„Unsere Religion heißt helfen“

0

Nein – Klangschalenmeditation, Yoga und Hairstyling von einem Friseur, der ins Haus kommt – das sind nicht die Standardangebote, die der Tübinger Arbeitslosen-Treff (TAT) in petto hat.

Aber: Tanja Mahrdt-Wehrmann hat sich als TAT-Mitarbeiterin darum gekümmert, dass auch mal solche Angebote für Frauen in prekären Lebenssituationen möglich sind. „Und das hat riesig Spaß gemacht“, sagt die Sozialpädagogin, die seit zwei Jahren beim Treff dabei ist. „Man muss diesen Job hier schon aus Überzeugung und mit Herzblut tun“, sind sich Mahrdt-Wehrmann und der zweite TAT-Beschäftigte, Fabian Everding, einig.

Dabei ist Everding gar kein Sozialarbeiter, sondern Kulturwissenschaftler, eigentlich völlig fachfremd, aber – als er 2016 gefragt wurde, ob er sich den Job vorstellen könne, hat er „Ja“ gesagt. Und er sagt das auch heute noch, aus Überzeugung. Seine Hauptaufgabe, wie auch die seiner Kollegin, heißt: Menschen zu beraten, die auf Arbeitslosengeld, Hartz IV, Wohngeld oder sonstige Leistungen vom Sozialamt angewiesen sind. Wer also Probleme mit Anträgen hat, wer sie nicht versteht, wem Leistungen gekürzt oder nicht ausbezahlt werden – all diese Menschen können sich an TAT in der Neckarhalde 40 in Tübingen wenden. „Durchschnittlich haben wir fünf bis zehn Kundenkontakte pro Tag“, sagt Everding. Bei manchen reicht ein kurzes Gespräch, andere kommen mit komplett nicht ausgefüllten Formularen. Geöffnet ist der Treff täglich – allerdings müssen seit Corona Termine vorab telefonisch vereinbart werden.

Die TAT-Geschichte erstreckt sich mittlerweile auf mehr als 25 Jahre, „begonnen hat das, als die Firma Zanker hier geschlossen werden sollte“, sagt Fabian Everding. Aus dem Kreis der von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter heraus hatte sich eine Initiative gebildet, bei der auch schnell die Kirchen mit im Boot waren. „Heute haben wir einen hochkarätigen Vereinsvorstand mit Karl Ulrich Gscheidle, aber auch mit zwei betroffenen Arbeitslosen.“

Everding ist mit 65 Prozent angestellt, Mahrdt-Wehrmann mit 50 Prozent – gesichert sind aber die Stellen nicht. „Mein Arbeitsvertrag ist befristet bis Dezember“, sagt die Sozialarbeiterin.  „Die Finanzierung unserer Arbeit läuft zum Teil über die Stadt, den größten Batzen trägt mit voraussichtlich 53 000 Euro aber das Wirtschaftsministerium des Landes.“ Fabian Everding ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Treffs zuständig und für technisch organisatorische Fragen. „Ich bin eigentlich Mädchen für alles“, sagt er schmunzelnd. Denn Beratung macht er natürlich auch noch – und das montags obendrein in Reutlingen bei der Reutlinger Arbeiter-Bildung (Arbi). Ganz aktuelle Probleme vieler Ratsuchender: Heizung, Energiekosten, Nachforderungen und erhöhte Abschlagszahlungen. Das ist ein ganz heißes Thema, weil viele Menschen, die wenig Geld verdienen, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Scheuen sollten sich die Betroffenen nicht, Rat zu suchen und Hilfe zu beantragen. „Es ist ein Grundrecht, Leistungen zu beziehen“, sagt Tanja Mahrdt-Wehrmann.

„Perspektivisch müssen wir aus dem Gebäude hier in der Neckarhalde 40 raus – weil das Haus saniert werden soll“, sagt Fabian Everding. Wann das sein wird und wo der Treff dann hinziehen könnte, alles ist im Moment offen. „Aber wir sind im Kontakt mit der Stadt.“ Gut sei der bisherige Standort, weil es hier einen größeren Raum gibt, in dem auch soziale Begegnungen möglich sind. Jeden Mittwoch etwa, wenn zum gemeinsamen Frühstück eingeladen wird.

Der Mittwochs-Treff sei beliebt, aber vor allem bei Menschen, die schon lange dabei sind. „Es ist schwierig, Jüngere zu integrieren“, sagt Everding. Hin und wieder kommen auch Politiker zum Gespräch oder Verantwortliche aus der Stadtverwaltung. Der Schwerpunkt bei TAT sei jedoch die Beratung. Und die Gewissheit: „Unsere Religion heißt helfen“, sagt die Sozialpädagogin. Manchmal gehen die Helfer auch schon mal mit zum Jobcenter, „als eine Art Vermittler“, so Fabian Everding. Denn viele Arbeitslose hätten Angst, dass das Wenige, das sie erhalten, auch noch gekürzt werden könnte. „Dabei sind Sanktionen eh völliger Quatsch, weil sie nur dazu führen, dass die Betroffenen das Jobcenter als Gegner sehen“, sagt Everding.

Share.

Comments are closed.