Einfach weiter träumen? – 14. Woche 2022

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Der Krieg in der Ukraine dauert mittlerweile mehr als sechs Wochen. Und er nimmt an Brutalität und Unmenschlichkeit immer noch weiter zu.

Butscha ist diese Woche schon zum Synonym geworden für Morde, Vergewaltigungen und Misshandlungen an Zivilisten, an Kindern und Frauen. An Wehrlosen. Die unfassbare Barbarei der russischen Soldaten zeigt nach den Aussagen von Fachleuten das systematische Vorgehen der Armee. Kein Erbarmen. Gnadenlose Massaker sind offensichtlich nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und was sagt die russische Staatsführung: „Das waren wir nicht, das waren die Ukrainer.“ Was für ein unglaublicher Blödsinn. Warum sollten die Ukrainer ihre eigenen Kinder und Frauen abschlachten? Die Bösartigkeit des russischen Militärs wird zudem dadurch belegt, dass Korridore aus den umkämpften Städten heraus für die Zivilisten selten zustande kommen. Ukrainische Busse werden nicht durchgelassen, die Menschen müssen entweder mit eigenen Pkw oder zu Fuß fliehen. Aber: Russische Busse würden bereitstehen, um die Menschen nach Russland zu verschleppen. „Dann kann sich Putin noch als Wohltäter darstellen“, hieß es in den Nachrichten. Und dann obendrauf noch der Raketenangriff auf den Bahnhof in Kramatorsk im Osten der Ukraine, wo sich Hunderte Flüchtlinge drängten, auf den Zug hofften, der sie aus dem Krieg wegbringen würde. Stattdessen kamen Raketen. Was für ein Wahnsinn.

Die Bestialität dieses Krieges macht fassungslos. Dabei gab es doch schon Vorgänger, bei denen Putin „geübt“ hatte: Tschetschenien, als Grosny ebenfalls dem Erdboden gleichgemacht wurde. Aleppo in Syrien, als die Russen die Stadt bombardierten und nichts zurückließen als Ruinen. Was treibt diesen Menschen, falls man ihn überhaupt so bezeichnen kann, was treibt Putin an? Hemmungsloser Hass? Erschütternd auch, was vergangenen Sonntag die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti veröffentlicht hat, ein Manifest mit dem Titel „Was Russland mit der Ukraine tun sollte“. Nach Angaben der ZEIT werde darin „der ideologische Überbau für die russische Kriegsführung“ dargelegt: „Die Ukraine müsse vom Kiewer ‚Nazi-Regime‘ befreit und einer ‚totalen Säuberung‘ unterzogen werden. Zwischen Zivilisten und Soldaten sei nicht strikt zu unterscheiden“, zitiert Jörg Lau in der ZEIT. „Die Elite müsse ‚eliminiert‘ werden, die Bevölkerung bestraft und ‚entukrainisiert‘. Russlands Nachbarland müsse kulturell und politisch aufhören zu existieren“, so Lau weiter aus dem „Manifest“. Was treibt Menschen an, die so denken wie Putin? Der pure Wahn? Hass ohne Ende? Dabei bezeichnete Wladimir Putin vor kurzem die Ukrainer noch als Brüdervolk.

Was kann einen in dieser Zeit der massiven Perversität noch aufrecht halten? Der Gedanke, dass wir glücklicherweise in Deutschland sitzen? Noch einigermaßen weit entfernt von dem Krieg? Wie nah dieses Morden, der Versuch des Auslöschens eines ganzen Volkes, eines ganzen Landes, aber tatsächlich ist, zeigte der Besuch von Ursula von der Leyen am gestrigen Freitag in Kiew. Offensichtlich war sie heftig schockiert von dem, was sie gesehen hat. Sie versprach Wolodymyr Selenskyi, dass sie den Beitritt der Ukraine zur EU schnell vorbereiten und befürworten will. Hilft das irgendwie? Was hat ein zerstörtes Land, fast ohne Menschen davon? Und: Kann es überhaupt ein Ende dieses Krieges geben? Eins ohne Kapitulation? Eins, das den Fortbestand der Ukraine gewährleistet? In welcher Form auch immer? Schwer vorstellbar, selbst die Fachleute sind sich da nicht einig.

