Über Tabus spricht man nicht

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Es begab sich vor rund 14 Jahren, da saß ich eines Tages in einer Arztpraxis und tat dort, was man halt so tut – ich habe in Zeitschriften geblättert. Die folgende Glosse berichtet davon:

Es gibt Themen, um die werden in der Öffentlichkeit große Bögen geschlagen. Die werden verdrängt, die spricht niemand an. Der Tod gehört dazu. Oder schwere Krankheiten wie Krebs. Nun begab es sich allerdings vor wenigen Tagen, dass der Schreiber dieser Zeilen wegen einer Kleinigkeit in einer Arztpraxis im Wartezimmer weilte. Was tut man in so einem Raum, in dem man gezwungen ist, mitunter mehrere Stunden auszuharren? Um sich die Zeit zu vertreiben, widmet man sich den Zeitschriften, die meist in großer Zahl anzutreffen sind. Der „Stern“ zählt in Arzt-Wartezimmern meist schon zu den anspruchsvolleren Werken der Druckkunst. In eben solch einer Ausgabe fesselte ein Bild die Aufmerksamkeit des Betrachters: Darauf zu sehen war eine fantastische Nahaufnahme zweier Erdhörnchen, die sich offensichtlich bekämpften. Die erklärenden Zeilen dazu: „Gewalt unter Erdhörnchen – ein lange tabuisiertes Thema.“ Donnerwetter, denke ich. Wie konnte es nur passieren, dass ich von diesem Tabu noch nie etwas gehört habe? „Oh, du Schlafmütze“, flüstert mir meine innere Stimme zu. „Wie willst du davon erfahren haben, wenn es doch niemand anspricht.“ Da ist was dran. Dem „Stern“ gebührt also ein dickes Lob, dass er sich traute, solch ein tierisch heikles Thema ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren.

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