DRGs, ukrainische Geflüchtete und wohin mit ihnen? – 35. Woche 2022

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Mir ist schlecht. Ich könnte und würde mich am liebsten gerade dauerhaft übergeben. Gerade habe ich einen Artikel in der ZEIT gelesen, über die sogenannten DRGs, die Fallpauschalen in deutschen Krankenhäusern. Die wurden vor sage und schreibe 20 Jahren schon eingeführt und sorgten vor allem zu eines: Dass Kinderstationen in deutschen Kliniken deutlich unterfinanziert waren – und in vielen Einrichtungen ganz abgeschafft wurden. Weil sie vor allem mit Notfällen zu tun haben, die nicht planbar sind. Und weil sie dadurch mehr Personal vorhalten müssen – und deshalb deutlich teurer sind als andere. Wie etwa die Orthopädie, die wurde nämlich in den meisten Krankenhäusern massiv ausgebaut – weil Knie- und Hüftoperationen gut planbar sind und einfach mehr Geld bringen. Menschen mit schwierig behandelbaren Krankheiten, bei denen viel Aufwand notwendig ist – auch da wurden Stationen wegrationiert. Weil die nur kosten, kein Geld einbringen. Krankenhäuser wurden zu Wirtschaftsbetrieben. Mit Einführung der Fallpauschalen zogen Manager (die zuvor vor allem die Autoindustrie beraten haben) in deutschen Kliniken ein. Leiden müssen darunter vor allem das Klinikpersonal, Ärzte (wenn sie nicht gerade hochdotierte Erfolgs-Verträge unterschrieben haben) und natürlich die Patienten. Patienten, die seit den Fallpauschalen nur noch zu Kostenfaktoren wurden. Ebenso wie die Krankenschwestern und Pfleger. Es geht schon lange nicht mehr um Menschen, sondern nur noch um Kostenfaktoren. Was sich auch in der Sprache der Mediziner spiegelt: Da geht es nicht um Herrn xy, sondern um den Prostatakrebs auf Zimmer Nr. 78. Oder um das Lungenemphysem auf Zimmer 45. Ich könnte dauerkotzen. Dabei weiß die Politik sehr genau Bescheid über die Situation, der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach war schließlich einer derjenigen, der vor 20 Jahren dafür gesorgt hat, dass die Fallpauschalen überhaupt eingeführt wurden. Und der soll sie jetzt wieder abschaffen? Pffff. Was bleibt da übrig? Allein die Hoffnung, dass man gesund bleibt? Dass wir hoffentlich nicht das „Gesundheitssystem“ – in der ZEIT wurde es als „Krankenindustrie“ bezeichnet – in Anspruch nehmen müssen.

Worüber habe ich mich heute noch aufgeregt? Darüber, dass Michail Gorbatschow gestorben ist und Putin nicht zur Beerdigung kam? Es hätte mich schwer gewundert, wenn Putin dort aufgetaucht wäre. Darüber, dass durch Nord-Stream 1 weiter kein Gas fließt, weil die Russen wiederum eine fadenscheinige Ausrede anbrachten? Auch da hatte ich nichts anderes erwartet. Aber: Heute morgen stand in der Tageszeitung, dass Thomas Strobl, seines Zeichens Landesinnenminister, will, dass Hartz-IV-Empfänger mal wieder mehr sanktioniert werden. So eine bodenlose Frechheit. So ein … hrggrnnn. Anstatt die reichen kriminellen Kapitalisten endlich mal zu belangen, den Lobbyisten die Macht zu entziehen, damit der Turbo-Kapitalismus eingeschränkt wird – Nein, stattdessen beliebt es Herrn Strobl, mal wieder auf den Hartz-IV-Empfängern rumzuhacken. Na klar, gibt’s auch dort Menschen, die das System ausnutzen. Genauso wie bei den Superreichen. Nur, dass es bei Hartz-IV’lern um ein paar Euros geht, von mir aus um ein paar hundert – während die Wirtschaftskriminellen den Staat um Milliarden betrügen. Warum werden die nicht viel mehr an den Pranger gestellt??? Ich könnte …

Und sonst diese Woche? Ich war bei einer PK des Landkreises. Die Theodor-Heuss-Sporthalle hier in Reutlingen bei den Berufsschulen wurde am Donnerstag mit 120 ukrainischen Flüchtlingen belegt. Weil wöchentlich mehr und mehr Geflüchtete ankommen. Weil der Landkreis sich genauso wenig wie die Stadt anders zu helfen weiß, als Sporthallen für die Unterbringung aufzumachen. Wohin auch mit all den Menschen? Gute Frage. Solche Zustände wie in Holland vor kurzem sollten hier vermieden werden. Und wer sich jetzt beschwert, dass die Hallen nicht mehr für den Sport zur Verfügung stehen, der sollte mal dran denken, in was für bescheidenen Zuständen die Menschen dort leben müssen. In einem riesigen Raum mit 119 anderen Menschen. Die nachts schreien, schnarchen, sonstige Geräusche von sich geben. Freiwillige wollte da mit Sicherheit niemand tauschen. Und das eh nicht für eine Nacht, sondern voraussichtlich für viele Wochen. Und bei der Reutlinger Tafel wird die Situation auch immer schlechter: Von den Supermärkten kommen immer weniger Lebensmittel, dafür immer mehr Kunden in die Tafel. Lebensmittel- und auch sonstige Spenden sind dringend gefragt. Und auch Ehrenamtliche, die sich bei der Betreuung der Geflüchteten einbringen. Vielleicht einfach mal vorbeigehen und fragen … Weil: Sich ständig nur zu übergeben, macht ja auch keinen Sinn.

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