Psychologische Beratungsstelle betreut seit 50 Jahren Menschen, die Hilfe suchen. Jubiläumsveranstaltungen zur Entdeckung der Schwerpunkte der Beratung
Durch Corona hat sich in der Arbeit der Psychologischen Beratungsstelle einiges verändert, da ist sich das Fachpersonal in der mittlerweile 50 Jahre jungen Institution einig: So ist die Beratungs-Nachfrage enorm gestiegen – „mittlerweile haben wir vier bis sechs Wochen Wartezeit“, sagt Beratungsstellen-Leiterin Christine Mauser. „Notgedrungen sind wir während der Pandemie zu Online-Beratungen übergegangen, hatten aber auch weiterhin Termine hier vor Ort oder draußen“, sagt Bernhard Eckert-Groß. Spazierengehend beraten – das war zuvor eine absolute Seltenheit, sagt Gudrun Lorch, die ebenso wie Eckert-Groß im Beraterteam in der Tübinger Straße arbeitet.
Heutige Themen, die Erwachsene, Eltern, Jugendliche umtreiben? Durch Corona vereinsamten gerade Ältere immer mehr – kein Wunder, Kirche, Seniorenkreise wurden gemieden. Selbst die eigene Familie zog sich zurück, aus Rücksicht auf die Gesundheit der Senioren, wie Lorch ausführt. Doch auch bei Paaren „haben sich wie durch ein Brennglas die inneren und äußeren Konflikte verstärkt“, sagt Mauser. Bis hin zu Auseinandersetzungen in der Beziehung zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern, sagt Gudrun Lorch.
„Während der bis zu viermonatigen Lockdowns mit Homeschooling kamen bei Jugendlichen Ängste auf, die manches Mal zu massiven Leistungseinbrüchen in der Schule führten“, so die Diplom-Psychologin Mauser. Doch auch die Eltern kamen auf dem Zahnfleisch daher, waren überfordert von Homeoffice und der gleichzeitigen Betreuung der Kinder. „Vielen Eltern ist bei der langanhaltenden Belastung die Luft ausgegangen“, so Mauser. Ablesbar sei das laut Eckert-Groß auch an einem bis zu 60prozentigen Anstieg in der Notfallversorgung in den Psychiatrischen Einrichtungen der Region – sowohl bei Kindern wie auch bei Erwachsenen.
Möglichkeiten der Hilfe in solchen Ausnahmesituationen – vom Krieg in der Ukraine mal ganz abgesehen, der zusätzliche Ängste aufkommen lässt? „Es geht darum, bei den Ratsuchenden zu schauen, was noch an Ressourcen da ist, worauf können sie stolz sein, wer oder was tut ihnen gut“, erläutert Christine Mauser. „Die Konzentration auf das, was verbindet und uns stärkt ist das Wesentliche.“ Als positiv wertet die Beratungsstellen-Leiterin, „dass die Schwelle für Jüngere gesunken ist, sich hier zu melden und Hilfe zu suchen“. In der Tübinger Straße bestehe für Klientinnen und Klienten die Möglichkeit (für Jugendliche und Erwachsene), „sich neu zu orientieren, hier können Ängste sortiert werden“, sagt Christine Mauser. Dass junge Erwachsene ebenfalls vermehrt Hilfe brauchen, weiß Praktikantin Maria Walz – sie hat mitten in der Pandemie ihr Studium der Sozialarbeit in Tübingen begonnen: „Es gibt viele Studierende, denen beim Online-Studium die Decke auf den Kopf fällt.“ Und einige haben ihr Studium auch schon wieder abgebrochen.
Die Arbeitsbereiche in der Psychologischen Beratungsstelle sind vielfältig, reichen von der Paarberatung über Erziehungsberatung bis hin zur Lebensberatung, unter die auch die Beratung von Geflüchteten fällt. „Im April 1972 wurde die Psychologische Beratungsstelle in evangelischer Trägerschaft gegründet“ berichtet Christine Mauser. „Damals gab es in Reutlingen und Umgebung so gut wie keine öffentlichen Beratungsangebote für Paare und Familien – ein niederschwelliges Angebot wurde aus Sicht vieler Fachleute aber dringend benötigt.“ Untergekommen waren die Psychologinnen, Psychologen und anderen Fachleute zunächst in der Klosterstraße, mit dem Personalzuwachs ging es in die Aispachstraße und schließlich an den jetzigen Standort. Seit Januar 2002 ist der Diakonieverband Reutlingen der Träger.
INFO:
Veranstaltungen zur Entdeckung der Schwerpunkte der Psychologischen Beratungsstelle
Um die Arbeitsbereiche der mittlerweile 50 Jahre alten Institution zu verdeutlichen, hat sich die Psychologischen Beratungsstelle einiges einfallen lassen: Am 12. Juli etwa wird eine „Schreibwerkstatt“ im Haus der Familie angeboten. Am 21. Juli ist ein „Naturgang“ im Wasenwald geplant, Treffpunkt Parkplatz Reutlinger Seen. Für den 19. Oktober steht die Überschrift, „Was trägt mich durch herausfordernde Zeiten“ über der Veranstaltung in der Christuskirche. „Kindliche Verlusterfahrungen begleiten, aber wie?“, heißt es am 9. November online. Am 24. November folgt die letzte Veranstaltung ebenfalls online unter dem Titel „Alles ziemlich schwierig gerade – trotzdem Eltern sein“. Anmeldungen zu allen Veranstaltungen sind spätestens drei Tage vorher erforderlich. Entweder per Mail an oder telefonisch (07121-17051) mit eigenen Kontaktdaten besprechen. Mehr Informationen zu den Angeboten gibt es auf der Homepage des Diakonieverbands (https://diakonie-reutlingen/angebot-5)