Rückblick 2022 – was für ein Jahr !!!

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Habt Ihr noch parat, was in diesem Jahr alles passiert ist? Also ich … überhaupt nicht. Außer den Katastrophen, die sich ins Hirn eingebrannt haben. Kriegsbeginn in der Ukraine am 24. Februar 2022.

Dazu Klimakatastrophen mit Dürren, Unmengen an Waldbränden auch in Deutschland. Corona immer noch nicht besiegt. Rasant steigende Inflationsrate auf über 10 Prozent. Putin stoppt die Gaslieferungen – aber wir sitzen jetzt, am 2. Weihnachtsfeiertag immer noch im Warmen. Was für ein Glück. Vor allem mit dem Blick in die Ukraine, wo die leidgeprüften Kriegsopfer im Kalten sitzen.

Und sonst? Friedrich Merz ist im Januar zum CDU-Parteivorsitzenden gewählt worden. Mit 95 Prozent. Schon traurig, wenn die Konservativen als Merkel-NachfolgerIn keinen anderen finden, als den Steuer-Bierdeckel-Merz. Mit ihm in die Zukunft heißt das Zurück zu Nierentischen und dem Schokoriegel-Slogan: „Merz bringt verbrauchte Energie sofort zurück“? Kaum. Weiteres? Meuthen ist zurückgetreten. Meuthen, wie hieß der noch mit Vornamen? Jochen, Joghurette? Nein, Jörg. Was war der? Ach – einer der vielen AfD-Vorsitzenden? Okay, gehört wohl auch zum Thema „Kannste vergessen“.

Einer der Negativ-Höhepunkte in Reutlingen im vergangenen Jahr: Die Stadt hat sich als Samstagabend-Treffpunkt der Querdenker-Szene etabliert. Ende Dezember sind es noch ein paar Hundert (oder auch weniger) über viele Monate hinweg waren es an die Zehntausend. Verrückt, oder? Damals waren sie noch gegen Maskenpflicht, Impfen und für Freiheit. Freiheit? Früher, wenn Linke gegen den Staat protestierten oder auch gegen Pershings, haben viele Konservative gesagt: „Geht doch nach drüben.“ Sie meinten die DDR damit. Kann man heute nicht mehr sagen.

Ende Februar hatte ich dann notiert: „Jetzt ist tatsächlich passiert, mit dem wirklich niemand gerechnet hat. Krieg in Europa. Gerade mal so weit entfernt von uns wie Nord- von Süddeutschland. Schrecken, Entsetzen, Sorge, Unruhe, Hilflosigkeit und Angst beherrschen das Denken von vielen Menschen nicht nur hier in Deutschland. Angst vor noch viel Schlimmerem. Vor einem Atomkrieg womöglich. Putins Äußerungen lassen alles zu.“ In den folgenden Wochen beschäftigte die meisten Menschen in Deutschland kaum was anderes als der Krieg, Mitte März schrieb ich: „Ich habe meinen Nachrichtkonsum schon drastisch runtergefahren, kann die Bilder des Krieges nicht mehr anschauen, halte sie nicht aus. Ich gerate regelrecht in Panik, wenn ich mir die Bomben auf die Häuser der Menschen vorstelle, ihre Flucht mit fast nichts, außer den Kleidern am Leib.“ Es falle „im Moment schwer, bei all dem Wahnsinn noch irgendwoher Mut, Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft zu finden“. Ein Drittel der gesamten Bevölkerung ist geflohen.

Aber: Eine unglaubliche Hilfswelle ist angelaufen. Gestartet in Polen, die Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufnahmen – wo sie doch wenige Wochen zuvor noch an der belarussischen Grenze Hunderte Flüchtlinge aus Irak, Iran, Syrien zurückgeknüppelt hatten. Allein Warschau hatte bis Ende März 320 000 ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Unglaublich. Aber auch Hilfslieferungen aus Reutlingen liefen an – zahlreiche Vereine, Einzelpersonen organisierten Hilfstransporte, darunter auch die „Drei Musketiere“ von der Achalm, die auch weiterhin helfen werden. Toll. Bitte ebenfalls unterstützen. In deutschen Städten werden viele, viele ukrainische Geflüchtete untergebracht – bis zum Ende des Jahres ist die Zahl so stark angestiegen, dass Sporthallen, Container als Unterkünfte herhalten müssen. Die Kommunen sind überfordert. Denn es zählt ja nicht nur das Dach überm Kopf, die Kinder sollen in Kindergärten, Schulen gehen können. Eine riesige Herausforderung für die Kommunen.

Langsam werden im April 2022 dann die ausfallenden Weizenlieferungen ein Thema. Wer leidet am meisten? Die Länder, die eh schon am schlimmsten dran sind, also die Staaten in Afrika, Asien. Und bei uns? Sonnenblumenöl ist Mangelware. Dafür kommen nun Anfang April die Meldungen aus Bucha in der Ukraine, von Massenhinrichtungen an Soldaten und Zivilisten. Wahnsinn.

