„Die Situation ist dramatisch“, betonte Ulrich Fiedler. Diese Aussage hatte Reutlingens Landrat auch mit Zahlen belegt: Während seit März 2022 wöchentlich bis zu 30 ukrainische Geflüchtete im Landkreis angekommen sind, „waren es vergangene Woche 55 und diese Woche werden es 87 sein“, betonte Ordnungsdezernent Dr. Claudius Müller am gestrigen Donnerstagmorgen. Da waren es nur noch 2,5 Stunden bis zur Ankunft der ersten Flüchtlinge, die in den kommenden Wochen in der Theodor-Heuss-Sporthalle untergebracht werden. Die Lage verschärft habe „ein Systemwechsel des Landes“, nach dem Geflüchtete unmittelbar an die Landkreise weitergereicht werden. Der Grund: Die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes (LEA) sind schon rappelvoll.
„Der Schritt der Belegung von Sporthallen fällt mir sehr schwer“, sagte der Landrat gestern. Nach 2,5 Jahren Corona und den körperlichen sowie psychischen Folgen für Kinder und Jugendliche „ist es ein fatales Signal, dass Hallen nicht mehr für den Sport zur Verfügung stehen“, so Fiedler. „Trotzdem sehen wir uns gezwungen, diesen Schritt zu gehen, uns bleibt nichts anderes übrig, als Geflüchtete in Hallen unterzubringen.“ Dabei werde die Theodor-Heuss-Sporthalle wohl nicht die letzte im Landkreis sein, die Metzinger Ösch-Halle II stehe als nächste auf dem Plan. Auch die Sporthalle bei den Beruflichen Schulen in Metzingen werde momentan geprüft.
Nun aber zuerst die Theodor-Heuss-Halle: Sie wurde in Rekordzeit umgerüstet, Erfahrungen hat der Landkreis ja schon – 2015/20216 stand die Halle syrischen Geflüchteten als Unterkunft zur Verfügung. Nach den Worten von Mirjam Koch (Amtsleiterin für Migration und Integration) sowie Jason Fritz (Abteilungsleiter Untere Aufnahmebehörde) wurde die Halle nun mit 120 Betten und Spinden bestückt. Ein Vorraum könne als Ess- und Aufenthaltsbereich genutzt werden. Ehrenamtliches Engagement wäre wünschenswert, konnte von vergangener Woche Donnerstag bis gestern aber noch nicht organisiert werden. Zwei Sozialarbeiter werden vor Ort sein, genauso wie ein Security-Dienst.
Fiedler bezeichnete die Situation als „Dilemma – wir brauchen Kraftanstrengungen aller, der europäischen Partner wie auch von Bund und Land sowie der Landkreise und Kommunen“. Ein halbes Jahr sei der Kreis für die Geflüchteten zuständig, danach würden sie an die Städte und Gemeinden weitergeleitet. Dabei gebe es Absprachen zwischen Landkreis und Kommunen. Während der Kreis schon das Loft-Hotel in Eningen für 220 Menschen angemietet hat, würden ähnliche Kapazitäten derzeit nicht mehr zur Verfügung stehen. „Auch Container sind momentan nicht zu kriegen, ebenso wenig wie Handwerker und Material“, sagte Müller. Schwierig sei die Situation auch für die Schulen, betonte Silvan Purschwitz als Rektor der Theodor-Heuss-Schule. Die Abiturienten bräuchten den Sport, Vereinbarungen mit anderen Hallen seien aber getroffen worden.
INFO:
Wohnraum dringend gesucht
Landkreis und Stadt suchen gemeinsam dringend weiter nach Wohnraum für Geflüchtete aus der Ukraine. „Gerne können sich Wohnungseigentümer bei Interesse an das Kreisschul- und Kulturamt, Gebäudemanagement, Herr Klein, wenden“, betont das Landratsamt. Tel. (07121) 480-1334, Email: .