Hilfe für geflüchtete Ukrainer läuft an

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Grünen-Landtagsabgeordneter Thomas Poreski hört sich die Sorgen und Nöte von ukrainischen Flüchtlingen in der Unterkunft in Gönningen an. Ukrainer mussten zwei Wochen auf finanzielle Hilfe vom Landkreis warten

Nachdem der Grünen-Landtagsabgeordnete Thomas Poreski, Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl und auch Hans-Peter Häussermann vom Netzwerk Flüchtlinge in Gönningen bei Stadt und Landkreis nachgehakt hatten, kam am Mittwochabend um 17 Uhr 30 die Rückmeldung: Die Hilfen für die meisten der insgesamt 46 ukrainischen Flüchtlinge, die seit ein beziehungsweise zwei Wochen in der Gönninger Unterkunft wohnen, sind bewilligt worden. „Da hat sich von gestern auf heute aber ein großer Fortschritt getan“, sagte Poreski, der am Mittwoch auf Einladung des Gönninger Flüchtlings-Netzwerks in Reutlingens südlichsten Teilort gekommen war. „Es gab Probleme“, sagte Katja Walter als Pressesprecherin des Landratsamtes auf Nachfrage. Doch die seien nun behoben, das Geld könne nun problemlos an die Geflüchteten gehen. „Die Menschen aus der Ukraine haben ja zumeist kein Geld dabei und können nicht auf ihre Konten in der Heimat zugreifen“, so Poreski.

Am Mittwochabend haben die vor dem Krieg Geflüchteten wie auch das Gönninger Netzwerk die Gunst der Stunde, um über ihre alltäglichen Probleme und Bedürfnisse zu sprechen. Doch zunächst sagten sie Dank. Danke für die Hilfsbereitschaft in Gönningen. Und in ganz Deutschland. Sie seien froh, dem Krieg entkommen zu sein. Doch die Haltung, die Äußerungen wie auch die Mimik der insgesamt 46 Menschen (darunter 20 Kinder) vermittelten vor allem eins: Sie sind jetzt in Gönningen und müssen sich den hiesigen Anforderungen stellen. Während des Gesprächs mit den Vertreterinnen von Netzwerk, Verwaltung und Landtag, fuhr ein Auto vor der Flüchtlingsunterkunft vor: Eine Bäckerei aus Öschingen liefert täglich Brot und Backwaren. Als Spende.

Sehr hilfreich waren die Dienste von Juliia Olefirenko – sie lebt seit zwei Jahren in Gönningen, ist seit neun Jahren in Deutschland und kam an diesem Abend zufällig an der Flüchtlingsunterkunft vorbei. Sie hatte ebenfalls Spenden für ihre Landsleute gebracht und wurde kurzerhand als Dolmetscherin verpflichtet. Diesen Job absolvierte sie so bravourös, als ob sie ihn gelernt hätte. Apropos Lernen: Eine Frage, die von ukrainischen Frauen als erste angesprochen wurde, war die nach Schule und Kindergärten. Das sei gar nicht so einfach, entgegnete Poreski. Man müsse nämlich unterscheiden zwischen Ukrainern, die möglichst schnell wieder zurück in ihre Heimat wollen – und dementsprechend gerne Unterricht in ihrer Heimatsprache hätten. „Das ist ja absolut nachvollziehbar“, sagte der Grünen-Politiker. Für diese Kinder und Jugendlichen würden nun unbedingt ukrainisch sprechende Lehrkräfte gesucht. Einige Lehrerinnen seien eh unter den Geflüchteten, so Poreski.

Schwieriger werde es bei den Kindern, die nun ins deutsche Schulsystem gehen wollen. Aber: „Ich setze mich persönlich dafür ein, dass eine Vorbereitungsklasse in Gönningen eingerichtet wird“, versprach Christel Pahl. Damit – und mit all den anderen Problemen von Geflüchteten – kennen sich Netzwerk und auch die Bezirksbürgermeisterin aus. „Wir sind ein eingespieltes Team, das Netzwerk besteht ja schon seit 2015“, so Pahl. Eine andere Frage, die am Mittwoch aufkam war – die der Impfung. „Der Covid-Testbus war heute da, alle 46 Personen waren negativ“, so Pahl. Aber die bereits erfolgte und auch Nach-Impfung müssten schnellstmöglich geprüft und organisiert werden. „Sonst haben wir hier einen nächsten Hotspot.“

Die Frage nach Deutschkursen kam unter den Ukrainern ebenso auf wie die von Arztbesuchen. In Kürze soll in der Unterkunft ein Behandlungszimmer eingerichtet werden, ehrenamtlich wollen Ärzte jeglicher Richtung vorbeischauen und die Menschen behandeln, sagte die Bezirksbürgermeisterin. Die Gönninger Flüchtlingsunterkunft war im Übrigen zuvor übergangsweise als Quarantäneunterkunft genutzt worden, ansonsten stand sie längere Zeit leer. Vor zwei Wochen seien die Container auf die Schnelle reaktiviert worden. Ein Glücksfall. Finanziert wurden die Hilfen für die Menschen in Gönningen bislang über „die Bezirksgemeinde, über ein ökumenisches Friedensgebet und über sonstige Spenden“, so Pahl. Häussermann sowie Ute Laumann und Anna Kirschenheuter waren am Mittwoch vor Ort und bringen sich in das Netzwerk ein. Sie versuchen alles zu organisieren, was die Geflüchteten brauchen. Vom Fieberthermometer über die Kontoeröffnung bis zu Wohnungen und Kinderfahrräder. Auch das ein Glücksfall für die Menschen.

„Wie lange dürfen wir hier bleiben“, fragte eine Ukrainerin. Die Angst, angekommen zu sein und dann doch wieder weg zu müssen, treibt die Menschen offensichtlich um. „Sie können hier bleiben, bis Sie eine Wohnung gefunden haben“, sagte Christel Pahl. Doch das mit den Wohnungen sei wiederum gar nicht so einfach. Obwohl die Hilfsbereitschaft auch hier ziemlich groß ist. Immerhin: 45 Wohnungen und 45 Zimmer wurden in Reutlingen schon gemeldet. „Die Angebote werden gerade geprüft“, so Pahl. Gebraucht werden aber noch viel, viel mehr.

INFO:

Zahlen und Daten

 Insgesamt sind nach den Ausführungen von Pressesprecherin Katja Walter momentan an die 1300 geflüchtete Ukrainer im Landkreis. Schwierig sei die Erfassung der Menschen, weil viele sich zunächst privat orientieren. „Es wird mit einer Zahl an Flüchtlingen gerechnet, die 2,5mal so groß sein wird wie 2015“, sagte Thomas Poreski. Von allen Flüchtlingen aus der Ukraine sollen rund 2,3 Millionen nach Deutschland kommen, „das wären bis zu 280 000 für Baden-Württemberg“, so Poreski. Aber: „Es gibt ja keine Residenzpflicht für die ukrainischen Flüchtlinge – da kann es schnell unübersichtlich werden“, sagte Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl.

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