Elise, Maibaum und Boris Becker – 17. Woche

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Wir scheinen kriegsmüde zu sein. Wir? Wo wir doch nur ganz am Rande von dem Krieg in der Ukraine betroffen sind? Und dennoch. Auch ich bin irgendwie müde der Nachrichten über das Leiden und Sterben. Und meine Friseurin auch. Woran ich das merkte?

Kein Ton von Corona oder Ukraine. Sie empfing mich heute, am Samstag, 30. April, mit den Worten: „Und was sagen Sie zu Boris Becker?“ Ich war etwas verwirrt. Boris Becker? Ach ja, da war doch was. 2,5 Jahre Gefängnis soll er kriegen, weil er rund eine Million Euro  beim Insolvenzverfahren unterschlagen haben soll. Oder so ähnlich. Oder waren es anstatt Euro englische Pfund? Keine Ahnung. Egal. Ich hatte das nicht wirklich verfolgt, weil ich dachte: Was geht mich das an? Das sind doch Geschichten für Bild, Frau im Frühling, Bunte, Karierte oder wie die Blätter heißen.  Also sagte ich zur Friseurin: „Geschieht ihm recht“, oder etwas ähnliches. Ohne allerdings zu wissen, ob es dem einstigen Tennis-Star, dem Bobbele – der mit 17 Jahren Wimbledon gewann – tatsächlich recht geschieht. Weil: Ich hatte ja keine Ahnung. Aber: Es gibt doch wichtigere Themen, dachte ich. Und so kamen wir schnell auf unseren Urlaub, also Bine und meinen, zu sprechen.

Amrum. Endlich mal wieder Amrum. Das letzte Mal waren wir, glaube ich, 2018 dort. Also vor Ewigkeiten. Da war Luka, Bines Sohn, noch keine 18. Er war mit auf Amrum. Und dieses Jahr kann er nicht, weil er schon seine Abschlussprüfungen genau in der Zeit hat. Ausgebildeter Elektroniker ist er dann. Wahnsinn. Die Zeit rast. Und wir mit. Oder auch nicht, das wird sich zeigen, denn: Wir fahren mit dem Zug. Zuerst nach Kiel, zu einer Konfirmation in der Verwandtschaft. Dann noch zwei Tage in der Gegend dort oben, anschließend nach Hamburg zu Freunden. Und dann zwei Wochen Amrum. Alles mit dem Zug. Meine Erinnerungen an unsere letzte Zug-Heimfahrt von Amrum ist desaströs. Aber vielleicht wird ja nun alles besser. Wir werden sehen. Wir berichten.

Heute war ich aber nicht nur beim Frisieren, sondern auch noch bei zwei Zeitungsterminen: Bei einem wurde Elise enthüllt. Also nicht, was man dabei vielleicht denken könnte. Nichts Erotisches, sondern eine Skulptur. In Eningen auf dem Eingangsdach der Bücherei, eine Figur, die heute der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die gefällt mir gut. Obwohl sie ziemlich … entsetzt schaut? Verwirrt? Voller Angst? Keck schaue sie, hatte jemand geschrieben. Naja. Ein Mensch, der keck guckt, sieht meiner Meinung nach anders aus. Aber … Meinungen sind nun mal unterschiedlich. Und dann heute auch noch Maibaumstellen. In Betzingen. Ich dachte, das darf nicht wahr sein, als ich dort auftauchte. Hunderte Menschen säumten die Straße. An einen Parkplatz für mich war natürlich nicht zu denken. Aber: Als die Prozedur dann begann, dachte ich: Boah, ey. Das ist echt durchdacht. Einen 17 Meter langen Stamm mit Muskelkraft in die Höhe zu wuchten – kein Zuckerschlecken. Und die 17 Feuerwehrleute haben das perfekt hingekriegt. „Wenn der Narrenverein das machen würde, wüsste es jeder Einzelne besser als der andere“, sagte Betzingens Bezirksbürgermeister. „Bei der Feuerwehr gibt einer an, was zu tun ist, alle anderen folgen und es funktioniert.“ So war es denn auch.

Was die Woche sonst noch war? Beerdigung meiner Schwiegermutter. Sie ist am 11. April gestorben. Eine ergreifende Angelegenheit. Aber: Sie war immerhin 92 Jahre alt. Und sie durfte ruhig einschlafen. Ohne Schmerzen. Pfarrerin Ursula Heller hatte eine bewegende Trauerrede gehalten. Alles gut. Auf jeden Fall besser, als die Situation in der Ukraine. Wo weiter massenhaft gestorben wird. Gemordet. Und hier kommen immer mehr Flüchtlinge an. Vor allem Mütter mit Kindern. „Es gibt auch noch andere Menschen und Projekte, die dringend Unterstützung brauchen“, hieß es am Freitagabend beim Reutlinger Spendenparlament. Kommt da Neid auf? Nein, kein Neid. Aber doch auch eine Art Hilfeschrei, dass andere Menschen ebenfalls in Not sind. Afghanische Kinder etwa, die dringend traumatherapeutische Unterstützung brauchen. Ein Projekt, das am Freitagabend in der Sitzung des Spendenparlaments vorgestellt wurde. Ines Fischer hat das initiiert, die Reutlinger Asylpfarrerin. Tagtäglich wird sie mit dem Leid der Geflüchteten konfrontiert. Immer versucht sie, irgendwie zu helfen. Eine unglaubliche Person. Ein toller Mensch.

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