Hornissen in Bad Urach: Niemand will den Schwarzen Peter

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Hornissen-Stiche vor ein paar Tagen im Maisental und anschließende Sperrung des Wanderwegs zum Wasserfall führt zu einer einheitlichen Ansicht: Keiner will den Schwarzen Peter

An einem Sonntag vor wenigen Tagen wurden zehn Menschen von Hornissen angegriffen und gestochen. Vier Rettungswagen sind nach den Erläuterungen von Bad Urachs Feuerwehrkommandant Wolfgang Dörner über die Leitstelle alarmiert worden und haben die Verletzten vor Ort versorgt. Eine Frau wurde gar ins Krankenhaus gebracht. „Kurz vor dem Mittagessen hat mich die Leitstelle angerufen, die Stelle im Maisental müsste großräumiger abgesperrt werden.“ Natürlich habe sich Dörner etwas Schöneres vorstellen können, als sein Mittagessen stehenzulassen und stattdessen mit Wanderern diskutieren zu müssen. Doch zunächst wurde es ihm und seinen Feuerwehrleuten vor Ort erstmal ganz mulmig: „Wenn 50 bis 100 Hornissen ein Auto angreifen und du sitzt da drin, dann kannst du nur hoffen, dass die Insekten nicht doch irgendwo einen Spalt finden“, sagte Dörner im Gespräch mit unserer Zeitung.

Als die Feuerwehr dann „zur Gefahrenabwehr“ den Hauptwanderweg zum Maisental gesperrt hatte, wollten so manche Wanderwillige das aber ganz und gar nicht einsehen: „Wenn da irgendwelche Leute aus Ludwigsburg oder sonst woher angefahren kommen, dann sagen die: ‚Wir haben unseren Kindern versprochen, dass wir jetzt zum Uracher Wasserfall gehen‘“, zitierte der Feuerwehrkommandant nur aus einem der zahlreichen Gespräche. Wenn dann aber Eltern mit kleinen Kindern die Warnung in den Wind schlagen, dann nennt Dörner das unverantwortlich – um es mal freundlich auszudrücken.

„Wenn nur zehn Hornissen ein kleines Kind angreifen, dann wollte ich nicht Eltern sein, wenn es dumm läuft und das Kind allergisch reagiert, dann stirbt es womöglich.“ Auf Facebook hatte die Bad Uracher Feuerwehr an diesem besonderen Sonntag Folgendes gepostet: „Vor unseren Augen wurden das Flatterband und die angebrachten Schilder entfernt, auch auf Ansprache erfolgte keine Reaktion“, hieß es da. „Die stechen schon nicht, wir sind zum Wandern hier, macht doch keinen Aufstand hier und vieles mehr mussten wir uns anhören.“ Als „sehr schade“ bezeichnete die Feuerwehr solches Verhalten.

Ursache für den Hornissenangriff seien im Übrigen an diesem Sonntag, 21. August, wohl Jungs gewesen, die auf das Nest am Wegesrand „in einem Baumstumpf einer Esche eingeschlagen haben“, wie Werner Gamerdinger als Chef des Kreisforstamtes betonte. Der Baumstumpf sei so verrottet gewesen, dass sich darin Tiere und Insekten eingenistet hätten. Das sei bekannt gewesen, schon vor dem Hornissenangriff. Im Übrigen seien nach den Worten von Bad Urachs Förster Reinhard Metzger einige weitere Hornissennester im Wald zu finden – was im Normalfall auch kein Problem sei. Solange die Insekten nicht Erschütterungen wie Stockschläge provoziert würden, wie Gamerdinger erläuterte.

Aber – und da waren sich alle Befragten einig: Solche Absperrungen seien nahezu sinnlos. Weil sie eh von den meisten ignoriert würden. Gamerdinger erinnerte sich ebenso wie Metzger und Dörner an einen Winter, als der Weg zum Wasserfall völlig vereist war: „Da war mit Bauzäunen abgesperrt, die wurden aber von Wanderern einfach zur Seite geschoben“, so der Kreisforstamtsleiter. Wenn dann was passiere, dann seien die Wanderer auch einfach selbst schuld. Aber, warf Wolfgang Dörner ein: Wenn dann ein Rettungseinsatz, so wie bei den Hornissen, vier Rettungswagen binde, dann fehlen die womöglich andernorts – wo sie eventuell viel dringender gebraucht würden. So wie auch am 21. August, als zeitgleich zwei Unfälle in der Region passierten und Feuerwehr sowie Rettungswagen auch dorthin gerufen wurden.

Und? Wie geht es jetzt weiter? „Der Weg ist bis Mitte September erst mal gesperrt“, sagte Wiebke Brosig die bei der Kurverwaltung für die Wanderwege zuständig ist. „Wir haben eine Umleitung zum Wasserfall durch das Schießtal ausgeschildert.“ Ob sich die Leute dran halten, das liege jedoch nicht in der Macht der Stadtverwaltung. Wer aber ist denn nun für die Aufhebung der Sperrung zuständig? „Naja“, sagte Werner Gamerdinger. „Das müsste ja derjenige machen, der die Sperrung auch eingerichtet hat.“ Den Schuh wollte sich Wolfgang Dörner aber nicht anziehen: „Ich bin ein zu kleines Licht, um das zu entscheiden, das muss der Forst oder sonst jemand machen.“

Und „sonst jemand“ könnte ja vielleicht die Stadt sein? Wiebke Brosig deutete jedoch auch in Richtung Forstverwaltung. „Das muss der Forst entscheiden, dem gehört das Gelände dort.“ Und was sagt der Kreisforstamtsleiter dazu? „Vielleicht sollte man sich zu einem gewissen Zeitpunkt zusammensetzen und dann mit Experten die Sache vor Ort anschauen.“ Vielleicht könnte das Schwarze-Peter-Spiel ja so gelöst werden – ohne dass irgendjemand anschließend die Verantwortung für weitere Hornissenstiche übernehmen müsste. Der momentane Stand ist aber: „Bis Mitte September ist der Weg erstmal gesperrt“, wie auch Torsten Clement als Tourismus-Amtsleiter über Pressesprecher Bernd Mall bestätigen ließ.

 

INFO:

Hornissen sterben jedes Jahr

 „Hornissen bilden jedes Frühjahr ein neues Volk“, erläuterte Bad Urachs Feuerwehrkommandant Wolfgang Dörner. Er sei nun wirklich kein großer Freund von Insekten, aber angesichts der momentanen Lage habe er sich in das Thema eingearbeitet. „Im Herbst, wenn es kühl wird, geht die Königin mit wenigen Arbeiterinnen etwa unter einen hohlen Ast, überwintert dort, legt im Frühjahr wieder Eier und bildet dann selbst ein neues Volk oder überlässt das einer neuen Königin, die aus den Eiern schlüpft.“ Der Rest des Volkes, also der größte Teil, sei im Herbst verstorben. Aus Natur- und Artenschutzgründen dürfe so ein Nest im Frühjahr oder Sommer nicht verlegt werden. Sich die Informationen über Hornissen zu besorgen, gehört im Übrigen nicht zu den originären Aufgaben eines Feuerwehrkommandanten. Und ob bis Mitte September das Nest schon ausgestorben sein wird …

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