fragend im Spiegel an. Sagt aber kein Wort. Ich antworte auf den fragenden Blick: „Seitlich kurz, oben ein klein wenig länger.“ In 20 Minuten bin ich ohne ein Wort durchfrisiert, meine grauschwarzen Locken haben sich im gesamten Salon auf dem Boden verteilt. Fast tun sie mir ein wenig leid, zierten sie doch vor Minuten noch meinen Kopf. Der junge Mann hält den Spiegel hinter mich, ich betrachte mich im doppelten Spielgel und sage: „Gut. Sehr gut.“ Er entgegnet ganz trocken: „Klar“ und grinst mich quasi über Eck an.

Das Wichtigste hätte ich jetzt aber fast vergessen: Kurz bevor der friesierende Meister wortlos zur Entfernung meiner Lockenpracht schreitet, wirft er noch einen Kaugummi ein, nuschelt irgendwas dazu. Nach der ersten Atemwolke von ihm weiß ich Bescheid: Eine extrem intensive Mischung aus Knoblauch, kaltem Zigarettenrauch und Kaugummi umweht mich die folgenden Minuten. Ein Wunder, dass meine abgeschnittenen Haare nicht wie Steine zu Boden fallen, um diesem Geruchsinferno schneller zu entkommen? Wahrscheinlich sind Haare doch nicht so geruchsempfindlich wie Nasen, denke ich. Aber: Ich hab’s überlebt. Ohne unnötige Worte. Ohne erzwungenen Smalltalk. Wunderbar. Nicht auszudenken, wenn der gute Mann sich als Plaudertasche entpuppt hätte. Ich wäre bewusstlos im Frisierstuhl zusammengesackt. Der Notarzt hätte mich wiederbeleben müssen.

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