Am Dienstagabend eine Meldung in diesen verrückten Zeiten, die zu einer noch stärkeren Alarmierung führte: Ein Raketeneinschlag in polnischem Grenzgebiet zur Ukraine.
Wenn die Rakete vom russischen Militär abgefeuert wurde, wäre Nato-Gebiet angegriffen worden. Die rote Linie wäre damit überschritten gewesen, die Nato hätte reagieren müssen. Nur wie? Zurückschlagen? Russland angreifen? Ziemlich schnell erklärte US-Präsident Joe Biden, dass es sich bei der Rakete auch um eine ukrainische Abwehrrakete handeln könnte. Trotzdem war die Nato (und nicht nur die) in Alarmstimmung – offensichtlich genauso wie die russische Regierung, denn: Die hatte noch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch eine Erklärung rausgehauen, dass sie nichts mit diesem Angriff zu tun habe. Das wiederholte sie in den folgenden Tagen auch immer wieder. Die polnische Regierung hielt sich ungewohnt zögerlich zurück mit Äußerungen und Beschuldigungen. Dann die Aussage von der Nato: Es handle sich bei der eingeschlagenen Rakete (mit dem Ergebnis von zwei Toten) um eine fehlgeleitete Abwehrrakete der Ukraine. Regierungschef Selenskyj dementierte, sagte, die Rakete stamme nicht von der Ukraine. Doch das wollte niemand mehr hören, die Erleichterung war zu groß, dass der Dritte Weltkrieg gerade noch mal abgewendet werden konnte. Zumindest hatte es sich so angefühlt.
Keine abgewendete Katastrophe, sondern eine Art Dejà vu der schlimmsten Sorte ergab sich ebenfalls am Dienstag: Donald Trump hat seine erneute Kandidatur für die Wahl zum US-Präsidenten 2024 bekanntgegeben. Ein weiteres Schreckensszenario? Ja, sagte Prof. Claus Leggewie in SWR1-Leute am Mittwoch. Sollte Trump tatsächlich aus der Wahl als Sieger hervorgehen, wäre es mit der Demokratie in den USA vorbei. Aber: „Das wird nicht geschehen, Trump wird die Wahl nicht gewinnen“, sagte der Politikwissenschaftler. Es bleibt zu hoffen, dass er recht hat. Zumindest sei er der einzige gewesen, der in der Süddeutschen Zeitung vor Trumps erster Wahl gemahnt hatte, dass er tatsächlich der neue Präsident werden könnte. Oder sogar head of state wird. Egal. Vorbei. Wir hoffen, dass es nicht wieder so weit kommt. Aber: Es gebe bei den Republikanern weitere mögliche Kandidaten für den Chefposten im Land, die noch schlimmer wären als Trump. Das ist zwar irgendwie kaum vorstellbar. Aber nicht minder angsteinflößend. Genauso wie das Ende des Weltklimagipfels in Ägypten. Das Ergebnis: Wenig, hieß es. Außer, dass den vom Klimawandel am meisten betroffenen Ländern mit einem Geldtopf geholfen werden soll. Aber sonst? Nix.
Und bei mir? Ich hatte diese Woche an sechs Tagen elf Termine, darunter acht im Sozialen. Unglaublich. Diese Ballung ist völlig ungewöhnlich. „Du bist halt der Sozial-Fuzzie bei den Medien im Kreis Reutlingen“, hatte jemand zu mir gesagt. Ja. Das ist irgendwie doch auch ein gutes Gefühl. Gleich am Montag war ich bei der Tafel, eine Spendenübergabe. Abends dann in Tübingen, eine denkwürdige Diskussion mit Leuten, die in Tübingen im Sozialen tätig sind, von kommunaler und privater Seite bis zu Landes- und Bundespolitikern. Martin Rosemann stach heraus, er machte den Vorschlag, dass – zur Vereinfachung des bürokratischen Hilfeantragsmarathons müsste in den Stadtteilen jeweils eine Anlaufstelle ausreichen. „Warum nicht ein Modellprojekt hier in Tübingen starten“, sagte der SPD-Bundespolitiker. Ja, warum nicht. Vielleicht ist das der Unterschied zwischen Tübingen und Reutlingen: In Tübingen hat man Visionen und versucht sie umzusetzen, während an der Achalm die Verwaltung mit ihren bürokratisch-juristischen Bedenken erstmal alles blockiert? Vielleicht ist das was dran.
Am Mittwoch war ich bei einem IG-Metall-Warnstreik vor der Wafios AG in Reutlingen. Rund 700 Gewerkschafter, darunter meine Bine, alle demonstrierten für 8 Prozent mehr Lohn. Am Freitagmorgen dann die Meldung: Die Verhandlungen seien beendet worden, eine Einigung kam zustande. Und die bestand aus den von den Arbeitgebern vorgeschlagenen einmaligen 3000 Euro – plus 8,5 Prozent mehr Lohn, verteilt auf zwei Jahre. Ein unglaublicher Wahnsinns-Abschluss. Oder doch nicht? Von berufener Seite, nämlich von IG-Metall-Mitgliedern der großen Unternehmen kamen Beschwerden. Viel zu wenig, riefen die. Da hätte man doch deutlich mehr rausholen können. Sind die bescheuert, fragte ich mich automatisch. Größenwahnsinnig? Vielleicht auch nimmersatt? Ja, vielleicht haben die großen Konzerne wie Daimler, Bosch und andere ja trotz der zahlreichen Krisen Wahnsinns-Gewinne eingestrichen. Aber wenn sich die Forderungen der IG Metall allein an den Giganto-Konzernen orientiert, dann können die vielen kleinen, mittelständischen Betriebe nie und nimmer mithalten. Vielleicht sollten, wie Bine das fordert, für die großen Unternehmen andere Abschlüsse gemacht werden, als für die kleinen Firmen? Der Vorschlag hört sich gut an.
Mein Samstag-Zeitungs-Termin: Lichtenstein-Unterhausen, eine Info-Veranstaltung zur Regionalstadtbahn. Mal nichts Soziales. Aber trotzdem hochinteressant. Nicht allein der zehnprozentige Albaufstieg ist da eine Herausforderung, sondern auch im engen Tal der Konflikt mit der Bundesstraße, die ja gleichzeitig ebenfalls geplant wird. Das ist das Problem: Sechs Varianten wurden ausgetüftelt. Mit welcher letztendlich weitergeplant wird, das steht noch in den Sternen. Streckenweise könnte die Regionalstadtbahn sogar auf der B 312 fahren. Auf einem Betondeckel über die Autos hinweg. Unglaublich.
Und sonst? Das Private, die Freizeit mit Bine zusammen, kommt deutlich zu kurz.