Während Deutschland als „Unterstützung“ der ukrainischen Armee zunächst 5000 Stahlhelme schickte, drohte Putin das ganze Jahr über immer wieder mit der Atombombe. Die Angst ging auch in Deutschland um, dass der Krieg sich noch weiter ausdehnen könnte, womöglich sogar atomar. Immer wieder wird das größte Atomkraftwerk in Europa, in Saporischschja bombardiert.

Ein deutsches Highlight in diesem Jahr 22: Das 9-Euro-Ticket, das innerhalb kürzester Zeit – also völlig ungewohnt unbürokratisch – eingeführt wurde und einen wahren Run auf die Züge einleitete. Das Beste an dem Angebot: Dass nur ein einziges Ticket ausreichte, um mit Bus, Bahn, Tram zu fahren. Genial. Nicht die lästige Fahrkartenkauferei erst im Bus, dann am Bahnhof, in der Straßenbahn und zurück noch einmal das ganze Theater, immer mit dem Bewusstsein im Nacken, dass das Verkehrsmittel ohne mich gerade abfahren könnte. Ob das Nachfolgemodell, das 49-Euro-Ticket, ein ebensolches Erfolgsmodell sein wird, wenn es denn überhaupt kommt … wir werden sehen.

Im Juli dann brüllende Hitze. 36 Grad abends um 19 Uhr bei uns im Garten. Unglaublich. Gleichzeitig nimmt das Thema Gas immer mehr an Fahrt auf. Kachelofenbauer sind ausgebucht, bis über Jahre hinaus. Zumal sie kaum noch Material zum Bau der Öfen geliefert bekommen. Und das Thema Fachkräftemangel holt auch mich ein: Überall, wo ich hinkomme – Personalmangel. Egal, ob bei Handwerkern, im Krankenhaus, in Pflegeheimen, Gastronomie, Industrie, Verwaltungen, selbst IT-Firmen fehlen die Leute. Auch bei Zeitungen. Redakteure, Austräger. Wo sind sie denn alle? Alles Baby-Boomer, die jetzt in den Ruhestand gingen? Niemand kann sich den Mangel an Fachkräften erklären.

Im Sommer gaben sich die meisten Deutschen dem Gefühl hin, dass sie endlich wieder feiern durften. Konzerte besuchen, Veranstaltungen, gemeinsam feiern, bis die Schwarte kracht. Zumal ja die meisten Menschen Befürchtungen äußerten, was der Herbst wohl bringen würde. Corona-Rückkehr? Gasknappheit? Noch mehr Inflation? Und der Ukraine-Krieg, der ja immer noch nicht vorbei ist? Deshalb, rauf auf die Tische, gefeiert, geschunkelt, die Ängste in Grund und Boden gestampft.

Anfang August waren Bine und ich dann Corona-positiv. Endlich? Naja. Eigentlich kann da jeder drauf verzichten. Nach einer Woche war glücklicherweise alles wieder vorbei. Aber die Hitze geht weiter, Flüsse sind ausgetrocknet, der Schiffverkehr liegt großflächig brach, der Grundwasserspiegel sinkt immer weiter. Und dennoch: Die Bauern in der Region zeigten sich zufrieden mit den Erträgen. Ziemlich unglaublich, weil in anderen Regionen Deutschlands ein völlig anderes Bild zu sehen war.

Ab September werden dann hier im Kreis Sporthallen mit Geflüchteten aus der Ukraine belegt. Landkreis und Kommunen wissen sich nicht mehr anders zu helfen. In Italien wird Georgia Meloni zur Regierungschefin gewählt. Eine Frau, die Mussolini verehrt und den Faschismus wieder hoffähig machen will. Ist das nicht völlig verrückt? Auf jeden Fall besorgniserregend. Im Ukraine-Krieg werden Städte weiter bombardiert, Putin zerstört mittlerweile vor allem die Infrastruktur, Strom, Heizzentralen. Um noch mehr Ukrainer in die Flucht zu treiben. Nordstream 1 und 2 wurden unter Wasser torpediert? – Macht ja nichts, wurde eh kein Gas mehr geliefert. Doch die Stimmung in Deutschland wird immer gedrückter. Corona, Inflation, Gasmangel, Klimakatastrophe. Und der Krieg.

Im Iran beginnen Proteste ungeahnten Ausmaßes. Weil eine Frau gegen die Kleiderverordnung verstoßen hat, wird sie festgenommen und stirbt. Aber nicht nur Frauen und Mädchen gehen auf die Straße, die Unruhen dehnen sich auf das ganze Land aus. Der Staat reagiert mit brutaler Härte, bis hin zu Festnahmen und Hinrichtungen. Putin annektiert Ende September, Anfang Oktober die besetzten Gebiete in der Ukraine, allerdings gibt es so gut wie keinen Staat auf der Welt, der diese Annexion anerkennt. Putin droht mal wieder mit der Atombombe. Angst geht bei uns um. Immer öfter geht es in den Medien um Stromausfälle – und dass viele Städte nicht dagegen abgesichert sind. Warum häufen sich diese Meldungen, ohne dass bislang irgendwas in der Richtung passiert ist?