Hat gerade noch irgendwas Bedeutung, das nicht mit dem Krieg zu tun hat? Corona? Ja, klar. Wieder mehr Freiheit. Maskenfreiheit. Und jetzt? Es tut gut zu sehen, dass die große Mehrheit in den Supermärkten und Läden weiter Masken trägt. Doch: Gehen die Querdenker jetzt samstagsabends weiter auf die Straße? Oder ziehen sie jetzt Masken auf, um ihren Protest gegen die Regierungsanweisungen zu zeigen? Vielleicht treffen sie sich ja auch jetzt mit den russisch-stämmigen Protestlern, die in Deutschland nun auf den Straßen sind. Aber die fahren ja mit Autos. Vielleicht haben die ihren Sprit direkt von Putin? Obwohl: Die Preise fallen ja gerade wieder, also die Benzinpreise. Der Preis für Sonnenblumenöl – ich weiß nicht, wo der gerade steht. Wenn es denn überhaupt Sonnenblumenöl in den Supermärkten gibt. 51 Prozent dieses Öls bezog Deutschland aus der Ukraine, 27 Prozent aus Russland, sagte Bine vorher. Unglaublich, oder?

Noch ein paar Zahlen, die beeindrucken könnten: Nicht einmal 7 Prozent des Preises einer Tafel Schokolade kriegen die Kakao-Kleinbauern in Westafrika. In extremer Armut leben die Menschen, so dass selbst ihre Kinder mit in den Plantagen arbeiten müssen. Woher ich das weiß? Von einem streikenden Osterhasen. Der hat mir heute nämlich auf dem Reutlinger Wochenmarkt erzählt, dass Supermärkte fast 45 Prozent des Preises einer Tafel Schokolade kassieren und die Schokoladen-Hersteller rund 35 Prozent. Kein Wunder, dass für die Kleinbauern in Afrika fast nichts übrigbleibt. Das haben mir die Aktiven des Eine-Welt-Vereins in Reutlingen erzählt. Unglaublich. Ein guter Grund, um seine Schokolade im Welt-Laden zu kaufen.

Und was sollten wir sonst tun? Träumen. Es könnten doch eigentlich alle in Frieden miteinander leben. Wenn nur die Bösen und die Blöden nicht wären. Die Putins. Die Egomanen. Die Verrückten. Die Mächtigen, die denken, sie müssten immer noch mächtiger werden. Ich wünsche all denen die Krätze an den Hals. Möge eine gute Fee sie verwandeln. In die größten Wohltäter der Menschheitsgeschichte. Sie hätten die Macht, um den Hunger in der Welt zu beseitigen. Um Wohlstand für alle zu bringen. Um Leid, Elend, Not und Kriege von der Erde zu verdrängen. Ach, wie schön wäre das. Es müsste natürlich eine Fee sein, ein weibliches Wesen. Kein guter Zauberer. Kein Gnom. Kein Kobold, Erdgeist oder Wichtel. Denn: Mit den Männern hat doch alles Elend begonnen. Also eine Fee. Die Frieden bringt. Ach, wäre das schön. Frieden auf der Welt. John Lennon. Imagine, there’s no countries, it isn’t hard to do. Nothing to kill or die for and no relgion too. Imagine all the people, living life in peace … Ach ja. Keine Länder mehr, die sich bekriegen. Keine Gründe mehr, sich gegenseitig umzubringen, keine Religionen, die behaupten, sie wären die alle selig machenden. Und die anderen Religionen seien die Feinde.

Also: Die Fee brächte uns allen Frieden. Träumen wird man ja wohl noch dürfen. Aber, denke ich gerade: Wie sollte der Frieden denn aussehen? Dann müsste die Fee doch auch Verstand mitbringen. Verstand und Mitgefühl für alle Menschen. Dazu Empathie. Gerechtigkeitssinn. Bisschen viel auf einmal. Oder? Zu viel für die Menschen? Zu groß die Aufgabe für die Fee? Wahrscheinlich. Naja. Träumen wir weiter. Träumen den Traum von Frieden und Nächstenliebe. You may say I’m a dreamer, but I’m not the only one, I hope someday you’ll join us and the world will be as one. Um es noch mal mit John Lennon zu sagen, der die Welt durch seine Brille sah.

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