Mit bewundernswerter Energie

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Metzinger Mobile Jugendberatung hilft Jugendlichen in allen Lebenslagen. Problem der Finanzierung

Katharina Huber und Josephine Kobe haben 167 junge Menschen im vergangenen Jahr beraten. Manche nur einmal ganz kurz, andere dafür über das ganze Jahr hinweg immer wieder. Die Themen, die dabei eine Rolle spielen? »Alles«, sagen die beiden Sozialpädagoginnen. Von Problemen mit der Familie über fehlenden Wohnraum, Schule, Prüfungsvorbereitung, Ausbildungsplatz- oder Praktikumsuche, Liebe und genauso – die Krisen dieser so verrückten Zeit.

Klimakatastrophe, die wirtschaftliche Situation im Land genauso wie der Krieg in der Ukraine. »Glaubst du, Katharina, dass der Krieg bald hier sein wird«, hätten Jugendliche die Streetworkerin mehrfach gefragt. Die jungen Menschen kommen aber auch mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Freiheit und vielem mehr.

»Die Mobile Jugendarbeit ist wichtig für die Jugendlichen und für die Stadt«, betonen Kobe und Huber. Beweise dafür? »Wenn es die Mobile nicht mehr gäbe, wüsste ich nicht mehr wohin mit meinen Problemen«, hatte ein Jugendlicher bei einer kleinen Umfrage geäußert. Oder: »Ohne euch wäre es ein absolutes Chaos und Überforderung für mich.« Noch ein wenig drastischer: »Ohne Mobile wäre es richtig Scheiße, weil es für mich keinen Platz mehr gäbe, an dem ich mich wohlfühlen würde.«

Jugendliche haben die Wahl

Nicht nur, aber auch, aus diesen Gründen sind die beiden Sozialpädagoginnen »von dem Konzept der Mobilen Jugendarbeit völlig überzeugt«, sagt Huber. »Die Jugendlichen haben die Wahl, sie können zu uns kommen, müssen aber nicht.« Beraten werden ungefähr ebenso viele Mädchen wie Jungs, das Verhältnis schwankt aber immer mal wieder etwas. Während die Streetworkerinnen die männlichen Jugendlichen vor allem auf der Straße erreichen, an Plätzen, die bei ihnen beliebt sind, »erreichen wir Mädchen vor allem über die Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit«, so Kobe.

Grundsätzlich sei die Arbeit mit und für die Jugendlichen aber eine Vertrauensfrage. Ohne Beziehungsarbeit gehe da gar nichts. Nach Patrick Differts Übergang in die Rente war Katharina Huber zunächst neun Monate allein in der »Mobilen«, die Jugendlichen in Metzingen hätten verständnisvoll reagiert, sagt Huber. »Jungs, die vorher vor allem mit Patrick geredet haben, vertrauten mir dann auch.« Als im April 2022 auch noch das Jugendhaus die Türen zumachte, sei das für viele junge Menschen in der Stadt schwierig gewesen. Und für Huber erst recht: »Die Zeit war eine große Herausforderung für alle, weil in der Mobilen Jugendarbeit Termine meist sehr spontan sind«, so Huber. Standen dazu noch Notfälle an, wurde es oftmals sehr eng.

Im Juni 2022 kam jedoch Verstärkung: Josephine Kobe vervollständigte das Team wieder, sie hatte zuvor schon in Wohngruppen einige Erfahrungen mit nicht ganz problemfreien Jugendlichen gesammelt. Auch sie merkt, dass mit all den momentanen weltweiten Krisen der Beratungsbedarf bei den jungen Menschen deutlich zugenommen hat. »Viele machen sich ganz große Sorgen um die Zukunft«, so Huber.

Problematisch sei aber auch die Finanzierung der Arbeit der beiden Streetworkerinnen: Kam im vergangenen Jahr über Bundesmittel ein Corona-Zuschuss für Kobes Stelle hinzu, sollen die 25 Prozent ab April wieder wegfallen. Ansonsten werden die beiden Sozialarbeiterinnen über Mittel der Stadt Metzingen, vom Landkreis und vom Land bezahlt. Eine Mischfinanzierung, die nur funktioniert, wenn alle mitmachen. 175 Prozent seien nach längerem Hin und Her nun für 2023 genehmigt – aber: Die Förderung vom Land für eine Stelle der Mobilen Jugendarbeit steht bislang bei 11 000 Euro.

Eine Ungerechtigkeit sei das, weil die Schulsozialarbeit gleichzeitig pro Stelle mit 16 500 Euro vom Land gefördert wird. Katharina Huber kämpft als Vorsitzende der »Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg« für eine Angleichung der beiden Berufsfelder. Schließlich sei es nicht nachvollziehbar, warum Streetwork weniger wert sein soll als Schulsozialarbeit.

Arbeit lebt von Flexibilität

Während des Gesprächs in Räumen der Mobilen Jugendberatung in der Pfleghofstraße 33 in Metzingen klopft es immer wieder an der Tür – gerade so, also wollten Jugendliche unter Beweis stellen, wie wichtig die Arbeit der beiden Fachfrauen ist. »Unsere Tätigkeit lebt von Flexibilität«, betonen beide.

Eigentlich sind die hochoffiziellen Öffnungszeiten in den Räumlichkeiten sehr begrenzt: montags und dienstags jeweils von 17 bis 19 Uhr sowie mittwochs 15 bis 17 Uhr, donnerstagsabends dann noch im Jugendhaus. Aber: „Ansonsten machen wir ganz viele Termine mit Jugendlichen aus, sind auf den Straßen unterwegs, in Schulen, gehen mit Jugendlichen zu Behörden oder auch mal zur Polizei oder zum Gericht.

Junge Menschen ernst nehmen

Am meisten geht es aber zurzeit häufig darum, Jugendliche in ihrer Unsicherheit mit all den Krisen und mit fehlenden Perspektiven zu stützen. Ihnen Raum für ihre Fragen zu geben. »Wir können die großen Krisen ja nicht lösen«, so Huber. Die jungen Menschen ernst zu nehmen, auf ihre Fragen einzugehen, mit ihnen zu diskutieren – das sei extrem wichtig. »Es ist bewundernswert, mit wie viel Energie sich viele Jugendliche da durchbeißen«, sagt Katharina Huber.

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