Neujahrsempfang der FDP im Reutlinger Dominohaus mit Gastredner Verkehrsminister Dr. Volker Wissing und Demonstration vor dem Gebäude
Während Dr. Volker Wissing am Freitagabend beim Neujahrsempfang der FDP im Reutlinger Dominohaus seine Rede hielt, riefen ein paar Mädchen von „Fridays For Future“ lauthals dem Bundesverkehrs- und -digitalisierungsminister zu: „Verkehrswende jetzt! Verkehrswende jetzt.“ Nur kurz war die Unterbrechung – und die Überraschung, dass es tatsächlich ein paar wenige der vor dem Gebäude demonstrierenden jungen Aktivistinnen und Aktivisten in das Gebäude geschafft hatten. Und das trotz Polizeiaufgebot sowie trotz zahlreicher Ordner und Security-Leute vor und im Veranstaltungsraum. Wissing erwiderte die Rufe der Mädchen mit: „Das sind doch nur Sprüche“ und fuhr relativ ungerührt in seiner Rede fort. Offensichtlich ist er solche Zwischenrufe gewöhnt.
„Wir brauchen synthetische Kraftstoffe und müssen die Wasserstofftechnologie vorantreiben – dafür sollten diese Menschen demonstrieren“, rief der Minister. Vom Publikum erntete er dafür viel Beifall – wie immer, wenn er die Demonstrierenden verbal attackierte. Was Wissing sonst noch von sich gab? Er setze auf Fortschritt, High Tech, Künstliche Intelligenz und – aufs Auto. „Fahrzeuge sind ein Grundbedürfnis des Menschen.“ Mit dem Minister gebe es kein Tempolimit, darauf ging er allerdings auch nicht weiter ein. Aber auf Autobahnen: „Wir haben 144 Engstellen in Deutschland – die müssen wir schnellstens angehen.“ Breitere Straßen für noch mehr Fahrzeuge, denn: Um 34 Prozent werde der Straßenverkehr in den kommenden Jahren weiter zunehmen.
Einfach „nur“ Verzicht zu predigen, greife laut Wissing zu kurz, denn: „Nicht alle in Deutschland leben im Überfluss.“ Die Erkenntnis sei wichtig, dass „in guten Angeboten für jede und jeden die Lösung liegt.“ Die Herausforderungen der kommenden Zeit seien groß, „aber die Chancen sind größer“, sagte Volker Wissing nachdem zu Beginn Andreas Glück zusammen mit Karin Lenz den „Piano Man“ an Klavier und Gesang intoniert hatten und zum Schluss noch die „Hymne der Liberalen“ anstimmten: „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen.
Vor der Veranstaltung hatten sich vor dem Dominohaus knapp 100 Demonstrierende aus unterschiedlichen Gruppierungen wie Robin Wood oder Fridays For Future versammelt, um lautstark gegen die FDP und vor allem gegen den Verkehrsminister der Bundesregierung zu demonstrieren. „Hopp, hopp, hopp – Kohlestopp“, skandierten sie etwa, forderten „Hoch mit dem Klimaschutz, runter mit dem Tempo“ und nannten die Liberalen „Carpitalistenpack“. Im Innern des Gebäudes sagte Regine Vohrer zu der Demonstration: In einer Demokratie sei es das gute Recht, zu demonstrieren. Mit den Forderungen der Umweltaktivisten könne sie aber nicht viel anfangen.
Als Wissing schließlich direkt aus Berlin in Reutlingen angekommen war – und die frohe Botschaft des 49-Euro-Tickets ab 1. Mai mitgebracht hatte – begrüßte Vohrer als Stadtverbandsvorsitzende der Freien Demokraten zusammen mit dem FDP-Kreisvorsitzenden Christoph Weiblen die Gäste bei dem liberalen Neujahrsempfang 2023. Vohrer verwies in ihren Worten auf das bedeutungsschwere Datum des vergangenen Freitags – „der 27. Januar ist der Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur“. Und: „Im Herzen Europas wütet seit fast einem Jahr ein schrecklicher Angriffskrieg“, so Regine Vohrer. Hinzu kämen der Klimawandel sowie zahlreiche weitere Krisen und Herausforderungen. Die Antworten der FDP darauf? „Wir stehen für pragmatische Lösungen und zielorientiertes Handeln“, so die FDP-Stadtverbandsvorsitzende.
Bevor Volker Wissing ans Mikrofon trat, ergriff Hagen Kluck, das liberale Urgestein in Reutlingen, das Wort: „Wären wir bei einem Rockkonzert würde ich die Rolle der Vorgruppe übernehmen.“ Kluck betonte, dass er „auf eine zeitnahe Verwirklichung der Regionalstadtbahn“ hoffe. Er ging auf die Dietwegtrasse ein, die ja immer noch im Bundesverkehrswegeplan enthalten sei. Und die dringend benötigt werde. Aber es brauche auch „Tempo bei der Digitalisierung – die liegt bei einem Minister, der kein Tempolimit will, genau in den richtigen Händen“, formulierte Hagen Kluck.