Digital dabei sein

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Im ganzen Landkreis sollen Menschen fit im Umgang mit digitalen Medien gemacht werden, damit sie sich selbst helfen können bei Anträgen, Bewerbungen und mehr

Die Erfahrungen der Beraterinnen und Berater in den Diakonischen Bezirksstellen sind die: „Bei Behörden wie dem Ausländeramt oder auch beim Jobcenter kann man immer häufiger nur noch digital Termine vereinbaren oder auch Anträge stellen“, sagt Florian Hecht, der in Münsingen in der Migrationsberatung für Erwachsene der Diakonischen Bezirksstelle arbeitet. „Das Jobcenter telefonisch zu erreichen, ist aussichtslos.“ Ähnliche Erfahrungen kennt auch Jonas Kaiser, der in der Suchtberatung in Reutlingen tätig ist: „Manche Behörden bieten ja nur noch Online-Dienste an.“ Automatisch werde davon ausgegangen, dass sich alle Antragsteller mit den digitalen Medien auskennen – „das stimmt aber nicht“, weiß auch Jule Gekeler, die unter anderem in der Tafelarbeit  der Diakonischen Bezirksstellen in Münsingen und Bad Urach ständig Menschen begegnet, die gerade im digitalen Bereich Hilfe benötigen.

Manche Ratsuchende kennen sich nach ihren Worten überhaupt nicht mit einem PC aus, sie wüssten nicht einmal wie man ein Dokument von einem Ordner in den anderen transportiert. Oder wie man mit Passwörtern umgeht. Solches Basiswissen soll nun „flächendeckend“ an allen Standorten der Diakonischen Bezirksstellen in Bad Urach, Metzingen, Münsingen und auch Reutlingen vermittelt werden. „Dabei haben wir nicht nur Flüchtlinge im Blick, sondern alle Menschen, die Hilfe bei digitalen Antragstellungen brauchen“, sagt Peter Donecker, der beim Diakonieverband Reutlingen vor allem für die Unterstützung von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit zuständig ist.

Zusammen mit Gekeler, Hecht und Kaiser bietet das Quartett seit 1. März das Projekt „Digital dabei“ an. Über die Förderung des Europäischen Sozialfonds (ESF) konnten Hardware beschafft und auch Manpower (also Fachberaterinnen und Fachberater) abgestellt werden, um die notwendigen Schritte und die Hilfe vor Ort zu organisieren. Hinzu kommen zwei Studentinnen von der Reutlinger Hochschule sowie weitere Ehrenamtliche. Sie alle haben sich bereit erklärt, digitalen Laien helfend unter die Arme zu greifen. „Das ist auch dringend notwendig“, sagt Jule Gekeler, „weil die Menschen, die sich mit den digitalen Medien nicht auskennen, nicht nur bei Behörden, sondern auch gesellschaftlich abgehängt werden.“ Ähnlich sieht das Jonas Kaiser: „Während Corona konnten Gruppenangebote in der Suchthilfe nur noch online gemacht werden – für die einen hat das super gepasst, andere, die keinen Laptop haben oder sich auch mit dem Handy nicht auskennen, die blieben außen vor.“

Generell sei zu beobachten, dass „in allen Beratungsbereichen Online-Gespräche verstärkt Thema sein werden“, betont Peter Donecker. Um die Menschen zu stärken, die bei der digitalen Entwicklung bisher nicht schritthalten konnten, wird es in der Karla 5 in Münsingen, im BEGIZ in Reutlingen, aber auch in Bad Urach und Metzingen Basisschulungen geben. Gleiches ist auch für Gehörlose geplant – wofür es es bereits ein Angebot mit Fachpersonal gibt.

„Ich habe in den vergangenen zwei Jahren 138 Bewerbungen für Ratsuchende geschrieben – das ist aber nicht mein Kerngeschäft und es braucht viel Zeit“, sagt Florian Hecht. Mit dem Projekt „Digital dabei“ soll also „Hilfe zur Selbsthilfe“ angeboten werden. „In Reutlingen wird das etwa verknüpft mit dem Projekt ‚Keine Angst vor Papierkram‘ vom Diakonieverband“, sagt Donecker. Finanziert wird „Digital dabei“ vom ESF nur bis Ende des Jahres, doch Peter Donecker zeigt sich zuversichtlich, dass eine Weiterfinanzierung klappen wird. „Das Thema muss platziert und etabliert werden – die Hardware ist ja jetzt schon mal da“, betont er.

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