Das Grauen nimmt kein Ende: Immer mehr Beweise für die massenhafte Tötung von Zivilisten werden in der Ukraine entdeckt. Vermeintlich wurden Truppen von Kiew abgezogen – um im Osten des Landes nur umso heftiger alles platt zu machen. Heute, Dienstag, 19. April 2022, heißt es in den Nachrichten, dass in Mariupol nur noch eine Stahlfabrik mit Schutz suchenden Zivilisten und ukrainischen Kämpfern Widerstand leisten. Massive Angriffe aber auch auf Charkiw und andere Städte im Osten. Damit nicht genug: Nun wurde auch die westlichste Stadt Lwiw wieder mit Raketen beschossen. Das sinnlose, verbrecherische Morden geht also weiter.
Stephan Wahl, katholischer Priester, lebt in Jerusalem, hat die Situation recht passend in einem „ratlosen Psalm“ zusammengefasst:
Es ist Krieg – Ein ratloser Psalm
Aufgeschreckt bin ich, Ewiger, reibe mir zitternd die Augen,
ein Traum muss es sein, ein schrecklicher, ein Alptraum.
Entsetzt höre ich die Nachrichten, kann es nicht fassen,
Soldaten marschieren, kämpfen und sterben. Es ist Krieg.
Der Wahn eines Mächtigen treibt sie zu schändlichem Tun,
mit Lügen hat er sie aufgehetzt, mit dem Gift seiner Hassreden.
In den Kampf wirft er sie, missbraucht ihre Jugend, missbraucht ihre Kraft,
erobern sollen sie, töten sollen sie, sein Befehl ist eiskalt.
Seine Nachbarn hat er zu Feinden erklärt, ein Zerrbild gemalt,
in den dunkelsten Farben seiner wirren Machtphantasien.
Niemand wagt ihm zu widersprechen, seine Claqueure halten still,
ein Marionettentheater umgibt ihn, das er höhnisch bespielt.
Seine Bosheit hat Raffinesse, listig und schamlos geht er voran,
die Versuche ihn umzustimmen ließ er ins Leere laufen,
umsonst sind sie angereist aus besorgten Ländern,
Friedensappelle und Warnungen ließen ihn kalt.
Angst und Schrecken verbreiten sich, blankes Entsetzen,
wie viele Verletzte wird es geben, wieviele Tote?
Wann wird die gefräßige Gier des Tyrannen gesättigt sein,
wann der Blutstrom versiegen, wann die Waffen schweigen?
Hilflos starre ich auf die Bilder und Meldungen,
meine Fäuste voll Wut, in meinen Augen regnet es.
Fahr den Kriegstreibern in die Parade, Ewiger. Allen!
Leg ihnen das Handwerk, lass sie straucheln und fallen.
Wecke den Mut und den Widerstand der Rückgrat-Starken,
lass das Volk sich erheben und die Verbrecher entlarven.
Nicht entmutigen lassen sollen sich alle, die an den Frieden glauben,
die unverdrossen ihre Stimme erheben, gegen Verführer immun sind.
Sei unter denen, die nicht schweigen, die nicht wegschauen,
die nicht achselzuckend sagen, was kann ich schon bewirken.
Höre unser Beten, unser Schreien, es töne in Deinen Ohren,
unsere Angst um die Welt unserer Kinder und Kindeskinder.
Sie hast Du uns in die Hände gegeben, Deine Welt ist die unsrige,
In die Hände fallen soll sie nicht den Machthungrigen ohne Gewissen.
Nie werde ich verstehen, warum Du dem allen nur zusiehst,
Deine Hand nicht eingreift und die Tyrannen zerschmettert.
Mach Dich gefasst auf meine zornigen Fragen, wenn wir uns sehen werden,
später, in diesem rätselhaften Danach, Deinem geheimnisumwobenen Himmel.
Dann will ich Antworten, will Erlösung und endgültigen Frieden,
jetzt aber will ich nicht aufgeben, zu tun was, ich tun kann,
damit wir jetzt und auch künftig den Namen verdienen,
den wir so selbstverständlich als unseren eigenen tragen,
und ehrlich und glaubwürdig und unverhärtet berührbar,
als menschlicher Mensch unter menschlichen Menschen leben.
Genau diesen Psalm hatte am Ostermontag-Abend auch Frieder Leube als Sprecher des Reutlinger Rats der Religionen bei einem Abendgebet vorgelesen (Artikel folgt hier auf dieser Website). Gibt es angesichts dieses Wahnsinns überhaupt noch Hoffnung? Wenn wir dann auch noch den Klimawandel, das Artensterben, die anderen Kriege auf der Welt, im Jemen, in Afghanistan mitbetrachten, die Flüchtlingsbewegungen, den Hunger, all das Leid der Menschen auf der ganzen Welt – kann es dann überhaupt noch Hoffnung für die Menschen geben? Ich weiß es nicht.
Was ich aber weiß: Bayern ist aus der Champions-League geflogen. Juhu. Und Frankfurt gewinnt genauso überraschend in Barcelona. Nochmal Juhu. Aber: Darf man sich über solche Banalitäten überhaupt noch freuen, angesichts des Mordens und Abschlachtens in den Kriegen dieser Welt? Es kommt mir pervers vor, andererseits – wenn ich mich nur noch mit den düsteren Seiten der Menschen beschäftige, wird mein ganzes Leben düster, dunkel, trist und nicht mehr lebenswert. Es braucht diese Auszeiten und persönlichen kleinen Höhepunkte wie einen Ostersonntagsspaziergang durch die blühenden Streuobstwiesen im Ermstal. Oder andere kleine Freuden. Über die Einziehung von getunten Protzkarren am Karfreitag etwa. Beziehungsweise am „Car Friday“, wie die Poser-Szene den Starttag ihrer Saison nennen. Was für ein Blödsinn, was für ein Hohn. Die Polizei hätte ruhig noch ein paar mehr dieser Dröhn-Krach-Röhr-Karren beschlagnahmen (und am besten gleich verschrotten) können. Die Welt wäre eine ruhigere und bessere ohne sie. P.S.: Erst im Nachhinein haben wir erfahren, was die Polizeikontrolle am Karfreitag in der Reutlinger Eberhardstraße bedeutete, in die wir hineingefahren sind – mit unserem Kleinwagen waren wir allerdings für die Polizei völlig uninteressant.