Klimagipfel in Ägypten: Die 1,5 Grad-Anstiegsmarke sei nicht mehr zu halten, heißt es. Auch nichts, was irgendwie Mut machen würde. Uno-Generalsekretär António Guterres fand deutliche Worte und mahnte: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, sagte er in Sharm al-Sheikh. «Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens und sind dabei, zu verlieren.» Trump gibt bekannt, dass er erneut für die Präsidentschaftswahlen kandidieren will. Noch so eine Katastrophe.

Zum Ende des Jahres 2022 kleben sich immer mehr Menschen mit ihren Händen auf die Straße, um gegen die Klimapolitik der Regierung zu protestieren. Bei den Autofahrern, die blockiert werden, kommt das nicht gut an. Ebenso wenig wie bei einer Mehrheit der Bevölkerung. Das Verständnis für das Schütten von Kartoffelpüree auf Kunstwerke fehlt ebenfalls. Ach, Sport gab’s ja auch noch. Fußball-WM in Katar. So ein Blödsinn, Kicken bei 40 Grad in gekühlten Stadien. Was für ein ökologischer Wahnsinn. Dachten sich die deutschen Spieler wohl auch, flogen gleich in der Vorrunde raus. Argentinien wurde Weltmeister. Mehr gibt’s darüber auch nicht zu berichten.

Im Dezember gab es eine Durchsuchung bei Reichsbürgern, durch rund 3000 Sicherheitsbeamte in 130 Wohnungen. Umsturzpläne habe es gegeben, die aber noch nicht akut gewesen seien. Eva Kaili, griechische Vizepräsidentin, wurde wegen Korruptions- und Geldwäscheverdacht festgenommen.

Für Bine und mich persönlich war dieses Jahr ein extrem anstrengendes. Bine kandidierte für den Betriebsrat in ihrer Firma, wurde gewählt und übernahm mangels anderer Interessenten auch den Vorsitz. „Nicht immer weiter jammern, sondern selbst versuchen, was zu ändern“, so lautete ihr Motto. Wie schwierig das ist, erkannte Bine in den folgenden Wochen und Monaten. Und ihre eigentliche Arbeit sollte sie ja auch noch machen. Extrem fordernd und anstrengend. Und bei mir? In den GEA-Redaktionen sind jede Menge RedakteurInnen in den Ruhestand gegangen oder haben gekündigt. „Die Chance, beim GEA eine Redakteursstelle zu kriegen, sind so gut wie nie“, hatte vor Monaten schon eine Redakteurin zu mir gesagt. Damals hatte ich gelacht und gesagt: Jetzt nach 25 Jahren freier Tätigkeit kommt Ihr daher … Und jetzt, Ende Dezember arbeite ich drei Tage die Woche in der Metzinger GEA-Redaktion. Helfe aus. Notstand dort. Aber lange halte ich das nicht aus. Extrem stressig.

Dabei hatten wir im Gegensatz zu 2020 dieses Jahr am Bodensee Ende Februar eine kurze Auszeit. Im Mai waren wir zwei Wochen auf Amrum und im September zwei Wochen in der Toskana. Und im Oktober nochmals drei, vier Tage in Aalen. Vor zwei Jahren waren wir auch Ende Februar in Konstanz, dann nichts mehr. Dafür machten wir gefühlt hunderte Ausflüge in unsere nähere Umgebung. Das waren tolle, ereignisreiche Wochen und Monate. Weil Bine Kurzarbeit hatte und ich sehr wenige Termine. Eine schöne Zeit war das. Im Gegensatz zu diesem Jahr, das im Rückblick stets die Ängste und Sorgen im Hinterkopf nicht verdrängen konnte. Angst vor Corona, vor dem Krieg, vor der sich immer schneller ausbreitenden Klimakatastrophe. Keine Entspannung in Sicht. Alles voller Krisen. Wir hoffen auf Besserung für das kommende Jahr. Wissen aber eigentlich genau, dass es kaum besser werden wird. Und wir hoffen doch weiter … Die entspannenden Tage zwischen Weihnachten, Neujahr und jetzt bis zum 6. Januar sind allerdings schon mal ausgefallen. Ich hatte mich so sehr auf Entspannung gefreut. War nichts. Wegen der Arbeit für die Metzinger GEA-Redaktion.

Ein Lichtblick aber dann doch für uns im November: Zwei Frauen aus Kilchberg bei Tübingen stellen ein Spendenprojekt auf die Füße, bei dem sie Menschen zuerst im Dorf und dann in ganz Tübingen auf die „Energiepauschale“ aufmerksam machten – und ob sie die nicht anderen spenden wollen, die das Geld wirklich benötigen? (Bericht auf dieser, meiner Homepage) Ein voller Erfolg. Viele Menschen spendeten, die beiden Frauen unterstützen mit dem Geld nicht nur lokale Erzeuger, sondern damit vor allem die Tübinger Tafel. Also die direkt Bedürftigen. Tolles Projekt, toller Erfolg für eine tolle Idee. Ich wollte das auf Reutlingen übertragen, fragte bei den großen sozialen Trägern an – ohne Erfolg. Sehr schade. Reutlingen ist einfach anders.

(Foto Gerd Altmann auf Pixabay)

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