Nicht jammern, einfach machen

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Dr. Hagar Steiff und Kilchbergs Ortsvorsteherin Bettina Koschtjan unterstützen die Tübinger Tafel mit regionalen Produkten. Sie appellieren an Menschen, die die Energiepauschale nicht brauchen

Ich habe mich ganz einfach geärgert, dass überall zu hören war, wie schlimm der Winter für alle werden soll“, berichtet Dr. Hagar Steiff. Dabei wisse sie ganz genau, dass die zu erwartende Kälte und die drastisch gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel für viele Menschen in Deutschland (und auch in der direkten Umgebung der Kilchberger Pferdetierärztin) kein Problem darstellen. „Ich brauche die Energiepauschale der Bundesregierung nicht“, betont Steiff. Also hat sich die Tierärztin überlegt, wie sie das angewandte „Gießkannenprinzip“ umgestalten und die Hilfe dorthin leiten könnte, wo sie tatsächlich gebraucht wird. Da kam ihr die Tafel in Tübingen in den Sinn. „Dort werden gerade jetzt dringend Lebensmittel gebraucht, die dann auch direkt bei den Bedürftigen ankommen.“

Hagar Steiff ging mit ihrer Idee zu Bettina Koschtjan, „ich war sofort begeistert“, erinnert sich Kilchbergs Ortsvorsteherin. In Absprache mit der Tafel, welche Lebensmittel gebraucht werden (nämlich vor allem Milchprodukte und länger haltbare Waren), machte sich Steiff auf und schrieb regionale Lebensmittel-Produzenten an. „Manche haben gar nicht geantwortet, andere waren sofort Feuer und Flamme, wieder andere musste ich überzeugen, dass sie ja nicht spenden sollten, sondern einen fairen Preis für ihre Produkte erhalten“, so Hagar Steiff. Die beiden engagierten Frauen wollten nicht bei Discountern einkaufen – „die haben in der Krise schon genug Gewinne gemacht“.

Die regionalen Produzenten hingegen hätten „in den vergangenen Monaten einen heftigen Einbruch erlebt, weil viele Kunden wegbleiben und nur noch billig einkaufen“, so die Tierärztin. Vier Wochen hat sie nun schon die Tafel beliefert, mit Linsen und Mehl, mit Äpfeln, Bio-Landeiern, Käse sowie Milch und Joghurt. 1500 Euro hatten die Frauen schnell zusammen, zum größten Teil von Bekannten, Freunden und Verwandten. „In Kilchberg kennt man sich einfach noch“. Am vergangenen Wochenende haben Koschtjan und Steiff Flyer im Ort verteilt. Eine Woche später waren schon 4000 Euro auf dem Konto.

„Wir fänden toll, wenn die Aktion auf weitere Orte ausgedehnt würde.“ Dass also andere Engagierte außerhalb von Kilchberg die Idee in Tübingen, Rottenburg, vielleicht auch Reutlingen aufgreifen und dort ebenfalls probieren, die Tafel oder andere Einrichtungen zu unterstützen. Damit der Winter für diejenigen, die wirklich unter der Inflation, unter den drastisch gestiegenen Energie-, Strom- und Lebensmittelpreisen leiden, nicht ganz so hart wird, wie es im Moment überall zu hören ist. „Die Tafel in Tübingen versorgt momentan 400 Haushalte, dahinter stehen 1100 Menschen – das ist die Einwohnerzahl von Kilchberg“, sagt Koschtjan.

Das Duo hat sich vorgenommen, erst mal ein halbes Jahr lang Spenden zu sammeln und damit die Tafel wöchentlich zu unterstützen. „Wenn ich die Bestellungen der Tafel bei uns hochrechne, bräuchten wir pro Woche rund 2000 Euro“, sagt Steiff. So gut, wie die Aktion angelaufen ist, könnte das tatsächlich hinhauen. Aber nur, wenn möglichst viele Spender mitziehen – und sich überlegen, ob sie die Energiepauschale tatsächlich persönlich brauchen. Die Frauen haben sich im Vorfeld darum gekümmert, dass der Verein „Pro Kilchberg“ Spenden annehmen, Spendenbescheinigungen ausstellen und das Geld auch an die Tübinger Tafel (also außerhalb von Kilchberg) geben darf. „Wir hatten einen Steuerberater an der Hand, der das geklärt hat“, erläutert Koschtjan.

Viele Kilchberger hätten schon betont, wie toll sie die Idee fanden. Viele hätten sich auch bereit erklärt, zu helfen. „Es kamen aber auch Äußerungen wie: Müssen Flüchtlinge jetzt Bio-Eier haben“, berichtet Steiff. Ihre Antwort: „Wir unterstützen lieber die regionalen Vermarkter als Discounter – und viel teurer sind die Produkte auch nicht.“ Steiff hat nämlich jeweils Einzelhandelspreise ausgehandelt. Andere Kritiker hätten gesagt, dass die Tafel doch auch dringend nach Ehrenamtlichen sucht. Für Steiff kein Argument. „Wenn du denkst, dass dort Freiwillige gesucht werden, dann kümmere dich drum, wir besorgen jetzt Lebensmittel.“

Anstatt sich tausend Gründe durch den Kopf gehen zu lassen, die vielleicht gegen die Unterstützung der Tafel sprechen könnte, gehen die beiden Kilchberger Frauen ganz pragmatisch vor. „Nicht jammern, einfach machen“, lautet ihr Motto. Und dabei helfen sie den Menschen, die wirklich Unterstützung brauchen.

INFO:

Unterstützung der Kilchberger Initiative

 Wer die Initiative der beiden Kilchberger Frauen unterstützen will, kann das tun, an Pro Kilchberg e.V. mit der IBAN: DE50 6415 0020 0001 2657 72 bei der KSK Tübingen, Stichwort „Spende an Tübinger Tafel“. Den Betrag der Unterstützung können die Spender natürlich frei wählen, es müssen nicht die 300 Euro Energiepauschale sein. Die Tafel kann jegliche Hilfe brauchen. Wer will, könne natürlich auch gerne mehr geben. Oder selbst für die Tafel einkaufen gehen.

 

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