Ein Leben für die Magie des Helfens

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Paul Mohl ist seit 64 Jahren beim Reutlinger Ortsverein des Roten Kreuzes, vor rund einem halben Jahr hat er den Vorsitz abgegeben. Der fast 79-Jährige ist aber nach wie vor hoch aktiv

„Die Magie gelebter Hilfe“ lautete das Motto zum 125jährigen Jubiläum des Reutlinger DRK-Ortsvereins vor ziemlich genau zehn Jahren. Heute ist der Verein 135 Jahre alt, Paul Mohl ist seit Ende März zwar nicht mehr der Vorsitzende, aufgegeben hat er seine Tätigkeit für das Rote Kreuz auch nach 64 Jahren noch nicht – und das Motto gilt für ihn nach wie vor. Jetzt ist er Schatzmeister, der Meister der Zahlen. Fast sein ganzes Berufsleben hat er mit Zahlen zu tun gehabt, bis auf seine erste Ausbildung, die er zum Strickmaschinenmechaniker absolvierte. Doch gleich danach wechselte er zum technischen Kaufmann.

Mit 15 Jahren kam Paul Mohl 1958 zum Jugend-Rot-Kreuz. Der Gang dorthin fiel ihm nicht schwer, schließlich war schon sein Vater seit 1931 beim Reutlinger DRK. Eigentlich wollte Sohn Paul nach den beiden Ausbildungen zur Bundeswehr und dort eine Ausbildung zum Sanitäter machen. Doch der Umgangston dort gefiel Mohl nicht und der Bundeswehr gefiel Mohl nicht. Warum auch immer. Also verweigerte der junge Mann 1965, Gewissensprüfung hieß das damals noch. Den Zivildienst absolvierte er in Schwäbisch Hall, „eine prägende Zeit, die ich nicht missen wollte“, sagt Mohl.

Anstatt nach dem Zivildienst wieder in seine Berufe als Kaufmann oder Mechaniker zurückzukehren, arbeitete er als Buchhalter in einer Fabrik, die Feuerlöscher herstellte. „Parallel habe ich Refa-Kurse gemacht, bin dann in eine Betonfabrik gewechselt und habe dort Zeitarbeitsstudien gemacht.“ Doch damit nicht genug der Weiterbildung: Mohl hat zusammen mit einem Freund BWL studiert und danach zahlreiche weitere Fortbildungen etwa zum Bilanzbuchhalter gemacht. Alles neben  dem Beruf her. „Das war eine harte Zeit“, erinnert sich Mohl. 34 Jahre lang hat er dann bis zum Ruhestand bei der Firma Bosch in Reutlingen als Controller gearbeitet. „Ich bin ein klassischer Zahlenmensch“, schmunzelt er.

Kein Wunder also, dass er all die Daten ohne Nachdenken parat hat: Am 1. September 1958 kam er zum Roten Kreuz, seit 1964 war er Erste-Hilfe-Ausbilder – und das macht er auch heute noch. „Aber vor allem bei Firmen“, schränkt er ein. Bei der Stadtentwässerung etwa und auch bei der IHK. 1979 hat Paul Mohl die Bereitschaftsleitung übernommen, seit 1997 war er nicht nur der Vorsitzende, sondern auch das Gesicht des Roten Kreuzes in der Achalmstadt. „Dieses Jahr, am 25. März, habe ich den Vorsitz abgegeben.“ Eigentlich hätte das schon zwei Jahre vorher geschehen sollen. Doch dann kam Corona. Und so ganz leicht sei es auch nicht gewesen, einen Nachfolger zu finden. Mit Wolfgang Hoch wurde es nun ein neuer Vorsitzender, der ebenfalls schon seit 45 Jahren dabei ist.

Was Paul Mohl als erstes in den Kopf kommt, wenn er an die 64 Jahre beim Roten Kreuz zurückdenkt? „Die Entwicklung“, sagt er sofort. „In meinen Anfangsjahren hatte das Rote Kreuz 1000 Mark im Jahr, heute ist das ein Vielfaches.“ Und bevor der Ortsverein 1979 an den Oskar-Kalbfell-Platz 14 zog, „waren wir in acht unterschiedlichen Gebäuden“. Mit der Geschichte, dass und wie es zu dem Umzug an den heutigen Standort in der Lederstraße kam, könnte Paul Mohl ein ganzes Buch füllen. Ebenso mit all den Bereitschaftsdiensten, die er selbst organisiert und auch durchgeführt hat. Bei den Heimspielen des SSV Reutlingen etwa, bei den Motocross- oder BMX-Rennen, bei unzähligen Veranstaltungen in der Stadthalle. Eine in der Eishalle am 27. Juni 1996 stach heraus, als die Back Street Boys nach Reutlingen kamen. „Da waren 3000 zumeist junge Mädchen, wir sind erst mit 40 Rot-Kreuzlern vor Ort gewesen, am Schluss waren es über 100 – weil Mädchen reihenweise kollabierten.“ Und das, obwohl die Feuerwehr in der brütenden Hitze per „Sprühstrahl“ für Abkühlung gesorgt hatte.

Andere herausragende Aktionen? Blutspenden. Regelmäßig, sechsmal jährlich, jetzt in der Wittumhalle. Paul Mohl und seine Frau bereiten heute noch frühmorgens die Vesperpakete. Ebenfalls erwähnenswert – die Suche nach Spenden, die Mohl seit mehr als 60 Jahren begleitet. Zuerst mit der Sammelbüchse, dann mit 45 000 von Rot-Kreuzlern selbst ausgetragenen Briefen. Heute freut sich Paul Mohl darüber, dass die Wertschätzung der Stadt gegenüber dem Roten Kreuz fast gleich groß ist wie gegenüber der Feuerwehr. Verheiratet ist Paul Mohl im Übrigen auch und er hat zwei Töchter.

Unter all seinem Engagement – oft abends und auch an unzähligen Wochenenden mit Bereitschaftsdienst für das Rote Kreuz – hat die Familie schon leiden müssen, sagt er. „Meine Frau hat ja damals gewusst, dass sie das Rote Kreuz quasi mitheiratet.“ Auch, wenn Paul Mohl heute immer noch viele, viele Stunden pro Woche für das DRK aufwendet – mit seiner Frau ist er nun auch sportlich unterwegs. Beim Wirbelsäulentraining, beim Yoga und beim gemeinsamen Wandern. Ob er seinen Vater, der 70 Jahre lang beim Roten Kreuz war, noch einholen will? „Ha, wenn ich gesund bleibe“, sagt Mohl. Es sind ja nur noch sechs Jahre.

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