Wolkenreise

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Ich schaue zum Fenster hinaus. Wie wäre es, wenn ich mit den tiefhängenden Wolken mitziehen könnten, frage ich mich. Ich stell mir vor, ich gehe zur Achalm hinauf, erklimme die Treppen im Turm und wenn ich ganz oben bin, klappt eine Leiter aus einer Wolke heraus und ich steige weiter.

So ein Blödsinn, denke ich. „Ich bin doch gar nicht schwindelfrei.“ … „Ja, aber wenn ich schwindelfrei wäre, dann müsste es doch fantastisch sein, so eine tiefhängende Wolke zu besteigen und mit ihr übers Land zu ziehen“, schießt mir ein Wunsch durch den Kopf. Oder wo auch immer der jetzt herkommt. Vielleicht ja aus meinem Herzen. Oder aus der Leber? Von dort wurde mir der Gedanke mit dem Blut, das durch meinen Körper kreist, in meinen Kopf hineingespült? Vielleicht kann meine Leber ja besser denken, als mein Gehirn, denke ich. Oder sagt mir das nun meine Leber? Hmmm, wahrscheinlich würde dann aber die Niere, die rechte, Einspruch erheben. Jaja, wieso sollte denn ausgerechnet die Leber denken können und ich nicht“, würde sie sagen. Natürlich würde sich daraufhin die linke Niere sofort melden: „Das ist ja mal wieder typisch, dass du dich vordrängen musst und mich völlig außen vor lässt“, würde sie rufen. Und um das Chaos zu vervollständigen würde sich mein kleiner Zeh, links, auch noch melden. „Und ich, was ist mit mir? Hätte ich kein Mitspracherecht? Nur, weil ich hier am äußersten Rand mein Dasein fristen muss, ist das noch lange kein Grund …“ „Jetzt mal Ruhe“, würde das Hirn rufen. Das kennen wir doch noch. Otto hatte das ja vor vielen Jahrzehnten auf die Bühne gebracht. „Wer nicht spurt, fliegt raus“, hieß es da. Oder so ähnlich. Herrlich.

Von was bin ich ausgegangen? Ach so. Wolkenreise. Müsste doch toll sein, mit einer Wolke zu reisen. Untätig und faul über Reutlingen zu hängen, wenn der Gemeinderat im Rathaus tagt. Wenn dann die Mitglieder einer bestimmten Partei herauskommen – wusch – einen kurzen, aber heftigen Schauer auf sie runterschütten. Hach, das würde mir gefallen. Genauso würde ich es in Stuttgart und in Berlin machen – wenn die Parlamente dort mal wieder falsche Entscheidungen treffen, dann würde ich jedes Mal mit meiner Wolke die Sonne verfinstern. Und damit anzeigen, dass die Politiker nicht einfach immer weiter Entscheidungen gegen das Wohl der Menschen, der Tiere und des Klimas treffen können.

Außerdem könnte ich in so einer Wolke ja das Wetter steuern. Ich würde nach Afrika fliegen und dort in den regenärmsten Regionen jeden Tag Wasser ablassen, damit die Menschen dort wieder Gemüse, Kartoffeln, vielleicht sogar Reis anbauen könnten. Sie hätten genug zu essen. Was für ein schöner Gedanke. Ich ließe keine Überschwemmungen und Katastrophen in den ärmsten Regionen der Welt mehr zu, würde für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Dann würde ich weiterziehen in den Osten der Ukraine. Ich würde die Panzer und die Raketenbasen der Russen überschwemmen, sie im Matsch versinken lassen, so dass keine kriegerischen Aktivitäten mehr möglich wären. Und über den Häusern, den Villen aller Diktatoren auf der ganzen Welt würde ich es stürmen und regnen lassen, so lange, bis sie freiwillig ihr Amt aufgeben würden.

Aber: In meiner einzigen Wolke könnte ich den Klimawandel dann wohl doch nicht aufhalten. Und das Artensterben auch nicht. Trotzdem: Es wäre eine schöne Vorstellung, in so eine Wolke steigen zu können und mit ihr über Land zu ziehen. Und über die Städte. Von oben soll diese Erde ja fantastisch aussehen. In ein Flugzeug will ich aber nicht rein. Ich bin ja nicht schwindelfrei.

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